Experiment Acht Autoren schreiben in acht Tagen ein bühnenreifes Theaterstück in Kamp
Autoren arbeiten an gemeinsamem Stück: Mörderhitze setzt kriminelle Energie am Rhein frei
Michaela Cetto

Kamp-Bornhofen. In der schattigen Laube hoch über dem Rhein rauchen die Köpfe. Das liegt nicht nur an der gnadenlosen Hitze, sondern vor allem an der kriminellen Energie, die seit Sonntag ungebremst durchs Mittelrheintal rollt. Allerdings nur auf dem Papier. Oder besser: auf den Bildschirmen der acht Laptops. Im Feriendomizil Gast in Kamp-Bornhofen hat sich eine Gruppe Kriminalautoren zu einem Experiment zusammengefunden: Acht Köpfe, acht Tage, ein Theaterstück.

Zugegeben: So ganz neu ist den Schriftstellern die Situation nicht. Sie sind seit vielen Jahren befreundet und schreiben unter anderem für den KBV-Verlag. Und weil sie auch die Leidenschaft fürs Morden teilen, hatten sie sich bereits 2013 zum ersten Mal in einem kleinen Dorf an der polnischen Grenze verbarrikadiert, um in acht Tagen einen gemeinsamen Roman zu schreiben. Das Treffen in Kamp-Bornhofen ist bereits das dritte Gemeinschaftsprojekt der Schreib-WG. Zum ersten Mal allerdings soll dabei ein Bühnenstück entstehen. Arbeitstitel: „Halbpension mit Leiche“.

„Das ist gar nicht so leicht“, räumt Sandra Lüpkes ein, die nicht nur Krimis, sondern auch Drehbücher schreibt. „So ein Theaterstück funktioniert ganz anders als ein Roman oder ein Drehbuch.“ Für die meisten der Runde ist das Neuland, obwohl sie schon seit vielen Jahren Bücher veröffentlichen – zusammengezählt fast 200: Jürgen Kehrer etwa. Der ist Autor der Wilsberg-Romane, die vom ZDF adaptiert wurden. Auch Tatjana Kruse („Meerjungfrauen morden besser“) ist dabei und Sabine Trinkaus („Seelenfeindin“), Carsten Sebastian Henn mit seinen kulinarischen Krimis, der tiefschwarzhumoristische Ralf Kramp, Peter Godazgar, der zum Beispiel den Roman zum Drehbuch des Kinofilms „Knockin‘ on Heaven’s Door“ schrieb, und Kathrin Heinrichs, die künstlerisch nicht nur Kriminalfälle, sondern auch das Kabarett umtreibt. Ein bunter, mords-lustiger Haufen.

Der in dem idyllischen Hof des Gasthauses nicht lange alleine bleibt: Gleich fünf Mörder gesellen sich zu der Gruppe, dazu eine Psychologin, ein ungeliebter Ehemann und eine Hotelprüferin. Man ahnt bereits: Dieses Stück wird nicht nur spannend, sondern auch lustig. Die Killer lernen sich in einer Selbsthilfegruppe kennen, der therapeutische Schlüssel zur Genesung soll eine gemeinsam betriebene Pension sein. Doch der erste Gast ist die Psychotherapeutin höchstselbst, die statt Entspannung nur eins im Sinn hat: ihren Ehemann loszuwerden. Ganz schön schräg.

Umso glatter läuft’s mit den Strippenziehern am Laptop. Doch wie funktioniert so eine Gemeinschaftsarbeit in der Praxis? „Die erste Hürde ist, die Ideenmaschine im Kopf auszustellen, bevor wir tatsächlich zusammensitzen“, erzählt Ralf Kramp. „Wir starten immer bei null.“ Mit dem „Plotting“, also dem Ersinnen der Handlung und den Figuren, beginnt die Arbeit – und das ist auch der aufwendigste Part. „Um uns den Prozess zu erleichtern, steht jeder von uns Pate für eine Figur im Stück.“ Nicht alle schreiben also an jeder Rolle mit. Außerdem ordneten sie den Charakteren berühmte Schauspieler zu, damit jeder die gleiche Idee vom Aussehen der Figur hat und nicht jedes Mal über Details diskutiert werden muss. Ohne diese Stolpersteine läuft die Arbeit ziemlich rund, nicht zuletzt, „weil wir einerseits alle ähnlich ticken, uns in unseren Eigenarten aber wunderbar ergänzen“, findet Peter Godazgar.

Entsprechend „schonungslos“ ist der Umgang untereinander. Was nicht gefällt, fliegt raus, wenn’s holpert, zieht jemand die Bremse. „Man kann sich nichts zurechtbiegen, wie man es vielleicht macht, wenn man alleine arbeitet“, erklärt Sabine Trinkaus. „Da merkt man oft erst viel später, dass etwas nicht so funktioniert, wie man wollte.“ Unter acht Mitdenkern aber fällt jeder Fehler sofort auf – und einer hat immer die passende Lösung am Start.

Und noch etwas führt die Arbeit schneller zum Erfolg: „Ein Theaterstück kann man sofort ausprobieren.“ Während die acht Autoren also tagsüber Dialoge erarbeiten und Bühnenanweisungen schreiben, erwachen die Figuren abends zum Leben – oder, im Falle der Opfer, eben nicht.

Dass die Schriftsteller dieses Mal ausgerechnet am Mittelrhein gastieren, geht übrigens auf Sandra Lüpkes‘ Mütze. „Ich bin früher mit dem Zug gependelt zwischen Ostfriesland und dem Schwabenland und dachte immer, wenn ich durchs Mittelrheintal fuhr: Hier musst du unbedingt mal aussteigen.“ Das Ferienhaus der Familie Gast mit herrlicher Aussicht bietet einen idealen Rückzugsort für den kreativen Prozess – und inspiriert gleichzeitig. „Obwohl die wunderschöne Gegend mit den Feindlichen Brüdern eine Steilvorlage bietet, ist die Geschichte so gestrickt, dass sie überall spielen könnte“, sagt Sandra Lüpkes. „Trotzdem fließt einiges der Umgebung mit ein.“ So heißt eine Figur zum Beispiel Ingo Kamp-Bornhofen. Und die Pension weist große Ähnlichkeiten mit der Unterkunft der Schreib-WG auf.

Egal, wie viel Freude den acht Autoren die Aktion auch macht: Das Projekt ist kein Freizeitspaß. „Wenn das Stück fertig ist, müssen wir einen Verlag dafür suchen.“ Und hoffen, dass es auch gespielt wird. Vielleicht findet sich ja sogar am Mittelrhein die perfekte Bühne für die Weltpremiere.

Von unserer Redakteurin Michaela Cetto

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