Das hat den Braubacher Christian Maxeiner, Beisitzer in der Bürgerinitiative im Mittelrheintal gegen Umweltschäden durch die Bahn und bahnpolitischer Sprecher der FWG/FBL Fraktion im Verbandsgemeinderat Loreley, zu Nachforschungen bewogen. Christian Maxeiner liegen die Akten bezüglich der Eisenbahnüberführung am Ortsende von Braubach, in Höhe der Philippsburg, vor. Er hat sie sich vom Eisenbahnbundesamt in Kopie zuschicken lassen. „Das Brückenbauwerk befindet sich optisch in schlechtestem Zustand und wurde zuletzt auch in der Kategorie 3 eingestuft“, erklärt er auf Nachfrage unserer Zeitung. Kategorie 3 bedeutet einen genügenden Zustand, Kategorie 4 jedoch schon einen ungenügenden.
Kein Handlungsbedarf?
Was Maxeiner bei seinen Recherchen aufgefallen ist: Der Zustand des Bauwerks wurde mit fortschreitenden Prüfungen immer „besser“ eingeschätzt. Bei der „Regelbegutachtung“ im Jahr 2006 sei für diese Stelle noch eine Temporeduzierung auf 50 km/h (Langsamfahrstelle) gefordert worden. Ebenfalls im Jahr 2006 wurde der aktuelle Zustand mit der Kategorie 3 (umfangreiche Schäden am Bauwerksteil) bewertet und für die nächste Hauptuntersuchung in sechs Jahren, also für 2012, die Kategorie 4 (Gravierende Schäden am Bauwerksteil) prognostiziert. Bei der Begutachtung im Jahr 2012 dann blieb es bezüglich des aktuellen Zustands bei der Kategorie 3; die Prognose für in sechs Jahren (also 2018) lag bei Kategorie 4.
Dann gab es wiederum im Jahr 2015 eine Brückeninspektion, die laut Christian Maxeiner lediglich zu der Bemerkung führte, dass die Inspektion ordnungsgemäß durchgeführt wurde und keine „befundungswürdigen Mängel“ festgestellt wurden. Eine Begutachtung im Jahr 2018 wiederum bewertete den aktuellen Zustand des Bauwerks mit der Kategorie 3, prognostizierte für in sechs Jahren die Kategorie 3, in 18 Jahren Kategorie 4. Im Jahr 2021 wurde die Brücke wieder untersucht. Dabei gab es, so Maxeiner, lediglich die Bemerkung, dass die Inspektion ordnungsgemäß durchgeführt wurde und keine „befundungswürdigen“ beziehungsweise „handlungsbedürftige“ Mängel festgestellt werden konnten.
Die „wundersame“ Verbesserung des Brückenzustandes beziehungsweise die „Konservierung“ des Ist-Zustandes über 15 Jahre hinweg, machten den Vertreter der Bürgerinitiative stutzig. „Ich frage mich“, so Maxeiner, „ob damit die Voraussetzungen der jährlichen ,Sichtprüfung' sowie der sechs-jährlichen ,Hauptprüfung' wirklich erfüllt werden. So fordert die ‚Hauptprüfung‘ statische Berechnungen und Materialprüfungen, die sich zumindest in der vorgelegten Akte nicht wiederfinden. Nach meinem Verständnis sieht es danach nicht aus.
Sollten hier tatsächlich Überprüfungsvorgaben missachtet worden sein, so muss überlegt werden, ob nicht auch eine Strafanzeige eine angebrachte und mögliche Option wäre. Dass hier auch bei der bevorstehenden Generalsanierung laut Aussage der DB InfraGO keine größeren Arbeiten am Oberbau geplant seien, lässt zumindest stark die Vermutung aufkommen, dass man nicht riskieren möchte, hier etwas zu entdecken.“
Mit diesen Fragen hat Christian Maxeiner auch das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) in Bonn konfrontiert. Das EBA überwacht in der Eisenbahnaufsicht, ob die Unternehmen der Bahn ihrer Sicherheitsverantwortung nachkommen und die einschlägigen Gesetze und Regelwerke beachten. Hierzu führt es etwa Stichproben oder anlassbezogene Kontrollen durch. Auch Hinweisen von Bürgern geht das EBA im Rahmen der Aufsicht regelmäßig nach, wenngleich aus Kapazitätsgründen nicht in jedem Fall eine Unterrichtung über den weiteren Fortgang erfolgen kann. Ihr Schreiben Maxeiners, so das Amt, wurde „zeitnah zum Anlass genommen, den Streckenabschnitt beziehungsweise die in Rede stehenden Ingenieurbauwerke auf Standsicherheit im Hinblick auf die Belastungen durch den Eisenbahnverkehr auf der Gütermagistrale Rotterdam-Genua zu überprüfen“.
Die im Gutachten aus dem Jahr 2006 prognostizierte Herabsetzung der Geschwindigkeit von 120 km/h auf 50 km/h ab 2010 habe sich tatsächlich nicht auf die Unterführung, sondern auf andere Streckenteilbauwerke bezogen. Aus dem Gutachten sei zu erkennen, dass diese Streckenteilbauwerke jeweils Teilbauwerke für die äußeren Randwege sind und daher „keinen unmittelbaren Einfluss auf die zulässige Geschwindigkeit des Eisenbahnverkehrs haben. Dies wurde offenbar auch von Seiten der Bahn so erkannt und in der nach dem Gutachten aus 2006 folgenden Dokumentation berücksichtigt.“#
„Uneingeschränkt nutzbar“
Was die eigentliche Eisenbahnüberführung (Streckenkilometer 117,245) betrifft, so habe die Bahn gegenüber dem EBA nachweisen können, dass die nach Regelwerk erforderlichen Inspektionen durchgeführt wurden. Die aktuellen Ergebnisse der durch die Bahn durchgeführten Inspektionen belegten für dieses Bauwerk einen Gesamtzustand der Kategorie 3. Das Bundesamt weiter: „Aufgrund der festgestellten Schäden am Bauwerk ist diese Einstufung aus Sicht der Aufsicht nachvollziehbar. Schäden mit Sicherheitsrisiken, welche unmittelbaren Handlungsbedarf erfordern, wurden hierbei nicht festge-stellt. (...) Aufgrund seines Alters und seiner bisherigen Nutzung verliert das Bauwerk optisch natürlich den Vergleich mit einem neuwertigen Bauwerk. In Bezug auf die derzeitigen Anforderungen der Tragfähigkeit ist das Bauwerk jedoch uneingeschränkt nutzbar.“
Das Eisenbahn-Bundesamt werde, so heißt es in dem Schreiben an Maxeiner, die Bauwerkszustände des in Rede stehenden Streckenabschnitts weiterhin aufmerksam verfolgen und beobachten, welche Entscheidungen die DB InfraGO AG als Verantwortliche für die Bauwerke und Infrastrukturbetreiberin zukünftig in Bezug auf sicherheitsrelevante Instandhaltungs- beziehungsweise Instandsetzungsmaßnahmen treffen wird.