Überrascht zeigen sich die Vorsitzenden von SPD, FDP und Bündnis 90/Grünen im Rhein-Lahn-Kreis über das Aus für die Ampel-Koalition in Berlin, das keiner zum jetzigen Zeitpunkt erwartet hätte. Die Einschätzungen der politischen Entwicklungen driften allerdings deutlich auseinander.
Ralph Schleimer , Kreisvorsitzender der Freien Demokraten, erklärt: „Koalitionen sind immer Bündnisse auf Zeit. Manchmal läuft es dabei besser, manchmal schlechter.“ Die Ampel in Berlin hatte es in den vergangenen Jahren unter anderem mit Corona und mit dem russischen Überfall auf die Ukraine zu tun, was jeweils die Lage erschwert habe. Ralph Schleimer meint, dass eine Trennung nötig sei, wenn man nicht mehr die gemeinsame Basis für wichtige Entscheidungen findet. „Es wäre gut gewesen, wenn man die Kraft zu einem besseren Abgang gefunden hätte“, betont er zu den Statements nach der Entlassung von Finanzminister Christian Lindner.
„Koalitionen sind immer Bündnisse auf Zeit. Manchmal läuft es dabei besser, manchmal schlechter.“
Ralph Schleimer, FDP
Die FDP werde sich in der nächsten Zeit aufstellen und wolle angesichts großer Probleme ihren Beitrag für eine gute Politik leisten. Vor der Neuwahl wollen die Liberalen ihre Wirtschaftskompetenz unter Beweis stellen. „Die USA werden nach dem Wahlsieg Trumps nicht mehr so wie bisher an der Seite der Europäer stehen“, gibt Ralph Schleimer zu bedenken.
Aus Sicht des FDP-Kreischefs wäre es gut, wenn es schon vor dem März zu Neuwahlen kommen könnte. „Man muss aber auch bedenken, dass das nicht von heute auf morgen geht. Alle Parteien brauchen Zeit, um Kandidaten aufzustellen – dabei müssen immer Fristen eingehalten werden“, hebt Ralph Schleimer hervor.
Von Wissing überrascht
Sehr überrascht habe ihn der Verbleib von Volker Wissing im Amt des Bundesverkehrsministers und dessen Austritt aus der FDP. „Das ist für mich nicht nachvollziehbar, das muss man aber zur Kenntnis nehmen“, merkt Schleimer an. In Rheinland-Pfalz muss die FDP nach Wissings Parteiaustritt nun auch einen neuen Landesvorsitzenden finden.
Manuel Liguori , SPD-Kreisvorsitzender, Landtagsabgeordneter und Nassauer Stadtbürgermeister, macht gleich deutlich: „Eine weitere Hängepartie hätte es nicht geben dürfen. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“, fügt er an. Er zeigt sich überrascht von den deutlichen und persönlichen Worten, die Bundeskanzler Scholz gegenüber Christian Lindner gefunden hat. „Er hätte schon früher deutlicher werden müssen“, merkt Liguori zu den Vorschlägen des FDP-Manns an.
Liguori ist davon überzeugt, dass der von Olaf Scholz aufgezeigte Weg der richtige ist. „Wir brauchen einen geordneten Übergang“, betont der SPD-Kreischef. Daher sei es gut, wenn im Januar die Vertrauensfrage gestellt wird und wenn es im März zur Neuwahl kommt.
„Es gibt viele Dinge, mit denen wir punkten können.“
Manuel Liguori, SPD
Den Verbleib von Verkehrsminister Volker Wissing hätte Manuel Liguori nicht erwartet, begrüßt aber den Schritt. Die Arbeit Wissings im Land und später im Bund werde sehr geschätzt, sagt er.
Für den anstehenden Wahlkampf will Liguori dafür eintreten, dass die Arbeit der Sozialdemokraten im Bund stärker betont wird. „Es gibt viele Dinge, mit denen wir punkten können“, ist er sich sicher. „Die SPD hat gute Antworten auf aktuelle Probleme gefunden, wir können mit unserem Programm überzeugen“, unterstreicht er. Auch angesichts des Erfolgs von Donald Trump in den USA sei es wichtig, dass eine starke Bundesregierung aufgestellt wird. „Dafür sind alle demokratischen Kräfte gefordert“, fügt Liguori an.
