Computer, Systeme, Anlagen, Überwachung: Das "Gehirn" des Bauwerks am Malberg wird für 3,5 Millionen saniert
Bad Emser Tunnel: Neue Technik soll für größte Sicherheit sorgen
Der Trog des Malbergtunnels an der Bäderleibrücke in Bad Ems „schluckt“ und „spuckt“ im Durchschnitt täglich 9000 Fahrzeuge.
Michaela Cetto

Bad Ems. Seit Monaten stehen Baustellenfahrzeuge im Malbergtunnel Bad Ems – und doch geschieht nichts? Von wegen. Wenn die Schotten abends um 20 Uhr für den Verkehr dicht sind, rollt der Montagetrupp in den Trog und schuftet, was das Zeug hält. Eine halbe Million Euro hat der Landesbetrieb Mobilität (LBM) Diez aktuell bereits aus Bundesmitteln verbaut. Für 2,4 Millionen waren die Sanierungsarbeiten ausgeschrieben. „Doch damit kommen wir längst nicht mehr hin“, erklärt Ingo Lehmann, örtliche Bauüberwachung des LBM, der mit dem Leiter der Behörde, Lutz Nink, jetzt die Baustelle unter die Lupe nahm. Die Investitionssumme liegt aktuell bei geschätzten 3,5 Millionen Euro.

Lesezeit 6 Minuten

Tunnel ist 15 Jahre alt

Lehmann ist d e r Experte des Malbergtunnels schlechthin. Vom ersten Tag an begleitete er das Projekt, den Bau des etwa 1,5 Kilometer langen Straßentunnels, der längste in ganz Rheinland-Pfalz. Und dieser erste Tag ist immerhin rund 21 Jahre her. Selbst die Einweihung der Betonröhre liegt schon mehr als 15 Jahre zurück. „Genauso alt ist die Tunneltechnik, die jetzt quasi komplett erneuert wird“, erklärt der Fachmann. Im Jahr 2006 entsprach die Technik dem Neuesten und Besten, was auf dem Markt war und lag teils sogar weit über dem damalig geforderten Standard. Diese Qualität soll beibehalten werden – schließlich geht die Sicherheit über alles.

Denn, ja, der Tunnel ist weitaus mehr als ein Trog mit ein paar Lampen, Schildern und Notrufsäulen. Ein hochkomplexer Technikapparat mit Tausenden einzelner Funktionen bildet die Basis für den Straßentunnel – und all das wird nun auf den neuesten Stand gebracht. Das Herz, oder besser „Gehirn“ des Ganzen bildet das Computersystem. Weitere wichtige Bestandteile sind etwa die Videoüberwachung, die Brandmelde- oder auch die Beschallungsanlage sowie das effektive Entlüftungssystem mit 14 Strahllüftern, die Rauch, Qualm, Dunst oder giftige Gase aus dem Tunnel hinausbefördern.

Ein Blick ins Betriebsgebäude in der Villenpromenade offenbart nur ein Teil des technischen Ausmaßes, das hinter dem Malbergtunnel steckt. Zwei Meter tief ist der Raum unter dem Fußboden, in dem sich wohl viele Kilometer bunte Kabel von Schaltkästen, Computern oder auch 80 Notbatterien zu Endgeräten schlängeln. „Aktuell sind es an einigen Stellen doppelt so viele Kabel als sonst“, erklärt Lutz Nink. „Die alten und die neuen.“

Nachts arbeiten, tagsüber fahren

Warum das so sein muss: „Wir haben uns zugunsten der Pendler und der Bevölkerung, vor allem der Anwohner der Wilhelmsallee, dazu entschieden, die Arbeiten nachts durchzuführen und den Tunnel tagsüber zu öffnen.“ Immerhin nutzen täglich im Schnitt 9000 Fahrzeuge die Stadtumfahrung durch den Berg, die sonst über die Wilhelmsallee ausweichen müssten. Die Röhre aber jeden Morgen dem Verkehr zu überlassen, bedeutet, dass nicht einfach alte Technik ausgebaut und – nach getaner Arbeit – neue eingebaut werden kann. „Der Tunnel muss tagsüber reibungslos funktionieren.“ Deswegen können – zum Beispiel – alte Kabelverbindungen erst gekappt werden, wenn die neuen hundertprozentig einsatzbereit sind. „Alles, was wir hier verbauen, und sei es das kleinste Lämpchen, ist sicherheitsrelevant“, betont Ingo Lehmann.

