Die wegweisende Rolle Spas, Krankheiten mit Wasser zu therapieren, kristallisierte sich seit dem frühen 17. Jahrhundert heraus. Das kohlensäurehaltige Wasser eignete sich hervorragend für Trinkkuren und kam in ganz Europa zum Einsatz. Rings um die kleine, in dichtes Grün und Laubwälder gebettete Stadt sprudeln mehr als 300 Quellen, die durch ein Netzwerk von Wanderwegen miteinander und mit der Stadt verbunden sind. Deswegen leitet sich der Name des Städtchens wohl eher vom lateinischen Wort spargere (sprudeln) ab denn von dem aus dem Lateinischen gebildeten Akronym „sanus per aquam“, zu Deutsch „gesund durch Wasser“. Obwohl natürlich beides passt.
Dabei sprudelt und blubbert nicht überall das gleiche Wasser. Jede Spadeser Quelle hat eine spezielle Zusammensetzung und hilft bei einem anderen Gesundheitsproblem: Man kann gegen Gicht und Rheuma trinken, auch gegen Herz- und Nervenleiden sowie Erkrankungen im Verdauungstrakt. Oder gegen Unfruchtbarkeit. So erzählt die „Sauvenière et de Groesbeek“, die älteste bekannte Quelle der Stadt, ihre eigene Geschichte.
Kleiner Steckbrief: Spa
- Einwohnerzahl: 10 229
- Thermalquellen: 300
- Sehenswürdigkeiten: Brunnen „Pouhon Pierre-le-Grand“, Museen wie Les Musées de la ville d`eaux, der Rokoko-Spielsaal Waux Hall, die Parkanlage Parc de Sept Heures, das Spielkasino Casino de Spa, Rathaus, u.v.m.
- Berühmte Gäste: Michael Schumacher (Rennfahrer und Ehrenbürger), Ettore Bugatti (Automobilhersteller), Albert Einstein (Physiker), Simone de Beauvoir (Schriftstellerin), James Joyce (Schriftsteller), Dwight David Eisenhower (US-Präsident), Giacomo Meyerbeer (Komponist, der auch gern in Bad Ems weilte) u.v.m. Der Spadeser Künstler Joseph Xhrouet (1711 bis 1749) schuf eine der ältesten Zeichnungen von Bad Ems.
- Mehr Infos: www.belgien-tourismus-wallonie.de
Junge Paare mit unerfülltem Kinderwunsch pilgern seit jeher zu diesem Brunnen und kosten von dem Wasser, in der Hoffnung, eine Schwangerschaft möge sich einstellen und ein gesundes Kind heranreifen.
Ähnliche Kräfte sagt man übrigens auch der Bad Emser Bubenquelle nach. Wie erfolgreich die Expeditionen sind, ist nicht belegt. Heute dürfte aber ein entspannender Aufenthalt im Luxushotel samt moderner neuer Thermenanlage auf den Hügeln hoch über Spa (oder analog in der Emser Therme) dabei hilfreich sein.
Im 18. Jahrhundert jedenfalls kurierten hier Adlige aus ganz Europa ihre Leiden – darunter auch der russische Zar Peter der Große, der der erste Kaiser des russischen Reichs (1721) und einer der bedeutendsten Herrscher Russlands war.
Gleich einen ganzen Monat weilte dieser in Spa, um sich von seinen Leberleiden zu erholen, schluckte Heilwasser, aber auch Wein in rauen Mengen. Der Brunnen, von dem Peter der Große damals täglich trank, wurde zu seinen Ehren wallonisch „Pouhon Pierre-le-Grand“ genannt, doch erst im 19. Jahrhundert wurde ein repräsentativer Wintergarten um den heute größten und berühmtesten Brunnen Spas gebaut.
Schon bevor auch Bad Ems Treffpunkt für Europa wurde, rief der österreichische Kaiser Joseph II. Spa 1782 zum „Café de l‘Europe“ aus – ein Ort, an dem das Heilwasser mehr eine angenehme Randerscheinung ist, dessen Puls aber in gesellschaftlichen Vergnügungen schlägt. Das hatte schon der venezianische Frauenheld Casanova 1767 erkannt, als er mit der Nichte seines Hausherrn anbandelte. Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte Spa eine zweite Blütezeit, das Heilbad wurde um zahlreiche charakteristische Kurarchitekturen in französisch-klassizistischem Stil erweitert. Das früher vorwiegend aristokratische Publikum mischte sich mit großbürgerlichen Gästen.
Das Gemälde „Le livre d`or“ von Antoine Fontaine aus dem Jahr 1894 im Foyer des Brunnenbaus „Pouhon Pierre-le-Grand“ zeigt das Who is Who dieser illustren Gesellschaft, die über drei Jahrhunderte nach Spa kam, um echte Krankheiten und vorgeschützte Zipperlein zu heilen, um sehen und gesehen zu werden, um sich auf Bällen und beim Glücksspiel in einem der ältesten Casinos Europas zu vergnügen. Zwölf Jahre arbeitete der Künstler an dem neun Meter langen Fresco, 95 VIPs bildete er dort ab. Darunter natürlich Peter der Große, aber auch viele weitere Adlige, Maler, Generäle, Dichter und Denker wie Kaiser Joseph II, der Philosoph René Descartes oder der Schriftsteller Victor Hugo.
Auch der letzte deutsche Kaiser Wilhelm der II weilte für längere Zeit in Spa (gegen Ende des Krieges war sein Hauptquartier dort untergebracht), allerdings zu spät, um auf Fontaines Gemälde verewigt zu werden. Als der Hohenzollernkaiser seine Fachwerk-Villa im Vorort Nivezé im Jahr 1918 verließ, ging er direkt ins holländische Exil. Die Stadt selbst blieb sowohl im ersten als auch im zweiten Weltkrieg verschont und unbeschadet.
Ein Glück für Spa, das somit allemal einen gerechtfertigten Platz im Reigen der „Great Spas of Europe“ hat. Ein Glück für die Gäste, die noch heute den Glanz vergangener Zeiten spüren können. Zum Beispiel in der Waux-Hall, Europas ältestem Spielsaal im Rokoko-Stil, erbaut 1770, auf der Place Royale, an der sich die historischen Gebäude der Stadt reihen oder in der Kirche St. Remacle im Stil rheinischer Neoromanik.
Einen fantastischen Blick auf all jene Bauwerke und das üppige Grün ringsum erhascht man bei einem ausgiebigen Bad im Außenbecken der neuen Therme auf dem Hügel „Annette et Lubin“. 2006 wurden hier Luxushotel und Wellnessbad gebaut, mit einer Panoramastandseilbahn tritt der Kurgast von heute seine entschleunigte Reise auf den Hügel an.
Rasanter geht’s da im benachbarten Francorchamps zur Sache, denn dort liegt die Rennstrecke Spa-Francorchamps, auf der die Formel 1 ihre Runden dreht. Doch auch hier, wo die Motoren dröhnen und nichts von der sonst so allgegenwärtigen wallonischen Entspanntheit zu spüren ist, steht das Wasser Spas Pate. Denn die berühmte Schleife, auf der Michael Schumacher das erste Mal den Weltmeistertitel gewann, ist nach dem dort fließenden eisenhaltigen Fluss „Eau Rouge“, rotes Wasser, benannt.
Quellen: Bad Ems und die Great Spas of Europe (Bad Emser Broschüre zum Welterbeantrag); https://de.wikipedia.org/wiki/Spa; www.belgien-tourismus-wallonie.de; www.aachener-zeitung.de