Ehemaliger Kanzleramtsminister und Bahnvorstand Ronald Pofalla warb in Niederlahnstein für 460-Millionen-Euro-Projekt
Baugebiet Löhnberger Mühle? Interesse an Infotag in Lahnstein ist groß
Großes Interesse in den Brauwiesen: Anwohner, andere Bürger und Kommunalpolitiker lauschten den Ausführungen der Verantwortlichen hinter „Rhein-Lahn-Living“. Fotos: Tobias Lui
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Lahnstein. Wer sich ein wenig näher mit Politik beschäftigt, dem ist der Name geläufig: Ronald Pofalla. Der heute 63-Jährige war von 2009 bis 2013 Chef des Bundeskanzleramtes unter Angela Merkel, danach Vorstand der Deutschen Bahn. Heute vertritt er die Gröner Group, eine Immobilienentwicklungsgesellschaft aus Berlin. Deren Tochter CG Elementum möchte in Lahnstein rund 460 Millionen Euro in ein Wohngebiet rund um die Löhnberger Mühle stecken.

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Nun luden Pofalla und Marcus Zischg, Vorstand bei CG Elementum, interessierte Bürger in Maximilians Brauwiesen ein. Deren Chef Sascha Ohlig unterstützt das Bauprojekt in der direkten Nachbarschaft nämlich.

Großes Interesse in den Brauwiesen: Anwohner, andere Bürger und Kommunalpolitiker lauschten den Ausführungen der Verantwortlichen hinter „Rhein-Lahn-Living“. Fotos: Tobias Lui
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Ursprünglich waren bis zu 700 Wohnungen geplant – diese Zahl ist mittlerweile von CGE deutlich nach unten korrigiert worden. Bei der Veranstaltung in Lahnstein war plötzlich von „nur“ noch 400 Wohneinheiten, einem Altenzentrum (in der Mühle selbst) und etwas Gewerbe die Rede. Grund für die Reduzierung ist die Politik, welche den Dimensionen des Vorhabens in Teilen sehr kritisch gegenübersteht. Einen Verkauf des verwilderten „Zipfels“, einer 11.000-Quadratmeter großen städtischen Fläche unterhalb der Brauwiesen, lehnt eine Mehrheit ab. Die Stadt hätte mit einem Verkauf wohl 1 bis 1,5 Millionen Euro einnehmen können. Nun hat der Investor seine Planungen angepasst, der „Zipfel“ ist, wie von der Politik gewünscht, raus.

CO2-Ausstoß soll um 80 Prozent gesenkt werden

Rund 150 Bürgerinnen und Bürger waren nun zur Präsentation des Unternehmens in den Brauwiesen gekommen und lauschten den Gastgebern. Zunächst warb Ronald Pofalla für „Rhein Lahn Living“, wie man das Projekt getauft hat. „Was den CO2-Ausstoß im Bausektor angeht, gibt es noch großen Nachholbedarf in Deutschland“, erklärte Pofalla zur Lage der Baubranche. „Unser Ziel mit dem Programm ,Ecobuilding' ist es, den CO2-Ausstoß beim Bau um bis zu 80 Prozent zu senken.“ Dies erreiche man zum einen mit konsequenter Digitalisierung der Planungen und zum anderen mit der Vorproduktion von Bauteilen. Außerdem wolle man das Quartier durch eine Technologiekombination so mit Energie versorgen, dass der Ausstoß der Treibhausgase deutlich reduziert würde, betonte der Geschäftsführer.

Hässliches Umfeld rund um das Industriedenkmal

Sein Kollege Marcus Zischg berichtete anschließend von der eigenen Schulzeit in Lahnstein – und von dem „beeindruckenden Mühlengebäude mit dem hässlichen Umfeld“, wie er sich erinnerte. „Heute sieht noch alles genauso aus. Als ob die Zeit stehen geblieben wäre“, so Zischg. Der zeigt sich davon überzeugt, dass ein solches Projekt, gerade im Hinblick auf die Buga, eine enorme Entwicklung in Lahnstein vorantreiben würde. „Lahnstein sollte diese Chance ergreifen“, betonte Zischg. Dazu gehöre auch eine Entwicklung der Rheinpromenade, an der man sich beteiligen werde. Das Projekt in Lahnstein diene der gesamten Gröner Group als „Pilotprojekt“, was CO2-reduziertes Bauen angeht, ergänzte er. „Wir würden lieber heute als morgen starten.“ Dafür aber, so Zischg in Richtung der Kommunalpolitik, brauche das Unternehmen auch eine gewisse Planungssicherheit. Worauf er anspielt: Bisher hat eine Ratsmehrheit die Aufstellung eines Bebauungsplanes abgelehnt.

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Unter Merkel Chef des Kanzleramts, dann Vorstand der Deutschen Bahn und seit einem Jahr in der Geschäftsführung der Gröner Group: Ronald Pofalla bei seinem Besuch in Lahnstein.
Lui Tobias. tl

Dimensionen in der Kritik

Denn Teile der Kommunalpolitik sind weiter skeptisch, ob ein solches Projekt für eine Stadt dieser Größe nicht überdimensioniert ist. Neben optischen und Umweltbedenken (Hochwassergebiet) bereitet vielen auch die verkehrstechnische Erschließung Sorgen. Dies wurde auch bei der anschließenden Diskussion deutlich. Warum es noch keine Verkehrsgutachten gebe, welche die mögliche Erschließung unter die Lupe nimmt, wollte einer wissen. „Wir haben gewisse Voruntersuchungen machen lassen. Aber im Baurecht ist dieser Schritt nun mal erst im Bebauungsplanverfahren vorgesehen“, erklärte Marcus Zischg dazu. Da ein solches Gutachten schnell mal mehrere Hunderttausend Euro kosten könne, benötige man nun mal eine gewisse Sicherheit. Das Heft des Handelns verbleibe ja auch nach einem Aufstellungsbeschluss bei der Stadt, ergänzte er. „Wenn der Gutachter feststellt, dass mit der verkehrstechnischen Erschließung klappt nicht, gibt's auch kein Baurecht.“

Rundgang mit dem Architekten

Auch Bauhöhen wurden kritisch hinterfragt von einigen Gästen, genau wie die mögliche Preisgestaltung des Wohnraums dort. Andere Bürger wiederum warben dafür, das Projekt als Chance zu sehen – und nicht alles wegen schlechter Erfahrungen im Rheinquartier schlechtzureden.

Im Nachgang zeigt sich Marcus Zischg auf Nachfrage unserer Zeitung zufrieden mit dem Verlauf der Veranstaltung. „Wir haben die Sorgen und Ängste von Anwohnern und Politik wahrgenommen. Insbesondere der Gang über das Gelände zusammen mit den planenden Architekten hat aber auch gezeigt, wie aufgeschlossen unsere Gäste waren, zu erfahren, was in dem neuen Quartier Rhein Lahn Living geplant ist.“

Von Tobias Lui

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