Frisch vom Baum genascht, zu Kuchen oder Süßspeisen verarbeitet oder als Marmelade eingekocht: Kaum einer, der nicht sofort eine Assoziation zu Kirschen hat. Doch aus Kirschen lässt sich noch so viel mehr machen. Insbesondere auf die Mittelrheinkirsche trifft das zu, die in einigen regionalen Produkten eine Hauptrolle spielt.
So zum Beispiel im Kirschbier, gebraut mit Mittelrhein-Kirschnektar in der Lahnsteiner Brauerei. Wer dabei nun an ein süffiges, Radler-ähnliches Getränk denkt, hat weit gefehlt. Denn es ist nicht ein Biermischgetränk, wo der Kirschgeschmack nach dem Brauen dazugemischt wird, sondern der Kirschnektar wird direkt mitvergoren, weist Geschäftsführer Markus Fohr auf die Besonderheit seines Kirschbiers hin.
Siegeszug des Lahnsteiner Kirschbiers nahm vor zehn Jahren Fahrt auf
Es ist rund zehn Jahre her, dass Nico Melchior vom Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal und Mitinitiator der Marke Mittelrhein-Kirsche auf den Braumeister zukam mit der Idee, was aus der Mittelrhein-Kirsche zu machen. „Bis dahin hatten wir noch nie Fruchtbier gemacht“, erinnert sich Fohr zurück, „aber wir haben gesagt, das probieren wir mal.“ Angefangen hat alles in einem 50-Liter-Kessel, und „zuerst war es auch ein bisschen sauer“, was auch an der verwendeten Sauerkirsche liegt, erzählt Fohr. „Aber das haben wir schnell in den Griff bekommen.“
Das Brauen und Reifen dauert Minimum drei Wochen, lieber sechs Wochen.
Markus Fohr
Doch wie funktioniert es denn nun, das Kirschbier-Brauen? Dafür wird zu gleichen Teilen Bierwürze zusammen mit Kirschnektar – natürlich aus der Mittelrhein-Kirsche – vergoren. „Das Brauen und Reifen dauert Minimum drei Wochen, lieber sechs Wochen“, erzählt der Bierbrauer. Daraus entsteht dann ein würzig-herbes, süß-saures Bier mit einer deutlichen Kirschnote. Dass der Kirschnektar mitvergoren wird, zahlt nicht nur auf den etwas herberen Geschmack ein, sondern wegen des Zuckers auch auf den Alkoholgehalt: immerhin 5,2 Volumenprozent. „Die Süße im Kirschbier rührt daher, dass weniger Hopfen drin ist“, erläutert Markus Fohr die Feinheiten. Alles Weitere, das Abfüllen, Verschließen und Etikettieren, passiert dann mit viel Handarbeit – ein echtes Craft-Bier eben, auf deren Herstellung sich die Lahnsteiner Brauerei spezialisiert hat.
Es ist ein Nischenprodukt, aber ein schönes.
Markus Fohr
2023 wurden in Lahnstein rund 1600 Liter Kirschbier gebraut. „Es ist ein Nischenprodukt, aber ein schönes“, findet Markus Fohr. Verkauft werde es im Umkreis von rund 50 Kilometern in verschiedenen Getränkemärkten, aber auch auf Bierspezialitäten fokussierte Gastronomen gehören zu seinen Kunden. Und einmal habe er auch eine Palette nach Zypern verkauft, „aber das ist schon die Ausnahme.“
Ein echtes Bier – nicht nach Deutschem Reinheitsgebot gebraut
Dass das Kirschbier, obwohl nicht nach dem Deutschen Reinheitsgebot gebraut, trotzdem Bier genannt werden darf, dafür hat Fohr gekämpft und zuvor mit seinem Grutbier einen Präzedenzfall geschaffen. Vor 1993 sei das rechtlich gar nicht möglich gewesen. Doch vor rund zehn Jahren sei es losgegangen mit den sogenannten „besonderen Bieren“. „Die Lahnsteiner Brauerei war die erste Brauerei Deutschlands mit Sondergenehmigung, damals noch für das ,Grutbier’“, erinnert er sich zurück. „Und mit einer Sondererlaubnis dürfen wir auch unser Kirschbier Bier nennen.“
Wie die Mittelrhein-Kirsche in den Senf kommt
Doch nicht nur Bier wird aus den Mittelrheinkirschen hergestellt. Neben Leberpaté und Ziegensalami, Likör und anderen Spezialitäten gibt es auch Kirschsenf, handwerklich hergestellt in der Rheinwerkstatt der Stiftung Bethesda St. Martin in Boppard. Auch den Kirschsenf gibt es inzwischen seit rund zehn Jahren, weiß Diana Honneth, Leiterin der Senfmühle, zu berichten.

