Ärger, Frust und Verzweiflung in betroffenen Branchen - VG Bad Ems-Nassau will Angebot von Teststellen ausbauen
2G-plus-Regel kommt: Frust bei betroffenen Betrieben im Kreis
Erweitertes Testangebot im Rhein-Lahn-Kreis: Die Gemeinschaftspraxis im Nassauer Land in Singhofen ist für die PCR-Tests neben den üblichen Öffnungszeiten nun auch samstags in der Zeit von 10 bis 14 Uhr offen. Foto: Bernd-Christoph Matern
Bernd-Christoph Matern

Rheinland-Pfalz zieht die Zügel im Kampf gegen Corona weiter an. Ab Samstag, 4. Dezember, gilt in allen öffentlichen Inneneinrichtungen, in denen keine Maske getragen werden kann, die 2G-plus-Regel. Eintreten darf also nur, wer genesen oder geimpft ist und zusätzlich ein aktuelles negatives Testergebnis vorlegen kann. Der Aufschrei in den betroffenen Branchen ist groß, insbesondere da die Testkapazitäten im ländlichen Raum begrenzt sind.

Erweitertes Testangebot im Rhein-Lahn-Kreis: Die Gemeinschaftspraxis im Nassauer Land in Singhofen ist für die PCR-Tests neben den üblichen Öffnungszeiten nun auch samstags in der Zeit von 10 bis 14 Uhr offen. Foto: Bernd-Christoph Matern
Bernd-Christoph Matern

Das Bundesland bleibt damit auch nach der Ministerpräsidenten-Konferenz vom Donnerstag, auf der bundesweit die Einführung der 2G-Regel in Kultur- und Freizeiteinrichtungen beschlossen wurde, bei seiner härteren Linie. Unsere Zeitung hat sich in den betroffenen Branchen im Rhein-Lahn-Kreis umgehört und ein Stimmungsbild zu der Entscheidung eingefangen.

1Gastronomie: Für Marcus Fetz, Betreiber des Loreleyhotels Fetz in Dörscheid, ist die Einführung der 2G-plus-Regel „nichts anderes als ein versteckter Lockdown für die Gastronomie und Hotellerie“. Er rechnet mit deutlich weniger Gästen. „Mit der Testpflicht wird die Hürde, Essen zu gehen, für viele zu groß sein“, meint Fetz, der aufgrund der aktuellen Corona-Lage viele Stornierungen entgegennehmen muss.

Das Hauptproblem seien die fehlenden Teststellen. „Wer ab Samstag bei uns essen gehen will, muss vorher in der halben Weltgeschichte rumfahren, um einen Test machen zu lassen. Das nimmt doch keiner auf sich“, meint der frustrierte Hotelinhaber.

In Bad Ems sind die Reaktionen ähnlich. „Wie ein Schlag vor den Kopf“ fühlte es sich für René Lotz, Inhaber des Gasthauses Alt Ems an, als er die Nachricht zur Einführung der 2G-plus-Regel erhielt. Er habe davon beim Abendessen über das Radio erfahren.

Die 2G-plus-Regel ist ein versteckter Lockdown für die Gastronomie und Hotellerie

Marcus Fetz, Inhaber von “Fetz – das Loreleyhotel"

Noch am selben Abend gingen zahlreiche Absagen von Betriebsfeiern bei ihm ein. „Absagen gab es wegen der aktuellen Situation eh schon. Seit Dienstag haben sie aber drastisch zugenommen.“ Die 2G-plus-Regel sei für den Gastwirt wie ein „Todesstoß durch die Hintertür“.

2 Sportvereine: „Das ist eine absolute Katastrophe für unsere Kinder“, kommentiert Heiko Ohl, stellvertretender Vorsitzender des Handballvereins TuS Holzheim, die Einführung der 2G-plus-Regel. Die Kinder wären wieder einmal am meisten betroffen, die Testungen für den Verein ein riesiger Aufwand, so Ohl. Bei Minderjährigen gilt ab Samstag im Trainingsbetrieb die 3G-Regel. Doch auch die stelle eine große Hürde dar.

