Er habe damals, vor zwei Jahren, gefastet, zu Gott gebetet und ihn gefragt, was er tun solle, erzählt Pater Eryk: „Da habe ich die Gnade erfahren, dass er mir die Idee mit der Umgestaltung des Marienplatzes gab – die Idee, unser Kloster mithilfe von einfachen, elementaren Dingen, mit denen alle Menschen etwas anfangen können, für Besucher attraktiver zu machen.“ Einfache, elementare Dinge – im vergangenen Jahr war das das Wasser als Grundlage allen Lebens und als Symbol des Heiligen Geistes, wie Pater Eryk erklärt. Das sei sehr gut angekommen, freut er sich, weiß zugleich aber auch: „Um das Interesse aufrechtzuerhalten, muss man sich immer wieder etwas Neues einfallen lassen.“
So kommt es also, dass auf dem Marienplatz hinter der Pilgerhalle, wo vor einem Jahr noch ein Springbrunnen sprudelte, jetzt Rebstöcke wachsen. Wobei diese Reihenfolge natürlich kein Zufall ist: Pater Eryk greift damit die biblische Geschichte der Hochzeit von Kana auf, in der Jesus als Zeichen dafür, dass er der Sohn Gottes ist, Wasser in Wein verwandelt. „Wasser ist Alltag, Wein ist Fröhlichkeit und Lebensfreude“, sagt Pater Eryk, der als Motto für die diesjährige Aktion nicht ohne Grund Psalm 104 mit der positiven Aussage „Der Wein erfreut des Menschen Herz“ gewählt hat.
Auf eines legt er großen Wert: „Eine Vision zu haben, reicht nicht aus.“ Vielmehr habe er bei der Umsetzung seiner Idee zahlreiche Unterstützer gehabt, betont er und nennt insbesondere Jochen Querbach als Mitdenker und -streiter, Stefan Kollmar, der die 61 Rebstöcke spendete, und Hartmut Hülser als Vorsitzenden des Freundeskreises der Franziskaner im Wallfahrtskloster Bornhofen, der sein handwerkliches Geschick einbrachte und aus besagten 61 Rebstöcken einen kleinen Weinberg schuf. Er ist gewissermaßen das „praktische Herzstück“ der Ausstellung. Für die – allerdings sehr praxisnah aufbereitete – Theorie sorgen ringsum neun Banner, die unter anderem Auskunft darüber geben, welche Rolle der Weinbau bereits vor der Erbauung des Marienwallfahrts-klosters an diesem schönen Fleckchen Erde gespielt hat und bis heute spielt.
Natürlich darf auch die biblische Bedeutung des Rebensafts nicht fehlen. Welche Symbolkraft besitzt der Wein im Christentum? Welche Geschichten drehen sich um ihn im Alten wie im Neuen Testament? Antworten, die man auch ohne Theologiestudium oder tiefer gehende Bibelkenntnisse nachvollziehen kann, findet man hier, auf dem Marienplatz. Aber auch mit der geografischen Herkunft des Weins, der mit viel Arbeit und Mühsal verbundenen Geschichte des Weinbaus in Kamp und Bornhofen und den Strukturveränderungen, die im 20. Jahrhundert dazu führten, dass die einstige alleinige Existenzgrundlage für die meisten Einwohner zu einer bloßen Nebenerwerbsquelle schrumpfte, befassen sich die Banner.
Und das ist noch nicht alles: An vier Audiostationen kann man sich via Kopfhörer Weinmeditationen des Koblenzer Theologen und Weinbotschafters Kalle Grundmann anhören, diese aber auch, wenn man das lieber mag, in Ruhe nachlesen. „Wir wollen alle fünf Sinne, das heißt das Hören, Sehen, Tasten, Riechen und Schmecken, ansprechen“, beschreibt Pater Eryk die Strategie. Wobei für die zuletzt genannte Sinneswahrnehmung ein Kühlschrank mit Weißwein bereitsteht, mit dem man es sich auf einer der Sitzgelegenheiten bequem machen, vielleicht dazu noch eine Kerze anzünden, meditieren und die mit viel Liebe zum Detail gestaltete Umgebung auf sich wirken lassen kann. Auch besteht Gelegenheit, Wein der in Eibingen bei Rüdesheim ansässigen Hildegardisschwestern nach dem Kauf mit nach Hause zu nehmen.
Eine sinnenfrohe, sich fern von jeglicher kirchlicher Indoktrination bewegende Angelegenheit ist sie also, diese kleine Ausstellung, die bis zum Ende der Wallfahrtssaison im Oktober zu sehen ist. „Wir wollen die Menschen dort abholen, wo sie stehen“, betont Pater Eryk und fügt hinzu: „Ich spüre, dass viele der Menschen, die hierherkommen, auf der Suche sind. Und wer weiß: Vielleicht findet der eine oder andere von ihnen auf diese Weise ja auch zur Muttergottes.“
Klar, dass der rührige Seelsorger schon längst konkrete Pläne für die nächste und übernächste Wallfahrtssaison schmiedet: So werden die Besucher im „Jahr des Edengartens“ 2020 zum Beispiel eine Antwort auf die spannende Frage erhalten, weshalb es sich bei der Frucht, die Eva vom Baum der Erkenntnis pflückt, in so gut wie allen Darstellungen um einen Apfel handelt, obwohl davon in der Bibel überhaupt keine Rede ist, und im „Jahr der Schokolade“ 2021 ebenso ernüchternde, wie nachdenklich stimmende Fakten über die mit dem Kakao-Anbau in Ecuador einhergehende Kinderarbeit erfahren.