Axel Schneider aus Nochern pflanzt Bäume, wo immer es möglich ist - Alte Sorten bewahren und das Klima schützen
Alte Sorten gedeihen in Nochern: Es lohnt immer, einen Apfelbaum zu pflanzen

Es lohnt immer, einen Apfelbaum zu pflanzen: Axel Schneider mit seiner Familie.

Schneider

Nochern. „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Dieser Satz ist zwar nicht von ihm, sondern Martin Luther soll ihn gesagt haben, Axel Schneider würde ihn aber genau so formulieren. Der Nocherner pflanzt seit Jahren Apfelbäume in seinem Heimatdorf. Mehr als 35 waren es in den vergangenen beiden Jahren. Vor Kurzem sind erneut elf neue Bäume hinzugekommen.

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Aber es sind nicht einfach nur Apfelbäume. Es sind alte Sorten, die es kaum noch gibt, Sorten, die bereits vor mehr als 100 Jahren oder schon im Mittelalter gezüchtet wurden, und die jede für sich ihren eigenen ganz besonderen Charakter und Geschmack haben.

Axel Schneider ist eigentlich kaufmännischer Angestellter und hatte mit Landwirtschaft oder Obstbau wenig am Hut. „Als mein Sohn fünf oder sechs Jahre alt war, hat er auf Äpfel und Apfelsaft immer allergische Reaktionen bekommen. ,Probieren Sie es doch mal mit alten Sorten', hatte uns damals der Kinderarzt geraten.“

Alte Sorten also. Axel Schneiders Vater riet ihm, einfach mal das Fallobst aus der Umgebung zu sammeln und daraus den Saft zu pressen, den die Schneiders so mögen. Denn alte Sorten stehen auf dem Land noch auf vielen Feldern. Manchmal ganz vergessen. Gesagt, getan. 300 Liter ergab das im ersten Jahr. Und tatsächlich, der kleine Sohn blieb symptomfrei, regierte nicht allergisch auf das Obst und selbst gepressten Saft.

Damit er unabhängig war, hat Schneider zunächst zehn Apfelbäume auf dem eigenen Grundstück gepflanzt. Und das war der Anfang für sein Hobby, aus dem sich inzwischen eine wahre Liebe und Leidenschaft für Apfelbäume entwickelt hat, bei der die ganze Familie – die Söhne Philipp und Jakob, inzwischen 17 und 20 Jahre alt und Ehefrau Gabi – mitmacht. „Irgendwann war unsere Wiese voll“, sagt Schneider, „denn ein Baum braucht etwa 100 bis 150 Quadratmeter Platz, um gut zu gedeihen.“ Neue Pflanzorte wurden gesucht. Scheider erwarb zwei weitere Wiesen und vereinbarte mit dem Besitzer einer weiteren Fläche, dass er sie nutzen und dort Bäume pflanzen darf.

Nicht nur Apfelbäume: „Inzwischen haben wir auch Birnen und Zwetschgen und weitere Obstsorten gepflanzt.“ Vorwiegend natürlich alte Sorten. Axel Schneider hat mit dem Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Kontakt aufgenommen und im Dorf eine „Streuobstgruppe“ gegründet, mit dem Ziel, rund 300 Bäume in Nochern zu pflanzen, um die Sorten zu erhalten und vor dem Aussterben zu bewahren. Pläne, die er gern verwirklichen würde, die aber durch Corona erst mal ruhten.

Im Herbst, als die Bilder entstanden, war Erntezeit. Das Keltern geschieht inzwischen mit Profiausstattung, wie einer Hydropresse, die mit Wasserdruck arbeite. Und dass Axel Schneider ein weiteres Hobby hat – „ich sammle alte Traktoren –, ist für die Apfelernte fast schon ein Synergieeffekt. „Dieses Jahr haben wir rund 450 Liter Apfelsaft gekeltert. Nachdem die Äpfel gepresst sind, wird der Saft auf etwa 80 Grad Celsius erhitzt und dadurch pasteurisiert. Er ist dann mindestens 14 Monate haltbar“, berichtet der Experte. Die Vorräte für die nächsten Monate sind also gesichert und warten im Keller.