Direkt angrenzend an den Verkaufsladen der Senfmühle steht die Senfmühle, die nach antikem Vorbild nachgebaut wurde. Hier wird nach alter Handwerkstradition der Senf hergestellt. Diana Honneth gibt einen Einblick in die Produktion: Basis des Kirschsenfs ist eine Honigsenfgrundmasse, bestehend aus gemahlenen Senfkörnern und einer besonderen Würze. Diese Grundmasse kommt dann in ein Maischefass, wo sie unter gelegentlichem Rühren fermentiert – „der Geschmack reift heran“, erläutert Honneth. „Am Anfang ist die Masse noch recht flüssig mit beißend scharfem Geschmack. Aber die Schärfe lässt peu à peu nach.“
Erstmals selbst Kirschen geerntet und weiterverarbeitet
Die zweite wichtige Zutat sind die Mittelrhein-Kirschen. Bislang kamen diese immer getrocknet aus Rheinbay und Mülheim-Kärlich, doch weil es in den vergangenen Jahren vermehrt Probleme mit der Essigfliege gab, sind einige Mitarbeiter der Öl- und Senfmühle im vergangenen Sommer selbst nach Filsen gefahren, um dort Diemitzer-Kirschen zu ernten. Zurück im Klostergebäude der Stiftung, wurden die Kirschen gewaschen, die Stiele entfernt, entsteint und getrocknet, um sie dann zu dörren.

„Die getrockneten Früchte werden vor der Weiterverarbeitung mit Saft und einer Geheimrezeptur aufgekocht. Dann wird alles im Fleischwolf zerkleinert und mit der fermentierten Grundmasse vermischt“, erzählt die Leiterin der Senfmühle. Der Kirschsenf muss dann noch mal weitere zwei bis drei Wochen stehen, damit die Schärfe etwas abgebaut wird, berichtet sie weiter. Rund 60 Kilo Kirschsenf werden in Boppard im Jahr hergestellt – alles in Handarbeit, wie Diana Honneth betont. Verkauft wird die regionale Spezialität bei Rewe in Boppard und Edeka in Bad Salzig, aber auch in verschiedenen Geschäften in Koblenz und der Region.
Die Öl- und Senfmühle und ihre Mitarbeiter
Kirschsenf und viele weitere Variationen wie Estragon-, Riesling- oder Biersenf sowie verschiedene Öle werden in Rheinwerkstatt der Stiftung Bethesda St. Martin in Boppard hergestellt. Doch bei den Produkten gehe es nicht allein um die Vermarktung. „Unser Schwerpunkt liegt vor allem in der guten und anspruchsvollen Arbeit für unsere Mitarbeiter, sagt Diana Honneth, Leiterin der Öl- und Senfmühle. Rund zehn Mitarbeiter mit psychischen Erkrankungen sind hier beschäftigt. Hier passiert alles in Handarbeit: Von der Produktion der Produkte übers Abfüllen bis zum Beschriften übernehmen die Mitarbeiter alle Aufgaben.

Süß, sauer, einzigartig: Die Mittelrheinkirsche
Die Mittelrheinkirsche begeistert mit ihrer unglaublichen Vielfalt von rund 80 Sorten. Einst ein Star im Obstbau, geriet sie fast in Vergessenheit – doch heute ist sie Symbol für Tradition und kreative Genusskultur weit über regionale Grenzen hinaus.