Ingenieur informierte Gremium über Sachstand
Bahnunglück Niederlahnstein: Rat will mitreden bei der Sanierung
Rund zwei Monate nach der Entgleisung des Güterzuges bohrten Arbeiter an der Unfallstelle merhre Kontrollbrunnen. So sollte festgestellt werden, ob Diesel bis zum Grundwasser hinabsickerte. Anschließend wurde verseuchter Boden ausgetauscht. Doch noch immer befindet sich Diesel in der Erde. Wie der rauskommt, wie die Bahn bis Jahresende entscheiden. Kommt die Großlochbohrung, droht Lärm- und Dreckbelastung für die Anwohner.
dpa

Lautstark dröhnende Bohrer, Lkw, die Schutt abfahren und über Lahnsteins Straßen donnern – auf die Anwohner des Niederlahnsteiner Bahnhofs könnten zu Beginn des kommenden Jahres erneut Belastungen zukommen. Zumindest dann, wenn sich die Bahn für ein „Großbohrverfahren“ entscheidet, um die letzten Reste des Dieselkraftstoffs nach dem Güterzugunglück im Vorjahr im Boden zu beseitigen. Über die Pläne des Unternehmens und den Sanierungsstand wurde nun im Stadtrat gesprochen. Dort hagelte es Kritik.

Lesezeit 4 Minuten

Rund zwei Monate nach der Entgleisung des Güterzuges bohrten Arbeiter an der Unfallstelle merhre Kontrollbrunnen. So sollte festgestellt werden, ob Diesel bis zum Grundwasser hinabsickerte. Anschließend wurde verseuchter Boden ausgetauscht. Doch noch immer befindet sich Diesel in der Erde. Wie der rauskommt, wie die Bahn bis Jahresende entscheiden. Kommt die Großlochbohrung, droht Lärm- und Dreckbelastung für die Anwohner.
dpa

Deren Mitglieder kritisierten fraktionsübergreifend Bahn und Kreisverwaltung, weil man keinerlei Mitspracherecht hat. Es war ein Einschlag, dessen Folgen auch mehr als ein Jahr danach noch zu spüren sind. Am 30. August des Vorjahres entgleiste am Bahnhof Niederlahnstein ein Zug mit mehreren Gefahrgut-Kesselwagen. Aus den beschädigten Kesselwagen sickerten rund 180.000 Liter in den Untergrund. Verletzt wurden zum Glück niemand, doch die Folgen für die Umwelt sind bis heute nicht abzusehen.

Nach dem Abpumpen des Öls und der Bergung der Kesselwagen folgte als erste Sofortmaßnahme der Austausch von rund 7500 Kubikmeter Boden. Doch vor allem im Bereich der Oberleitungsmasten verblieben relevante Ölmengen im im Untergrund – die Bahn spricht von 70.000 bis 90  000 Litern. Zur Sicherung und Sanierung dieser Verunreinigungen wurden von der DB AG Brunnen gebaut und eine e Grundwasserreinigungsanlage errichtet.

Mit der regelmäßigen Beprobung des Grundwassers wird die Qualität des Grundwassers überwacht. „Bisher wurden im Grundwasser keine Diesel-Belastungen nachgewiesen“, bestätigte nun im Stadtrat Armin Bender vom Ingenieurbüro Björnsen aus Koblenz, das vom Rhein-Lahn-Kreis zur Kontrolle beauftragt worden war. Gemeinsam mit Cordula Weitzel von der Kreisverwaltung gaben beide einen Überblick über Sanierungsmöglichkeiten in den kommenden Monaten.

Aktuell prüfe die Bahn ein sogenanntes Insitu-Verfahren (auch Bionventing genannt), betonte Bender. „Dies sind Sanierungsmethoden, bei denen der Diesel ohne Aushub des Bodens entfernt wird.“ Der natürliche Abbau des Diesels werde durch Zugabe von Luft oder Oxidationsmitteln in den Boden intensiviert.

