Schon vor 100 Jahren litten die Menschen im Ort Mangel - Neue Leitung schafft 2022 Besserung
Blick in die Historie: So hat sich die Wasserversorgung in Becheln in 100 Jahren entwickelt
Der Hochbehälter über der „Steinknipp“ wurde 1921 errichtet, um die Versorgung Bechelns mit Trinkwasser zu verbessern.
Rainer Ansel

Wasser ist in Becheln immer wieder knapp. Schon vor 100 Jahren litten die Menschen im Ort Mangel. Dennoch hat sich die Wasserversorgung in der Gemeinde im letzten Jahrhundert erheblich verändert, wie ein Blick in die Dorfchronik verrät.

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Der Hochbehälter über der „Steinknipp“ wurde 1921 errichtet, um die Versorgung Bechelns mit Trinkwasser zu verbessern.
Rainer Ansel

Es hat eine große Trockenheit im Sommer vor 100 Jahren in Becheln geherrscht. Alle Brunnen im Dorf – bis auf den vor der Schule in der heutigen Schulstraße und im Unterdorf zwischen Kirche und heutigem Limesweg – waren leer.

Die Schulchronik berichtet: In langen Reihen standen die Bechelner dort an und warteten, bis sie das allernotwendigste Wasser erhielten. Oft war die Pumpe leer, ehe alle ihren Teil hatten. Dann musste wieder mehrere Stunden gewartet werden. Nachts wurden die beiden Pumpen von der örtlichen Polizeibehörde geschlossen, um dem Hamstern des Wassers in der Nacht einen Riegel vorzuschieben.

Der Brandweiher, nördlich der Kirche gelegen, war damals völlig ausgetrocknet. Die ältesten Leute im Ort konnten sich nicht entsinnen, dass der Weiher jemals leer gewesen war. In seinem Schlamm ließen sich die Rheinschnaken nieder und quälten nachts die Leute, die wegen der großen Hitze nur bei offenem Fenster und fast unbedeckt schlafen mussten. Seit dieser Zeit hat auch Becheln unter den Rheinschnaken zu leiden.

Die in früheren Zeiten in und bei den Häusern zu findenden und hygienisch problematischen Schöpf- und Ziehbrunnen wurden Mitte des 19. Jahrhunderts in Becheln durch private und öffentliche Pumpbrunnen ergänzt oder ersetzt. Es gab in Becheln drei von der Gemeinde betriebene Schwengelpumpen. Neben den bereits Genannten gab es noch welche in der heutigen Kirchgasse.

Die Brunnenschächte in der Schulstraße und in der Kirchgasse sind auch heute noch vorhanden und werden genutzt. Ebenso gibt es in wenigen alten Häusern noch einen Petz, wie die Hausbrunnen genannt wurden. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts suchte man nach Quellen und beschloss den Bau einer Wasserleitung.

Der Tiefbrunnen Wiesenborn wurde in den 1920er-Jahren gefasst.
Rainer Ansel

Die neue Wasserversorgung im Dorf

Nach einigen Verzögerungen, auch durch den Ersten Weltkrieg, wurde zu Beginn der 1920er-Jahre mit dem Bau der Wasserleitungen begonnen. 1921 wurde ein Hochbehälter über der „Steinknipp“ errichtet. Im Wiesenborn und im Micheltal fasste man mehrere Quellen und verlegte Leitungen zum neu gebauten Pumpenhaus im Micheltal.

Eine Lambachpumpe – sie wurde mit Wasserkraft betrieben und benötigte zwei Drittel des gelieferten Wassers als Betriebswasser – brachte das Wasser über eine Steigrohrleitung zum Hochbehälter und von dort über Leitungen und Hausanschlüsse zu den Verbrauchern.

Die Kosten für die Wasserversorgung beliefen sich auf fast eine Million Mark. Dazu musste die Gemeinde Kredite aufnehmen und 25 Hektar Wald verkaufen. Es war der Tannenwald „Heide III“ in der Nähe des Kleinbahnhofs, berichtet die Schulchronik. Der erste Pumpenwärter und Rohrmeister war der Schneider August Wolf (1867–1950, Hausname „Leus“).

