Mit dem Managementplan soll sich das Tal im Einklang mit dem Welterbe entwickeln können
Auftakt zum Welterbe-Managementplan: Der Mittelrhein entwirft ein neues Leitbild

Baudenkmäler in einzigartiger Kulturlandschaft zwischen pulsierenden Verkehrswegen zwischen Süd- und Nordeuropa: Das Welterbe Oberes Mittelrheintal hat viele Facetten, die bewahrt werden müssen. Ein Managementplan soll dennoch Entwicklungschancen aufzeigen. Foto: Andreas Jöckel

aj

Mittelrhein. Selbstbild und Realität stimmen im Welterbe Oberes Mittelrheintal nicht immer überein: Das ist eine der ersten Schlussfolgerungen von Professor Michael Kloos, nachdem er in den vergangenen Wochen mit vielen Bürgermeistern und Institutionen entlang der 67 Rheinkilometer von Koblenz bis Rüdesheim gesprochen hat. Dieses erste Fazit ist nicht abfällig gemeint, es soll vielmehr zuversichtlicher stimmen.

Am 11. September hatte Innenminister Roger Lewentz (SPD) in Mainz bekannt gegeben, dass Kloos mit seiner Firma „planning and heritage consultancy“, den Auftrag erhalten hat, bis Ende 2019 den Managementplan für das Welterbe zu erstellen. Immerhin 240.000 Euro kostet das Projekt. Davon trägt das Innenministerium die Hälfte. Die zweite Hälfte übernehmen der Welterbe-Zweckverband (60.000 Euro), das Kultusministerium (36.000 Euro) und das hessische Wirtschaftsministerium (24.000).

Viele Projekte bereits im Fluss

Bei der öffentlichen Auftaktveranstaltung zum Managementplan mit weit mehr als 100 Gästen in der Tagungsvilla Rheinfels in St. Goar fasste Michael Kloos die Kernaussagen vieler Akteure wie folgt zusammen: Die Freude über den Welterbetitel ist mindestens ebenso groß wie das Gejammer darüber, dass Vieles nur viel zu schleppend vorankomme. Dies passt nicht zu Kloos' erstem Eindruck von außen. Denn er stieß auf viele Projekte, die bereits im Fluss sind: beispielsweise die international gelobte Neugestaltung des Loreley-Plateaus, die Entwicklung des neuen Stadtteils Rheinquartier auf dem ehemaligen Güterbahnhofgelände in Lahnstein, zahlreiche Gestaltungen der Rheinufer und nicht zuletzt das gemeinsame Großprojekt Buga 2029.

Alle diese Projekte machen laut Kloos bereits jetzt deutlich, dass das Welterbe nicht als reines Museum betrachtet werden müsse – es soll lebendig bleiben und sich weiterentwickeln. Der Knackpunkt: Das Wesen der Kulturlandschaft darf dadurch nicht entscheidend beeinträchtigt werden. Eine schwierige Aufgabe. Der Managementplan soll daher den Verantwortlichen künftig die Beurteilung erleichtern, ob Projekte im Welterbe verträglich sind – oder eben nicht. Er dient als ein eng mit den Richtlinien der Unesco abgestimmtes Instrument zum Konfliktmanagement. Vonseiten der Unesco wird ein solches Planungsinstrument für Welterbestätten ausdrücklich gefordert.

Den universellen Wert bewahren

Vom Wesen her ist das Obere Mittelrheintal, das nicht zuletzt wegen seiner rund 40 Höhenburgen weltberühmt ist, ein herausragendes Beispiel für einen über Jahrhunderte gewachsenen Lebens- und Verkehrsstil in einem engen Flusstal, das von jeher ein bedeutender Handelsweg war. Die von der Natur gesetzten Rahmenbedingungen brachten eine einzigartige Kulturlandschaft mit terrassiertem Wein- und Obstanbau an den Steilhängen hervor. Alle Merkmale zusammengenommen, bilden im Fachjargon der Unesco den „außergewöhnlichen universellen Wert“ des Kulturguts, der bewahrt werden muss.

Andererseits sind große Teile des 67 Kilometer langen Rheinabschnitts heute aufgrund der demografischen Entwicklung vom Aussterben bedroht. Tourismus ist in dem engen Tal der einzig mögliche Wirtschaftsfaktor, zusammen mit Wohnqualität samt guter Verkehrsanbindung sind dies überlebensnotwendige Standortfaktoren.

Das Leitbild erarbeiten

Im Zuge des Managementplans soll in einem Leitbild definiert werden, was nötig ist, um den „außergewöhnlichen universellen Wert“ zu bewahren. So könnten etwa Bereiche definiert werden, die aufgrund ihrer Bedeutung gar nicht angetastet werden dürfen, und wiederum andere, wo beispielsweise Hotel- oder Gewerbeprojekte möglich sind – unter anderem auf vom Tal nicht einsehbaren Höhenlagen.

Das Welterbe in 3D

Zentraler Bestandteil des Managementplans ist deshalb eine in dieser Form bislang einmalige Kulturlandschaftsverträglichkeitsstudie. Eine detailgenaue Visualisierung in 3 D soll nicht nur die Kulturlandschaft mit ihren unzähligen Baudenkmälern darstellen, sondern auch, wie sich Hotel- oder Verkehrsprojekte in die Landschaft einfügen lassen, ohne deren weltweit einzigartigen Wert zu beeinträchtigen. Dabei lassen sich auch Sichtbeziehungen von bedeutenden Plätzen oder zu Baudenkmälern beurteilen. Pilotprojekt der Studie ist die Seilbahn in Koblenz, die dauerhaft erhalten bleiben soll.

Mehr Kompetenzen für den Zweckverband?

Laut Kloos zeigt sich für die Umsetzungsphase nach Erstellung des Managementplans bereits jetzt die Notwendigkeit, die Kompetenzen des Zweckverbandes zu stärken. Dabei wäre zu überlegen, ob dies durch Legitimation über ein Regionalparlament oder die Etablierung als Regionalentwicklungsagentur geschehen könnte.

Masterplan fließt ein

Eine klassische Bürgerbeteiligung wird es beim Managementplan nicht geben. Diese war bereits im Rahmen des Masterplans erfolgt, dessen Ergebnisse und Visionen in das Gesamtprojekt einfließen sollen. Stattdessen soll aber ein wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Beirat den Prozess eng begleiten.

Von unserem Redakteur Andreas Jöckel

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