Nun entscheidet der Souverän
„Ich bin davon ausgegangen, dass die Koalition halten wird“, sagt Yannik Maaß , Vorsitzender der Grünen im Rhein-Lahn-Kreis. „Die FDP wollte den Bruch am Donnerstag“, schätzt er die Lage ein – nach dem entscheidenden Gespräch zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner ist es aber etwas früher zum Aus für die Ampel gekommen. „Es ist gut, dass jetzt ein Schlussstrich gezogen wurde“, begrüßt Maaß die Entscheidung. Nun habe der Souverän die Entscheidung, einen neuen Bundestag zu wählen.
„Der Versuch ist essenziell, jetzt einen Haushalt auf die Spur zu bringen“, hebt Yannik Maaß hervor. Die bisherigen Töne aus der CDU/CSU sprechen für ihn aber eine andere Sprache. „Die Union will sehr schnell und unkontrolliert zur Neuwahl“, bemängelt er. Yannik Maaß ist sich gewiss, dass die Grünen mit ihren Themen viele Wähler überzeugen können. In seiner Partei habe man sich bereits vor dem Koalitionsbruch auf einen Wahltermin vor dem September 2025 eingestellt.
„Die Koalition und die Regierung sind am Ende, und die Leute erwarten, dass jetzt schnell Klarheit geschaffen wird.“
Joseph Oster, CDU
Der Koblenzer Bundestagsabgeordnete Josef Oster , der jüngst auch wieder zum Spitzenkandidaten der drei CDU-Kreisverbände des Wahlkreises 198 (aktuell noch 199) – CDU Koblenz, CDU Mayen-Koblenz und CDU Rhein-Lahn – gekürt worden ist, kommentiert das Ampel-Aus aus Berlin: „Ich habe zwar damit gerechnet, dass es in dieser Woche zu einer finalen Entscheidung und zu einem Bruch der Koalition kommt, aber das Überschlagen der Ereignisse am Mittwochabend hat mich tatsächlich etwas überrascht.“ Letztlich sei er aber froh, dass diese Hängepartie damit vorbei ist, und sieht sich „gut vorbereitet“ auf eine vorgezogene Bundestagswahl.
„Schockiert“ hat Oster nach eigener Aussage das Verhalten des Bundeskanzlers. „Dass er in dieser historischen Stunde in seinem Statement in erster Linie seinen bislang wichtigsten Minister persönlich angreift, war in jeder Hinsicht unangemessen und zeugt von keinem guten politischen Charakter.“ Es sei den Bürgern auch nicht zu vermitteln, dass es bis zu Neuwahlen nun noch Monate dauern soll. „Die Koalition und die Regierung sind am Ende, und die Leute erwarten, dass jetzt schnell Klarheit geschaffen wird.“ Osters Forderung: Die Vertrauensfrage sollte schnell, am besten in der nächsten Woche, gestellt werden. „Damit könnte Mitte oder Ende Januar die Bundestagswahl stattfinden.“
Ampel-Aus nicht überraschend
Osters Pedant bei den Sozialdemokraten, der Koblenzer SPD-Bundestagsabgeordnete Thorsten Rudolph (zuletzt ebenfalls wieder nominiert), sieht die Lage – wenig überraschend – komplett anders. „Seit dem Wochenende habe ich mehr und mehr Signale erhalten, dass für Christian Lindner der Koalitionsbruch beschlossene Sache ist“, berichtet Rudolph. „Ich hatte gehofft, dass die Verhandlungen der letzten Tage das noch einmal ändern können und Lindner aus Verantwortung für unser Land doch noch zu einem Kompromiss bereit ist.“ Das Ampel-Aus sei für ihn also nicht mehr völlig überraschend gekommen. „Trotzdem bedauere ich das, weil Deutschland und Europa in der aktuellen weltpolitischen Lage eine handlungsfähige und stabile deutsche Regierung verdient hätten.“ Als Mitglied im Haushaltsausschuss zeigt er sich auch davon überzeugt, dass man sich auf einen Haushalt hätte einigen können.
Eine sofortige Vertrauensfrage sei völlig unrealistisch, sagt der SPD-Abgeordnete. „Denn das würde bedeuten, dass die Wahl spätestens Anfang Februar stattfinden müsste, die Briefwahl also Anfang Januar beginnen müsste.“ Dies sei auch für kommunale Behörden nur schwer zu leisten, etwa was Wählerverzeichnis, Briefwahlunterlagen und die Organisation der Wahl angehe. „Einen solchen Vorschlag kann nur machen, wer möglichst keinen Wahlkampf führen will und dafür auch ein ungeordnetes Verfahren in Kauf nimmt“, sagt Rudolph.