Gut zwei Tage nach der Bundestagswahl gab es nun auch für die politischen Aktiven in der Verbandsgemeinde (VG) und in der Stadt Diez Gelegenheit, die Wahlergebnisse von Sonntag sacken zu lassen. Wie aber wurde nun abgestimmt? In der VG Diez entsprach das Unionsergebnis weitgehend jenem auf Bundesebene. Die Christdemokraten holten an Lahn und Aar 28,2 Prozent. Die SPD hingegen, drei Prozentpunkte höher als im Bundesdurchschnitt, kam in der VG Diez auf 19,3 Prozent. Noch besser als im Bund schnitt auch die AfD mit 22,4 ab. Etwas schlechter als im Bund fielen hingegen die Ergebnisse der Bündnisgrünen (9,7) und der Linken (6,7 Prozent) aus. Anders als im Bund hätte man der FDP in der VG Diez offenbar den Wiedereinzug ins Parlament gegönnt: Hier erhielt die FDP 5 Prozent.
„Ich bin froh, dass wir im VG-Rat Diez keine Parteipolitik betreiben, sondern vertrauensvoll zusammenarbeiten.“
VG-Bürgermeisterin Maren Busch lobt das konstruktive Klima im VG-Rat.
„Es ist eine große Unzufriedenheit spürbar„, ordnet VG-Bürgermeisterin Maren Busch das Wahlergebnis ein. „Das Vertrauen in den Staat geht verloren. Als VG-Bürgermeisterin kann ich in meinem kleinen Bereich versuchen, dafür zu sorgen, dass Menschen mehr Vertrauen in die Verwaltung und so mittelbar auch wieder mehr Vertrauen in den Staat haben, den die Verwaltung teilweise repräsentiert“, sagt Busch und ergänzt: „Ich bin froh, dass wir im VG-Rat Diez keine Parteipolitik betreiben, sondern vertrauensvoll zusammenarbeiten.“ Hier wird Sachpolitik gemacht, von der sich die Bundespolitik gerne mal eine Scheibe abschneiden könnte, besonders im Hinblick auf die Notwendigkeit, hin und wieder über den eigenen Schatten zu springen.“
Politische Mitte stärken
Bettina Spriestersbach-Möhler ist eine von zwei Fraktionssprechern von Bündnis 90/Die Grünen im Verbandsgemeinderat. Für sie ist das Ergebnis auf Bundes- wie auch auf VG-Ebene erschreckend. „Das Thema Migration hat alles andere überlagert, sodass wir mit Themen wie Klimawandel oder Infrastruktur, die zu unserer Kernkompetenz gehören, oft nicht durchdringen konnten“, sagt sie. Die Grünen hatten 700.000 Wähler an Die Linke verloren. Teilt Spriestersbach-Möhler die Analyse von Robert Habeck, dass die Grünen als möglicher Koalitionspartner der CDU wahrgenommen wurden und potenzielle Grünen-Wähler, die Merz als Kanzler verhindern wollten, daher ihr Kreuz bei der Linken machten? „Habeck hat im Wahlkampf sehr moderate Töne angeschlagen. Das hat vielleicht nicht jedem gefallen und Die Linke hatte im Kontrast hierzu stark mobilisiert.“ Nun, sagt sie, sei es wichtig, die politische Mitte innerhalb der nächsten vier Jahre wieder zu stärken.
Beim Vergleich mit der VG haben CDU und AfD in der Stadt Diez die Plätze getauscht – jedenfalls auf den ersten Blick. Denn gemeldet wurden dem Landeswahlleiter nur die Ergebnisse der Urnenwahl. Briefwähler erfasste die VG hingegen zentral. So bleibt auch ein Fragezeichen hinter dem Diezer Spitzenplatz der AfD mit 29,6 Prozent, gefolgt von CDU und SPD mit 21,8 und 15,4 Prozent. Außerdem entfielen 9,9 Prozent auf die Linke, die Grünen erhielten 9, die FDP 5,1 und die Freien Wähler 1,4 Prozent. Insgesamt gelassen reagiert der Zweite Beigeordnete der Stadt, Axel Fickeis (CDU), auf das Ergebnis.
Migration in Diez kein großes Thema
Am Wahltag war Fickeis als Vorsitzender des Wahlvorstands an der Diezer Pestalozzischule im Einsatz: „Es gibt einen stabilen Wähleranteil für die AfD“, so die Beobachtung. Die Befürchtung ist daher, dass die AfD in Zukunft für den Diezer Stadtrat kandidiert. Etwas Grund zur Hoffnung geben dabei jedoch die Protestwähler, die „nur“ den anderen Parteien einen „Denkzettel“ verpassen wollen. „Friedrich Merz muss daher schnell liefern“, sagt Fickeis. Der Straßenwahlkampf habe gezeigt, dass viele Menschen sich wirtschaftliche Sorgen machen. „Wirtschaft ist aber auch immer 50 Prozent Psychologie. Wenn die Leute Hoffnung schöpfen, kann sich die Stimmung auch wieder drehen.“
Das zuletzt beherrschende Thema des Wahlkampfs, die Migration, spielte dagegen keine Rolle. „Über die Schlägerei vor dem Limburger Dom haben die Leute zwar geredet“, räumt Fickeis ein. Aber ansonsten ist man in der Grafenstadt in Integrationsfragen gut aufgestellt. „Positiv ist außerdem, dass mit Harald Orthey und Tanja Machalet beide Direktkandidaten der CDU und SPD aus unserem Wahlkreis in den Bundestag gewählt wurden.“ Jede Präsenz in Berlin hilft der Region, pflichtet auch Stadtbürgermeisterin Annette Wick (SPD) bei.
Diezer Liberale mit gutem Ergebnis
Genervt ist Wick dagegen darüber, dass nun in den farbigen Wahlanalysen mehrere Gemeinden blau eingefärbt sind, obwohl dabei die Briefwahlergebnisse nicht berücksichtigt wurden. „Denn die Briefwahl machte einen Unterschied“, ist Wick überzeugt. Nichtsdestotrotz bereitet das gute Abschneiden der AfD den Diezer SPD-Mitgliedern Sorgen. „Tief erschrocken“ sei sie, sagt zum Beispiel die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Silvia Barz, die an die vielen Parteigenossen mit Migrationshintergrund denkt. Gleichzeitig rätselt sie über die Ursachen. „In der Bundespolitik wurden Fehler gemacht“, räumt sie ein. „Diese können wir hier in den Kommunen aber nicht korrigieren.“ „So verstörend die Wahlergebnisse sind, so ist es wichtig, mit allen das Gespräch zu suchen und nicht pauschal auszugrenzen“, betont schließlich Stadtratsmitglied Herbert Pechmann (FDP). „Wir haben in Diez unsere Hausaufgaben gemacht“, ergänzt er noch mit Blick auf die am Sonntag dort erzielten 5,1 Prozent.