„Das ist geschmacklich etwas ganz anders, als Apfelsaft, den man im Supermarkt kaufen kann“, schwärmt Schneider. Der Saft stammt aus Äpfeln wie „Geheimrat Dr. Oldenburg“, eine Sorte, die um 1897 in Geisenheim gezüchtet wurde, „ein einzigartiger Geschmack“, so Schneider, oder „Schöner aus Nordhausen“, eine Sorte, die es seit 1850 gibt. Die „Goldparmäne“ stammt sogar schon aus dem 15. Jahrhundert und wurde in der französischen Normandie gezüchtet. „Sie ist eine der ältesten Apfelsorten überhaupt.“ Weitere Sorten auf Nocherns Streuobstwiesen haben so klingende Namen wie „Goldrenette Freiherr von Berlepsch“, die sich durch einen sehr hohen Vitamin-C-Gehalt auszeichnet, „Alkmene“ oder „Prinz Albrecht von Preußen“. Inzwischen kann Schneider viele Sorten am Geschmack erkennen: die stark riechende Ananasrenette, den Boskop. „Ich habe zum Beispiel drei Berlepsch-Bäume, jeder von ihnen ist anders.“

Denn wie sich ein Baum entwickelt, hänge auch mit der Unterlage für die Veredlung zusammen oder mit dem Boden, auf dem er gepflanzt ist. Sorten, wie sie in unseren Einkaufsmärkten angeboten werden, kommen bei Schneiders nicht auf den Tisch oder in die Saftpresse. „Das sind oftmals Sorten, aus denen die Pektine herausgezüchtet wurden, damit sie widerstandsfähiger sind. Ihr Saft schmeckt schal und hat kaum Aroma.“ Die Sorten, die er pflanzt, bezieht der Nocherner aus Baumschulen oder Keltereien, die feststellen, dass immer weniger Obst von Privatleuten angeliefert wird und deshalb auch einen Baumverkauf anbieten.

In jedem einzelnen Baum steckt Arbeit: vom Frühjahr bis zum Herbst. Für den Nocherner sind seine Apfelbäume und Obstwiesen aber viel mehr als nur gute Vorratshaltung. „Einen Baum zu pflanzen, das macht etwas mit einem“, sagt er und kann es eigentlich gar nicht so genau erklären.

Für ihn ist das Pflanzen von Obstbäumen Naturschutz, es ist sein Beitrag zum Klimaschutz, das Bewahren von Bewährtem und Überliefertem, der Erhalt der Natur. „Wir müssen die Gesellschaft wieder erden“, meint Axel Schneider. „Wir sollten schauen, dass in unseren Scheunen auf dem Land nicht nur noch Wohnmobile stehen, sondern auch Gerätschaften, um das Land zu bestellen. Wir sollten uns darauf besinnen, dass es wichtig ist, einen Baum zu pflanzen, der uns vielleicht das ganze Leben lang begleitet.“

Wer es Axel Schneider und seiner Familie gleichtun und auch einen Apfelbaum pflanzen möchte – auch wenn, um noch einmal an Martin Luther zu erinnern, die Welt nicht untergeht – das ist auch jetzt im Winter möglich: „Obstbäume pflanzt man idealerweise zwischen November bis Mitte Januar“, rät der Fachmann. „In dieser Zeit wachsen wurzelnackte Bäume ohne großen Aufwand, was das Gießen betrifft, gut an.“ Und es lohnt sich immer.

Einige alte Apfelsorten

Alkmene – aromatisch, goldrot gefärbter Tafelapfel, schwacher Wuchs, etwa um 1930

Ananasrenette – Rheinland um 1820, saftige und aromatische Spitzensorte, Verwendung als Tafelsorte, in der Küche, zum Entsaften, schwacher Wuchs

Goldrenette Freiherr von Berlepsch – sehr saftiges festes Fruchtfleisch, rötlich marmoriert, hoher Vitamin-C-Gehalt, hervorragender Tafelapfel, mittelstarker Wuchs

Schöner von Nordhausen – um 1820, rundliche, gleichmäßige Form, gelb, Sonnenseite gerötet, angenehme Säure mit hohem Zuckergehalt, Verwendung als Tafelsorte und in der Küche, mittelstarker Wuchs

Geheimrat Dr. Oldenburg – 1897, saftig, etwas parfümiert, mittelstarker Wuchs

Prinz Albrecht von Preußen – um 1856, süß-säuerlich, aromatische kleine Renette, Verwendung als Tafelsorte, mittelstarker Wuchs

Blutroter Gravensteiner – aus Dänemark, dunkelrote Spitzensorte, aromatisch, Verwendung als Tafelsorte, starker Wuchs

Quelle und weitere Informationen: www.
alte-obstsorten.de

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