ÖPNV im Rhein-Lahn-Kreis
Ausschreibung wider Willen
Kleine Fahrzeuge sind für die Randzeiten im ÖPNV eine gute Sache. Doch für die Stoßzeiten der Schülerbeförderung reichen sie nicht aus.
Uli Pohl

Die Zeit drängt. Zwei Linienbündel im Kreis müssen ausgeschrieben werden, da die aktuelle Ausschreibung im Dezember ausläuft. Doch das Thema ist komplex – und die Einsparpotenziale überschaubar. Eine schwierige Lage für die Ausschussmitglieder.

Wie knifflig die Aufgabe ist, den ÖPNV im Rhein-Lahn-Kreis zu planen, zeigte jüngst eine Debatte im Kreisausschuss, der bereits ein langes Arbeitstreffen des ÖPNV-Ausschusses voranging. Dort hatten die Ausschussmitglieder mehrere Stunden den Ausführungen von Stefan Pauly, Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Rhein-Mosel (VRM), und seines Kollegen Daniel Junghans gelauscht, um über die Ausschreibung zweier Linienbündel im Kreis zu entscheiden. Anlass ist konkret, dass die zehnjährige Laufzeit der beiden Linienbündel „Blaues Ländchen-Loreley“ und „Einrich“ Ende des Jahres ausläuft und diese wieder neu ausgeschrieben werden müssen. Das nahm der Kreisausschuss zum Anlass, die Ausschreibung auf Sparpotenziale zu überprüfen.

Das Problem: So eine Ausschreibung ist hochkomplex, viele Faktoren – allen voran die Abdeckung der Schüler- und Kitakinderbeförderung – muss beachtet werden. „Wir rechnen nicht damit, dass wir hier die Welt lösen, aber wir wollen ins produktive Arbeiten kommen“, sagte Landrat Jörg Denninghoff eingangs der ÖPNV-Ausschusssitzung. Es folgte eine stundenlange Ausführung über die Grundlagen und die Planung, nach der der Kreis verpflichtet ist, die Schülerbeförderung sicherzustellen. Dabei muss ein Netz an Schulen und Wohnorten miteinander verbunden werden, das sich auch noch nach den Schul- und Kitazeiten zu richten hat. Besonders herausfordernd seien dabei die Stoßzeiten morgens und mittags, in Zukunft auch nachmittags, wenn immer mehr Ganztagsschüler befördert werden müssen. „Dem Ganzen zugrunde liegen die vom Gesetzgeber festgelegten zumutbaren Wege und Reisezeiten, die wir einhalten müssen“, so Pauly. Hinzu käme auch eine schwierige Bedarfsplanung, wenn auch Kitakinder befördert werden müssten. Drumherum gruppiert sich der klassische öffentliche Nahverkehr mit zahlenden Fahrgästen.

Fahrgastzahlen schwer zu erheben

Das Ziel der neuen Ausschreibung sei klar eine mögliche Reduzierung der Fahrzeuge, um Geld zu sparen. Auch die Frage, warum häufig große Fahrzeuge unterwegs seien, erklärte Pauly so: „Wir richten uns nach der Spitze der Auslastung. Sollen kleinere Fahrzeuge in den anderen Zeiten fahren, müssen diese vom Anbieter angeschafft und vorgehalten werden. Das kostet.“ Auch sei es schwierig, zuverlässige Fahrgastzahlen zu erheben, zumal die Ausschreibung jetzt zeitnah auf die Spur kommen müsste, wenn man den Übergang zur neuen Laufzeit im Dezember nahtlos schaffen wollte. Das Ziel, Punkte in der Ausschreibung zu finden, die noch Einsparpotenziale bergen, schien wie eine Quadratur des Kreises bei all den Vorgaben und Einschränkungen, von denen Junghans und Pauly berichteten. Das sah man den Ausschussmitgliedern deutlich an, die ob der Komplexität des Themas ratlos schienen. „Gibt es denn noch Potenziale, wo wir einsparen können?“, fragte Cedric Crecelius von der CDU, nachdem lange, aber auch etwas aussichtslos über Personalmangel, WLAN in den Bussen und Umstiegsknotenpunkte diskutiert wurde. „Das einzige Einsparpotenzial ist, die Eltern in Hahnstätten dazu zu bringen, ihre Kinder nicht nach Katzenelnbogen zu schicken“, bemerkte VRM-Chef Pauly scharf, „wir bedienen einen Luxus, den die Eltern von uns fordern.“

Die letzte Entscheidung wanderte in den Kreisausschuss, der sich noch einmal mit der Thematik beschäftigen musste und sich ebenso mit einer endgültigen Entscheidung schwertat. „Im Laufe der Sitzung des ÖPNV-Ausschusses hat sich herausgestellt, dass wir an der jetzigen Ausschreibung nichts mehr ändern können, weil es zeitlich so knapp ist. Deshalb von unserer Seite die Bitte, dass wir bei der nächsten Ausschreibung früher dran sind“, forderte Jens Güllering (CDU). Die Christdemokraten appellierten ebenso wie die SPD und die Grünen für eine realistische Erfassung der Fahrgastzahlen, um besser entscheiden zu können.

„Der Kreistag hat das Thema im vergangenen Jahr verschlafen.“
Mike Weiland, SPD

Für Mike Weiland von der SPD war jedoch klar: „Der Kreistag hat das Thema im vergangenen Jahr verschlafen, das müssen wir uns jetzt ans Revers heften, dass wir nicht mehr viel an der aktuellen Ausschreibung machen können.“ Für kommende Ausschreibungen sollte man jedoch früher dran sein. Harald Gemmer von der FWG wies noch auf ein anderes Problem hin: „Wir müssen die Realitäten so akzeptieren, wie sie sind. Kita und Schule geben den Rahmen vor, viel Spielraum ist da dann nicht mehr. Und wir werden uns einem großen Problem in der Zukunft stellen müssen: Haben wir genug Fahrer, die diese Buslinien bedienen?“ Tanja Mifka von der FDP erinnerte außerdem daran, die Menschen zu bedenken, die nicht Schüler sind. „Wir haben viele Azubis und Senioren, die den ÖPNV nutzen. Ich hoffe auf ein gutes Mobilitätskonzept.“ Beigeordnete Gisela Bertram merkte jedoch an, dass bei ihr die Erwartungshaltung gegenüber dem ÖPNV-Ausschuss gesunken sei, nachdem klar geworden sei, dass man sich an der Schülerbeförderung orientieren muss. „Ich bin aber frohen Mutes, dass wir den ÖPNV verbessern und bezahlbarer machen können“, schloss sie.

Der Kreisausschuss beschloss mit zwei Gegenstimmen der AfD, den VRM zu beauftragen, die Linienbündel „Blaues Ländchen-Loreley“ und „Einrich“ auf der Grundlage der in der Sitzung des Ausschusses zur Optimierung des ÖPNV vom Januar vorgestellten Planung neu auszuschreiben.

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