Mittlerweile ist aber klar, dass die Tanks im „Keller“ des Turms zum Sammeln des Thermalwassers Leck geschlagen sind, dass konstant 47 bis 50 Grad warmes Wasser austritt, welches das gesamte Bauwerk von innen ausdampft und sehr schnell für große Schäden sorgt. Der Anfang der 2000er-Jahre renovierte und 2016 ausgebesserte Dachstuhl ist schon wieder dahin. Die Deckenverkleidung der Innendecken ist in großen Teilen abgebrochen, Pfeilervorlagen abgerissen, überall tropft Kondensat von den Bauteilen.
Um das Bauwerk auch in Zukunft vor solchen Schäden zu schützen, müssen die vier unterirdischen Wassertanks so saniert werden, dass Thermalwasser zukünftig abgeleitet werden kann. 30 Kubikmeter sprudeln hier stündlich aus den vier gefassten Quellen, die früher das Kurmittelhaus, das Kurhotel und das Kursaalgebäude mit Wasser versorgten. Ein kostbares Gut, das perspektivisch für energetische Zwecke genutzt werden soll. Eine nachhaltige Nutzung des Wassers ist durch diese hier vorhandene oberflächennahe Geothermie möglich.
„Das kann verschiedene Ursachen haben“, sagt Gossa. Von veränderten Bodenverhältnissen unter dem Turm, die zu Setzungen führen, bis hin zu einem kleinen Erdbeben sei vieles möglich. Auch anhaltende Trockenheit könne dazu beitragen. „Schlimmstenfalls stürzt der Turm ein“, erklärt er. „Davon gehen wir nicht aus, aber möglich ist das.“
Schlimmstenfalls stürzt der Turm ein. Davon gehen wir nicht aus, aber möglich ist das.
Deswegen hat die Statik absolute Priorität. Acht Stahlstützen in den Wänden des Turms halten das Bauwerk von innen. Diese müssen nun ertüchtigt und mit zusätzlichen Stahlträgern verstärkt werden. Die gesamte Außenansicht des Turms übrigens ist nur Schmuck – ein Gebäude, das aus ästhetischen Gründen errichtet wurde, um die Stahlkonstruktion innen zu verbergen. Die sieht nämlich aus wie der Eiffelturm – und so was wollten zu Bauzeiten wohl weder die Bad Emser Stadträte noch die Gäste der Stadt gern sehen.
Die eiffelturmartige Stahlkonstruktion im Inneren ist noch gut in Schuss, aber die nachträglich eingezogenen Holzböden müssen ersetzt und eine Art „Deckel“ für das Wasserreservoir unten gebaut werden. Auch ein Treppenhaus soll entstehen, durch das man dann sicherer als heute (über Leitern) in den 12 Meter tiefen Maschinenraum gehen kann. Die Turmkrone, das Unterdach, die Eindeckung sowie Fassade und Mauerwerk werden ebenfalls saniert, alles, innen wie außen, in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz.
Was das Projekt so knifflig macht, ist die Einzigartigkeit des Quellenturms: Es gibt schlicht kein zweites solches Exemplar. „Der Turm wurde 1907 errichtet, und es existieren nur wenige Aufzeichnungen“, erklärt Deusner. Während heute jedes Detail zu Material, Verarbeitung oder Konstruierung haarklein festgehalten und in Modellen erprobt werde, „haben die Handwerker hier damals auch viel improvisiert.“ Entsprechend schwierig sei es, Fachleute zu finden, die sich auskennen und sich der Herausforderung stellen: „Allein der Gerüstbau wird heikel.“ Denn weil der Turm naturgemäß nicht nur rund und damit für viele Gewerke kompliziert genug ist, sondern auch noch als einsturzgefährdet gilt, darf das Bauwerk nicht belastet werden. Ergo: Die Gerüste müssen von selbst stehen.
Allein der Gerüstbau wird heikel.
Trotzdem: Staatsbadchef und Architekt sind guter Dinge. „Wir sind froh, dass es jetzt losgeht“, sagt Achim Deusner. Die Ausschreibungen laufen, und er rechnet fest mit dem Baubeginn im Frühjahr. Zwei Jahre etwa wird das Staatsbad mit der Maßnahme beschäftigt sein, wenn alles nach Plan läuft. „Für das Budget gibt es natürlich feste Grenzen“, betont er. Genaues wird nicht verraten.„Aber wir investieren hier mehrere Millionen Euro.“