Nach 23 Jahren als Schulleiterin an der Limburger Tilemannschule, mit 65, zwei Jahre früher als üblich. Sie wolle „fit und froh und zufrieden aus dieser herausfordernden Tätigkeit gehen“, sagt sie, und sich nicht fragen müssen, ob sie das alles überhaupt noch schaffe.
Herzensangelegenheit war das „AbiBac“
Denn eine Herausforderung sei die Arbeit als Schulleiterin in den vergangenen Jahren durchaus gewesen, „eine Herkulesaufgabe“. Und damit meint sie nicht nur Schule in den Zeiten der Pandemie und der Medienkonzepte. Sie meint auch die Umstellung von G9 auf G8 und wieder zurück, die Unterrichtsgarantie der verlässlichen Schule, den Ausbau des Ganztagsangebots, die Sanierung der Schule, die Einführung des Landesabiturs und natürlich ihr Herzensprojekt, das „AbiBac“ (deutsch-französisches Abitur) – und manches davon gleichzeitig.
Und dazu auch noch die alltäglichen Pflichten. Und die Aufgabe, in diesen bewegten Zeiten alle bei Laune zu halten: Kollegium, Schülerschaft und Eltern. Und trotzdem sei Schulleiterin „der schönste Beruf, den man haben kann“, sagt Regine Eiser-Müller. Weil sie lehren und gestalten konnte, weil sie Kontakt zu jungen Menschen hatte und Schule entwickeln konnte.
Aber eine gewisse Hartnäckigkeit brauche man dafür schon. Und manchmal auch Härte. „Das schafft die gewisse Resilienz, die man braucht in dieser Position.“ Eine Resistenz, die man Männern in dieser Position sicherlich nicht vorhalten würde, Frauen aber schon. „Ich habe gelernt, mich zu behaupten und die Dinge mit viel Nachdruck auf den Weg zu bringen“, sagt Regine Eiser-Müller. Und sehr strukturiert sei sie schon immer gewesen. Dass sie einmal eine begeisterte Pädagogin werden würde, hatte sie aber nicht gedacht. Sie wusste nur schon früh, dass es „irgendwas mit Frankreich“ werden sollte.
Und so wollte sie nach dem Abitur in Altenkirchen auf alle Fälle nach Frankreich gehen und eigentlich Medizin studieren. Dafür reichte der Notendurchschnitt von 2,1 auch damals nicht, also hieß es: warten. Aber das war noch nie ihre Stärke, und so fing sie an, Französisch zu studieren – in Straßburg. Und die französische Literatur, Kunst und Philosophie begeisterte sie so sehr, dass es bei Französisch blieb, nach dem Wechsel an die Uni Freiburg musste ein zweites Fach dazu, sie entschied sich für Theologie und lernte Griechisch und Hebräisch; ihre Arbeit schrieb sie über alttestamentliche Exegese, und eigentlich wollte sie an der Uni Bamberg promovieren.
An Schule habe sie damals gar nicht gedacht, sagt Regine Eiser-Müller. Aber ihr Mann, Dozent an der Uni Freiburg: Er empfahl ihr, wenigstens ein Referendariat zu machen; sie entschied sich gegen die wissenschaftliche Karriere. Und das in einer Zeit, in der man nicht unbedingt hoffen konnte, eine Lehrerstelle zu finden. Das Referendariat sei eine harte Schule gewesen, sagt Regine Eiser-Müller. Dieses ständige unter Beobachtung stehen, die Kritik.
Aber man lerne, Menschen eine Rückmeldung zu geben, die Kritik auf den Punkt zu bringen und dabei so zu formulieren, dass sie für beide Seiten akzeptabel wird. Denn das brauche man für den Beruf. „Lehrer sein ist die hohe Kunst des Vermittelns, des Begleitens und Beratens“, sagt sie. Und immer gehe es darum, Neugier zu wecken, zu begeistern und Begabungen zu fördern. Das bedeute lebenslanges Lernen – auch für die Lehrerin.