Empfindliche Sensorik

Dabei sind die Lämpchen durchaus einen extra Blick wert. Denn durch eine sensible Sensorik passt sich die Beleuchtung innen an die Lichtverhältnisse außerhalb des Tunnels an. „So fährt man nachts zunächst in den schwächer ausgeleuchteten, vorderen Teil des Tunnels ein“, erklärt Nink. Bei strahlendem Sonnenschein dagegen ist das Licht im Tunnel heller, damit die Augen einen weniger starken Kontrast verarbeiten müssen. Bei der Sanierung wird die gesamte Beleuchtung auf LED umgestellt, und die Notausgänge werden zusätzlich durch einen leuchtenden Rahmen gekennzeichnet.

Aber es sind nicht die Lampen, die die Kosten in schwindelerregende Höhen treiben. „Einige der Anfang der 2000er-Jahre eingebauten Systeme sind in der bisherigen Form schlicht nicht mehr auf dem Markt“, erklärt Lehmann. „Ersatzteile können nicht beschafft werden, sodass vieles im größeren Rahmen getauscht werden muss.“ Das Linienbrandmeldekabel, das über die gesamte Länge der Tunneldecke verläuft und alle fünf Meter einen empfindlichen Sensor aufweist, ist dafür nur ein Beispiel und gehört zu den Neuerungen, die ins Geld gehen, aber nicht wirklich wahrnehmbar sind.

Videotechnik „detektivisch“

Wahrnehmbar dagegen wird künftig jedes kleine Detail im Malberg sein, denn im Überwachungsraum des Betriebsgebäudes und im Tunnel selbst wird die komplette Videotechnik auf den neuesten Stand gebracht. Hier werden bald auf vier Großbildschirmen nicht nur sämtliche Abschnitte der Röhre samt den Notausgängen abgebildet sein – die Kameras arbeiten auch „detektivisch“, registrieren unübliche Vorgänge und geben sofort Meldung. „Wir werden auch eine Richtfunkstrecke, also eine Standleitung, zur Feuerwehr einrichten“, berichtet Lehmann. Und was für die Bevölkerung wichtig ist: Es wird künftig Handyempfang im Tunnel geben. Dafür muss der Steuerungsraum im Betriebsgebäude allein um sieben Schaltkästen aufgestockt werden (mehr als 20 stehen da bereits). Wer also eine Panne, einen Unfall oder sonst ein Problem im Tunnel hat, muss nicht zur nächsten Notrufsäule hechten oder warten, bis dem Diensthabenden der 24-Stunden-Tunnelbereitschaft etwas auffällt – obwohl das in der Regel binnen Sekunden der Fall ist.

Denn alles in diesem Tunnel ist miteinander verknüpft und schon kleinste Abweichungen von der Norm lösen eine Reaktionskette aus: Steigt der CO-Gehalt oder die Temperatur, verstärkt sich die Sichttrübung, wird auch nur irgendeine der 45 Türen geöffnet oder fährt ein Verkehrsteilnehmer deutlich langsamer als normal, dann springt sofort die Höchstgeschwindigkeitsvorgabe von 50 auf 30 km/h um und es gibt eine Meldung an die Straßenmeisterei und die Polizei. Im Brandfall werden umgehend auch die Feuerwehr sowie die Leitstelle in Montabaur informiert und die Verkehrsteilnehmer im Tunnel werden mit Warnhinweisen beschallt, die in den eingestellten Radiosender funken, aber auch über Lautsprecher zu hören sind.