Hierzu laufen seit Dezember 2020 Labor- und Feldversuche. Zur Erkundung der Schadensausdehnung im Boden und zum Bau von Infiltrationspegeln und Messstellen für dieses Verfahren wurden 55 Kleinbohrungen auf der Havariefläche ausgeführt. Dabei kam heraus, dass der Untergrund komplexer als ursprünglich angenommen ist und die Sanierung aufwendiger wird. Neben dem Bionventing prüfe die Bahn auch das Spezialtiefbauverfahren „Großlochbohrungen“, bei dem der verunreinigte Boden ausgetauscht würde.

Dieses hätte aber, so Bender nun im Stadtrat, zwei Nachteile: Zum einen eine höhere Geräuschs- und Verkehrsbelastung für die Anwohner, zum anderen aber auch deutliche höhere Kosten. Bis Ende des Jahres werde „der Unfallverursacher Bahn“ einen Vorschlag machen, dieser werde dann geprüft, bei Zustimmung folge die Sanierungssannordnung durch den Kreis. Die Stadt Lahnstein werde über alle Schritte informiert, betonte Bender – allerdings als reiner Zuschauer.

„Wir wollen aktiv mitgestalten.“

Bei der weiteren Sanierung der Unfallstelle in Niederlahnstein ist die Stadt Lahnstein reiner Zuschauer. Dabei möchte man mitreden bei den Fragen, wie, was und wann weiter saniert wird, machten Bürgermeister Dornbusch und der Stadtrat deutlich.

Ein Punkt, der nicht nur Bürgermeister Adalbert Dornbusch, der den urlaubenden Oberbürgermeister Peter Labonte vertrat, missfiel. CDU-Fraktionschef Johannes Lauer ärgerte sich, dass die „betroffenen Menschen und die Verwaltung in der Entscheidungsfindung nebendran stehen dürfen, nachher aber die Belastungen auszuhalten müssen“.

So einfach, wie sich dies der Kreis vorstelle, gehe es nicht, kritisierte Lauer. Es müsse ein gemeinsamer Weg gefunden werden, der erträglich für die Anwohner sei. Für SPD-Fraktionschefin Gabi Laschet-Einig war der Vortrag des Experten „sehr ernüchternd“, wie sie deutlich machte. „Der Unfall ist aus Profitsucht eines Unternehmens geschehen, die Folgen aber müssen wir tragen.“ Auch sie fordert: „Wir müssen mit einbezogen werden, damit wir die Infos nicht aus zweiter oder dritter Hand haben.“

Dies sei doch längst der Fall, beteuerte sich Ingenieur Bender. „Die Stadt wird als gleichberechtigter Partner eingebunden und hat zu allen Gesprächen eine Einladung und ein Protokoll erhalten.“ In den letzten Sitzungen sei allerdings, so Bender weiter, sei aus Krankheitsgründen kein städtischer Vertreter dort dabei gewesen. Laschet-Einig mochte sich darüber kaum beruhigen („Das darf doch nicht wahr sein“).

Lennart Siefert von der Unabhängigen Liste nannte es eine „absolute Unverschämtheit“, dass die Bahn zwar erst belasteten Boden ausgekoffert habe, dann aber verfrüht zugeschüttet habe, weil man möglichst schnell wieder fahren wollte. „Und nun sollen Anwohner und Stadt schon wieder belastet werden“, kritisierte er die drohende Verkehrsbelastung durch die weitere Sanierung.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jutta Niel, plädierte für das Bioventing-Verfahren, bei dem der Diesel ohne Aushub des Bodens entfernt wird. Paul Arzheimer (FBL) zeigte sich „sehr irritiert darüber, dass unser OB bei solch einem wichtigen Thema im Urlaub ist“, wie er es ausdrückte.

Der Umstand, dass die Stadt nur Zuschauer bei allen Sanierungsentscheidungen sei, nannte Arzheimer „skandalös“. Adalbert Dornbusch nahm den OB derweil in Schutz: Bei einem reinen Mitteilungspunkt auf der Tagesordnung sei dessen Abwesenheit wahrlich kein Problem. „Schließlich ist es doch nicht wichtig, wer eine Sitzung leitet, sondern, dass der Rat aus erster Hand informiert wird.“

Den Gästen vom Kreis gab er in Richtung Bad Ems die Information mit, dass Rat und Verwaltung nicht damit einverstanden sind, eine reine Zuschauerrolle einzunehmen, „Wir wollen aktiv mitgestalten.“

Top-News aus der Region