Von unserer RedakteurinMichaela Cetto
Advent, Advent – mal ganz persönlich: Wie Weihnachtsplätzchen zum Kriminalfall wurden
Kirchenchor Dattenberg

Einen Tag vor Nikolaus stehen sämtliche Plätzchendosen geöffnet auf dem Esszimmertisch. Ich klaube von jeder Sorte mehrere Exemplare heraus und stecke sie in eine weihnachtlich verzierte Tüte. „Für wen sind die?“ fragt mich eins meiner Kinder. „Für den zio“, sage ich schmunzelnd.

Der „zio“ ist mein Bruder und demnach naturgemäß der Onkel meiner Kinder. Die Antwort wird gleichmütig akzeptiert, vielleicht sind Antwort und die Frage dazu auch schon wieder vergessen, denn weil eine bestimme Halskette fehlt, droht gerade eine Teenagerwelt unterzugehen. Das Pubertier fegt zeternd durch die Zimmer der Geschwister. Schade, dass in diesem Kopf gerade kein Platz für Geschichten ist, denn ich hätte sie gern noch mal erzählt.

Das war nämlich so: Als wir beide Kinder waren, mein älterer Bruder und ich, da machte er sich einen Spaß daraus, mich ein ums andere Mal um meine Süßigkeiten zu bringen. Das Spiel mit mir und meinem Kaufladen zum Beispiel war nur so lange interessant, bis er alle kleinen Päckchen leer gefuttert hatte. Beim Ostereier-Suchen schickte er mich immer in die falschen Ecken, wenn er etwas Buntes im Gras entdeckt hatte und auch meine geheime Bonbondose war vor ihm nie lange sicher. Mein Nikolausteller aber war heilig für mich – an den wagte er sich nicht heran, denn ich bewachte ihn wie ein Schießhund und drohte meinem Bruder Höllenprügel an, sollte er sich dem Teller auch nur nähern.

Umso empörter war ich, als ich bemerkte, dass die Menge an meinen Weihnachtsplätzchen merklich schrumpfte (ohne dass ich davon gegessen hatte). Ich beschwerte mich bei meinen Eltern, die mir bereitwillig den Teller auffüllten und mit meinem Bruder ins Gericht gingen, der sich – natürlich – mal wieder völlig unschuldig gab.

Als ich am nächsten Tag aus der Schule kam und nicht mehr ein einziges Plätzchen auf meinem Teller fand, rastete ich aus. Ich schimpfte und brüllte und trommelte mit den Fäusten gegen seine Tür, doch er zeigte mir nur einen Vogel. Natürlich habe ich gepetzt. Daraufhin musste er mir alle Süßigkeiten auf seinem Nikolausteller geben.

Doch raten Sie, wen ich am nächsten Tag bei frischer Tat ertappte: unseren Hund! Mit den Vorderbeinen auf den niedrigen Tisch in meinem Zimmer gestützt reckte er seinen Hals und zog vorsichtig das Spritzgebäck vom Teller. Seit ich selbst Nikolausteller fülle, entschuldige ich mich jedes Jahr aufs neue mit Weihnachtsplätzchen bei meinem Bruder.

Das Pubertier hat indessen sämtliche Geschwister beschuldigt und angeblafft und ist den Tränen nahe. „Schau doch mal im Hundekorb nach“, rate ich gut gelaunt, was reicht, um die Schleusen zu öffnen. Es heult. Tröstend nehme ich es in den Arm und mache das großzügige Angebot, eine von meinen Ketten zu nehmen. Schniefend schlurft es ins Schlafzimmer. Und nach wenigen Sekunden ertönt ein wütendes: „Mama!!!“ Es rauscht heraus, die gesuchte Halskette baumelt anklagend am ausgestreckten Zeigefinger.

Ich schnappe mir die Plätzchentüte und mache mich aus dem Staub.

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