Schon im September 1926 kam es nach langer Trockenheit wieder zu einer ernsten Wasserknappheit in Becheln. Das zeigte, dass das neue Wasserwerk nicht alle Probleme zu lösen vermochte. Die Emser Zeitung schrieb: „Die Wassernot ist umso größer, als nur ein einziger Dorfbrunnen da ist, der trinkbares Wasser hat und viele Einwohner ihre Hausbrunnen in den letzten Jahren zugeworfen haben.“

So ist es in der Ortsgeschichte von Hans-Jürgen Sarholz nachzulesen. Die Lambachpumpe wurde 1935 durch eine neue Diesel-Pumpe ersetzt. Viele Ältere können sich noch an das Klopfen der im Micheltal laufenden Pumpe erinnern.

1949 übernahm Bürgermeister Wilhelm Wagner (1907–1990) auch die Aufgaben des Wassermeisters. Er kümmerte sich mit großem Engagement um die Funktion von Pumpe, Hochbehälter und Leitungen. Im Sommer 1961 kam kein Wasser mehr aus den Rohren, und die Menschen mussten sich wieder aus den Brunnenschächten versorgen.

Das war umso schlimmer, weil auch noch in den beiden Gaststätten alle Gästebetten belegt waren. Nachdem im Jahr 1962 eine neue Kolbenpumpe eingebaut und 1968 die Wasserleitung erneuert wurde, hat man 1972 einen neuen Hochbehälter am Wolfsbusch gebaut. Bis dahin war das Wasser immer wieder knapp.

Anfang der 1970er-Jahre erschloss man eine Quelle im Hangwald des Zippenhainer Tales, der in der ehemaligen Gemeinde Hinterwald liegt. Diese Quelle und ein Tiefbrunnen sind heute noch in Betrieb. Das Wasser wird nach Aufbereitung mittels einer Pumpstation am ehemaligen Kleinbahndamm über den Klopp zum Hochbehälter gepumpt. Die hierfür notwendigen Planungen machte der aus Becheln stammende Ingenieur Reinhold Schmidt.

Magarethe Schwarz an einem alten Schwengelbrunnen.
privat

Verbandsgemeinde wird zuständig

Am 1. Januar 1975 wurde die Zuständigkeit für die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung von der Ortsgemeinde an die Verbandsgemeinde übertragen. Da die Quelle im Zippenhain in Spitzenzeiten den Bedarf der größer werdenden Gemeinde nicht mehr decken konnte, wurde um 1980 oberhalb des Dorfes eine Brunnenbohrung durchgeführt.

Dieser Brunnen brachte zwar ausreichend Wasser, war aber wegen vorhandener Sedimente von unzureichender Qualität. So musste man im Sommer 1988 mit Feuerwehrfahrzeugen Wasser aus anderen Anlagen in den Hochbehälter liefern. 1993 bauten die Verbandsgemeindewerke eine Verbundleitung zwischen Frücht und Becheln und hatten damit die Möglichkeit, Wasser hin und her zu pumpen.

Seit dieser Zeit wird bei Bedarf das weiche Zippenhainer Wasser mit dem härteren Wasser aus Frücht vermischt. Das kann wegen der Wasserchemie nur in begrenztem Umfang geschehen. Daher brachte dieser Verbund nicht immer eine ausreichende Versorgung. Hin und wieder mussten im Sommer Tankwagen eingesetzt werden.

Im Laufe dieses Jahres nun wurde von den Werken eine Verbundleitung von Fachbach über Nievern nach Frücht verlegt. Sie soll 2022 in Betrieb genommen werden. In Zukunft ist es somit möglich, Wasser aus dem unerschöpflichen Fachbacher Stollen bis hinauf nach Becheln zu transportieren. Weil dann das Mischungsproblem nicht mehr besteht, sollte die Wasserversorgung von Becheln endgültig gesichert sein, zumal die Früchter Quellen im Schweizertal aufgegeben werden müssen.

Allerdings ist darauf zu achten, dass das gute und weiche Lebenselixier aus dem Zippenhain weiterhin die Basis der Bechelner Wasserversorgung sein sollte. Wenn wir heute mit aller Selbstverständlichkeit den Wasserhahn aufdrehen, sollte es uns bewusst sein, dass es sich beim Trinkwasser um das wichtigste und das bestmäßig kontrollierte Lebensmittel handelt, hinter dem eine aufwendige und komplexe Infrastruktur steht.

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