Im Vorstand der Bundesvereinigung der Oberstudiendirektoren aktiv
Und eine Schulleiterin hat auch noch Aufgaben, die Regine Eiser-Müller weder im Studium noch im Referendariat gelernt hat: Verwaltung und wirtschaftliches Management. In der Selbstständigen Schule hat die Schulleitung ein Budget und eine weitere Verantwortung. Was sie fürs Haushalten können muss, habe sie im Laufe der Jahre gelernt, und das Verhandeln mache ihr ohnehin Freude, sagt sie. Aber im Vorstand der Bundesvereinigung der Oberstudiendirektoren kämpft sie schon lange für die Schaffung von Verwaltungsleiterstellen an den Schulen. „Die Budgetverwaltung braucht dringend eine Professionalisierung.“ Denn: An Geld fehle es nicht in der Schulentwicklung. „Man muss es nur hartnäckig fordern.“ Und überhaupt sei die deutsche Bürokratie eine Katastrophe.
Dass die im Französischunterricht keine Rolle spielt, ist vermutlich einer der Gründe, warum Regine Eiser-Müller immer auch unterrichtet hat, obwohl das in ihrer Stellenbeschreibung nicht mehr vorkam. Sie habe immer eine Klasse in Französisch gehabt, gern einen Leistungskurs, wenn wieder einmal „Not am Mann oder der Frau“ war. Und sie ist immer gern mit nach Frankreich gefahren, auf Studienfahrt oder zum Schüleraustausch.
Weil da immer noch das ist, was sie „pädagogischen Eros“ nennt, die „innere Bereitschaft des Sorgens, Umsorgens und vermitteln Wollens“. Deshalb habe sie auch nie auf die Stunden geschaut, sondern immer nur „auf die Arbeit, die getan werden muss“. Nur eines war Gebot: Um 13.45 Uhr ging sie die paar Meter von der Schule nach Hause, um mit ihrem Mann gemeinsam zu Mittag zu essen und dann einen Kaffee zu trinken. Und nach dem Spülen ging’s zurück in die Schule. „Die Nähe zur Schule war ein Lebensgewinn“, sagt Regine Eiser-Müller.
„Der schönste Beruf, den man haben kann“
„Und Lehrer ist der schönste Beruf, den man haben kann.“ Und deshalb will sie auch jetzt, im Ruhestand, jungen Menschen zu Bildung verhelfen. Für die Zukunft der Tilemannschule sind jetzt andere zuständig, die Hauptaufgabe werde jetzt sein, den Ganztag weiter auszubauen, damit Schule zum Lebensort werde und Erziehung auch am Nachmittag stattfinde, sagt Regine Eiser-Müller. Sie will sich jetzt vor allem um Kinder kümmern, die gar keine Schule haben, deshalb engagiert sie sich für die Reiner-Meutsch-Stiftung, die Schulen in Entwicklungsländern baut, und deshalb hofft sie auch, dass beim nächsten Sponsorenlauf an der Tilemannschule viel Geld zusammenkommt
. „Wenn ich die Schülerschaft motivieren könnte, anderen Schülern zu mehr Bildung zu verhelfen, wäre das ein schöner Abschluss“, sagt sie. Und dann will sie auch mal an sich denken, wieder Orgel spielen, Sport treiben, mehr Zeit in ihrem Haus bei Montpellier verbringen, ihrem zweiten Zuhause. Die Freiheit genießen, Städtereisen unternehmen, mal eine längere Etappe auf dem Jakobsweg unterwegs sein, endlich die Strecke über die Pyrenäen nach Spanien laufen. Und dann vielleicht doch die ökologischen Bedenken vergessen und einmal in die Antarktis fahren, mit einem Frachtschiff von La Réunion aus, „keine Touristenreise“, mehr eine Expedition. Endlich mal im Mai oder November verreisen, außerhalb der Schulferien. „Das stelle ich mir toll vor.“