„So wie ich es verstanden habe, sollen die Tests, die die Kinder täglich an den Schulen machen, nicht als Nachweis gelten.“ Wie das Land durch Ministerpräsidentin Malu Dreyer verlauten ließ, gelten neben Tests aus Teststellen nur Selbsttests, die unter Aufsicht vor Ort durchgeführt werden, als Nachweis. „Tests vor den Trainings durchzuführen, ist für uns als Verein überhaupt nicht zu stemmen“, meint Ohl jedoch dazu.

3 Kino: Ralf Holl, Betreiber des Kinos in Nastätten, ist „verzweifelt und ein Stück weit geschockt“. Da der Verzehr von Popcorn und anderen Süßigkeiten zu einem klassischen Kinoabend dazugehören, fallen auch Lichtspielhäuser unter die 2G-plus-Regel. Er bezweifelt, dass Geimpfte und Genesene bereit sind, extra für einen Kinobesuch einen Test zu machen.

Ein Hauptproblem sieht Holl ebenfalls im regionalen Testangebot. Zwar habe in Nastätten am Mittwoch wieder eine kommunale Teststelle eröffnet, „die Öffnungszeiten sind aber im Vergleich zu unseren total verschoben. Man müsste morgens zum Testen fahren, damit man abends ins Kino gehen kann.“ Der Kinobetrieb sei wegen drohender Verschiebungen von Filmstarts sowieso schon gefährdet.

Die einzige Hoffnung, weiterhin Besucher begrüßen zu dürfen, sieht Holl in einer Teststation in unmittelbarer Nähe zum Kino. „Selbsttests unter Aufsicht durchzuführen, das können wir personell und finanziell nicht leisten.“

4 Apotheken: Um Selbsttests unter Aufsicht anbieten zu können, müsste sowieso zunächst deren Verfügbarkeit garantiert sein. Vielerorts ist aktuell das Gegenteil der Fall. Philipp Hoffmann, Betreiber von vier Apotheken in Diez, Hahnstätten und Limburg, schildert, wie knapp die Ressourcen sind.

„Seit mindestens einer Woche ist in keiner unserer Filialen mehr ein Selbsttest verfügbar. Gleiches gilt für meine Kollegen und auch die umliegenden Supermärkte.“ Wann seine Apotheken wieder Tests zum Verkauf anbieten können, weiß er selbst nicht. „Über 2500 Tests sind bestellt, das Lieferdatum ist aber ungewiss.“

Die Preise würden zudem derzeit in die Höhe schießen, was nicht nur Apotheken zu spüren bekommen. „Die Vergütung deckt nicht mehr die Anschaffungskosten. Preise im Einkauf von mehr als 3 Euro netto pro Test sind keine Seltenheit. Über Monate war die Nachfrage minimal, der Preis durch Überkapazitäten der Discounter im Keller. Mit dem Aussetzen der kostenlosen Bürgertestungen stieg die Nachfrage dann ins Unermessliche“, resümiert der Apotheker.

5 Bürgermeister: Selbsttests sind schwer zu bekommen, und die wenigen Teststationen im Rhein-Lahn-Kreis sind spätestens seit der Einführung der 3G-Regel am Arbeitsplatz überfüllt. „Wir müssen jetzt reagieren“, mahnt Uwe Bruchhäuser, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Bad Ems-Nassau. Er will die Testkapazitäten so schnell wie möglich ausbauen. „Gemeinsam mit dem Stadtbürgermeister von Bad Ems, Oliver Krügel, sind wir mit Hilfsorganisationen und privaten Anbietern im Gespräch, um Teststellen zu eröffnen, eine in Bad Ems und eine in Nassau.“ Für den Frust der betroffenen Betriebe zeigt der Bürgermeister Verständnis. „Die Auswirkungen für die Gastronomie und andere Einrichtungen sind fatal.“

Die Ortsgemeinde Winden hat derweil beschlossen, das Dorfgemeinschaftshaus für Sportgruppen nicht weiter zur Verfügung zu stellen. „Das Einhalten der neu in Kraft tretenden Regel kann nicht gewährleistet werden“, begründet Ortsbürgermeister Stefan Mertlich die Entscheidung.

Die Forderung der betroffenen Betriebe ist klar: Die Testkapazitäten müssen dringend ausgeweitet werden, wenn die 2G-plus-Regel nicht zu einem drastischen Einbruch der Besucherzahlen mit möglicherweise immensen wirtschaftlichen Schäden führen soll.

Von unserem Reporter Matthias Kolk

Top-News aus der Region