Das System funktioniere reibungslos. „Auf diese Weise sind schon verirrte Radfahrer im Tunnel aufgefallen, aber auch ein Autofahrer mit voller Blase, der in der Nothaltebucht selbige entleerte,“ schmunzelt Nink. Mit der Aktion bremste der Autofahrer nicht nur den Verkehr im Tunnel aus, sondern rief auch die Polizei auf den Plan. Dass es manchmal auch ohne Feuer zu Brandmeldungen kommt, liegt an der hochempfindlichen Sensorik.

Station reguliert Wetterlage

Zu den Neuerungen im und rund um das Entlüftungssystem im Tunnelbauwerk gehört auch eine Art Wetterstation, die Wetterlage, etwa Temperatur und Feuchtigkeit, misst und gegebenenfalls reguliert. Und: Die Beschilderung an den Tunneleingängen sowie auf der Bäderleibrücke soll auffälliger gestaltet werden und somit den Verkehrsteilnehmern besser anzeigen, wenn die Einfahrt in den Trog gesperrt ist. Dass das durchaus auch während der Sanierungsarbeiten passieren kann, haben die Vorfälle der vergangenen Wochen gezeigt: Wegen eines defekten Baufahrzeuges oder auch wegen der Hochdruckreinigung mit einem speziellen Gerät, das tüchtig Dampf in der Röhre machte, musste der Malbergtunnel – zum Verdruss der Autofahrer – außerplanmäßig gesperrt werden.

Die Sanierung soll voraussichtlich im Oktober abgeschlossen sein, worauf sich eine vierwöchige Testphase für das neue Entlüftungskonzept und ein sechsmonatiger Test für den Rest der Sensorik anschließt – unter Realbedingungen, unter laufendem Verkehr also. Dann werden die Ingenieure, die Planer und die Montagetrupps mehr als ein Jahr geschuftet haben. Arbeit, von der man am Ende nicht viel sehen wird, die aber die längste Betonröhre des Landes auch weiterhin zur sichersten machen soll.

Angänge der Umgehung gehen weit zurück

Sechs Jahre Bauzeit nur für den Tunnel und immense Veränderungen im Umfeld lagen im Jahr 2006 hinter den Menschen in Bad Ems. Der Bau des Tunnels durch den Malberg war ein Riesenprojekt, 80 Millionen Euro hat allein das Bauwerk gekostet. Für die gesamte Umgehung B 260 Bad Ems-Fachbach aber sind rund 170 Millionen Euro investiert worden.

Die Vorbereitungen gehen zurück bis 1980, die ersten sichtbaren Maßnahmen erfolgten im Jahr 1992. Damals verlief die Bundesstraße und damit der Verkehr noch über die Brücke am Bahnhof, die mittlerweile eine beliebte Fußgängerquerung ist und zu Ehren des langjährigen Stadtbürgermeisters „Ottmar-Canz-Brücke“ heißt. Die neue Bäderleibrücke wurde gebaut, die heute direkt ins Portal des Tunnels führt. Nach der Verlegung der Gleise am Bahn-Haltepunkt Bad Ems West wurde hinter den Gleisen die neue Umgehung angelegt, die dann über die neue Lahnbrücke über Fachbach entlang des Nieverner Hangs führt und schließlich auf der alten Trasse der B 260 endet.

Der größte Brocken des Projekts aber war dann der Bau der unterirdischen Verbindung von der Abzweigung an der alten Elektrizitätszentrale bis zur neuen Bäderleibrücke nahe des Bad Emser (Haupt-)Bahnhofs. Dazu wurde kein bergmännischer Tunnel gebohrt, sondern in offener Bauweise die gesamte Trasse frei geschachtet, anschließend wieder verfüllt und nach der Fertigstellung gedeckelt. Allein die Unterhaltungs- und Wartungskosten liegen jährlich im sechsstelligen Bereich. ag/cet

Top-News aus der Region