Klimawandel macht es möglich: Rübenschädling ist es zu rau im Hunsrück - Anbaufläche erhöht sich von 70 auf 250 Hektar
Zuckerrübenanbau im Hunsrück erlebt einen wahren Boom: Beleuchtete Ungetüme nachts auf den Feldern zu sehen
Mehrere riesige Maschinen wie dieser hier, die bei Mutterschied im Einsatz war, sind in jüngster Vergangenheit im Hunsrück zu beobachten gewesen – auch in der Nacht, dann hell erleuchtet. Der Zuckerrübenanbau erlebt im Hunsrück – auch bedingt durch den Klimawandel – derzeit einen Boom. Foto: Werner Dupuis
Werner Dupuis

Rhein-Hunsrück. So mancher Autofahrer, der in den vergangenen Wochen über den Hunsrück gefahren ist, wird sich womöglich über das eine oder andere hell erleuchtete Ungetüm auf einem Acker gewundert haben. Die Erklärung dafür ist ganz einfach: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird es sich um eine Rübenernte- und Rübenverlademaschine gehandelt haben.

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Mittlerweile ist die Zuckerrübenernte im Rhein-Hunsrück-Kreis nahezu beendet. Nur wenige Äcker sind noch nicht abgeerntet. „Der Ertrag pro Hektar fällt in diesem Jahr geringer aus als in den Vorjahren“, sagt Bastian Faust, Vorsitzender des Bauern- und Winzerverbandes Rhein-Hunsrück. Der Landwirt aus Niederweiler hat selbst keine Rüben angebaut, doch er weiß, wo die Hotspots im Rhein-Hunsrück-Kreis liegen: rund um Simmern, bei Hecken und auch in Richtung Morbach. „Der Zuckergehalt ist niedriger als sonst“, fügt er hinzu. Dies liege an der erhöhten Niederschlagsmenge und der geringeren Zahl an Sonnenstunden in diesem Jahr.

Niederschlagsreiches Jahr beeinträchtig den Zuckergehalt

Dies bestätigt Landwirt Jürgen Hilgert aus Altweidelbach. Mit der geernteten Menge sei er durchaus zufrieden, sagt er. „Aber der Zuckergehalt ist eher durchschnittlich“, fügt er hinzu. Die Rübe benötige, um Zucker einlagern zu können, die Fotosynthese, also die Sonne. 2024 sei allerdings ein relativ regenreiches Jahr gewesen. Dies mache sich aber auch bei der Weizenernte bemerkbar.

Hilgert sieht allerdings ein ganz anderes Problem. Er vermarktet die Zuckerrüben beziehungsweise die daraus gewonnenen Produkte wie Sirup oder eben Zucker nicht selbst, das macht die Zuckerfabrik, für die Hilgert die Rüben anbaut. „Die Vermarktung geschieht über den Winter. Und je nachdem, wie der Verkauf aussieht, erhalte ich mein Geld“, erklärt Hilgert. Dies werde erst im nächsten Jahr sein, erläutert der Landwirt aus Altweidelbach. Rosig seien die Aussichten nicht. „Laut Internet befindet sich der Zuckerpreis im freien Fall“, sagt Hilgert. „Darauf haben wir Landwirte keinen Einfluss“, bedauert er. Aber dieses Problem habe die gesamte Landwirtschaft.

„Ob Zuckerrübenanbau lukrativer als Weizenanbau ist? Er ist auf jeden Fall eine gute Alternative.“

Horst Ulrich vom Maschinenring Hunsrück

Horst Ulrich vom Maschinenring Hunsrück relativiert Hilgerts Aussagen. „Es gibt einen garantierten Preis, der ausbezahlt wird“, sagt Ulrich. Aber zuvor gebe es Abschlagszahlen, die erste schon im November. Im vergangenen Jahr sei der Zuckerpreis förmlich explodiert. „In diesem Jahr ist er wieder auf Normalniveau“, erklärt der Maschinenring-Betriebsleiter.

Der Maschinenring Hunsrück mit Sitz in Ohlweiler fungiert seit dem vergangenen Jahr als Bindeglied zwischen den Landwirten im Hunsrück und zwei bundesweit führenden Zuckerunternehmen. Die Zuckerhersteller sind an den Maschinenring herangetreten und haben ihre Pläne offengelegt.

Hintergrund ist auch hier der Klimawandel, der zahlreiche Veränderungen mit sich bringt – nicht nur direkt durch Einflüsse auf das Wetter, sondern auch durch verbesserte Lebensbedingungen für Organismen, die eigentlich sehr viel weiter südlich beheimatet sind. Eines dieser Lebewesen ist eine Zikadenart, die eine Infektion an Zuckerrüben verursacht. Dieses Tierchen fühlt sich in den bisherigen Anbaugebieten zum Leidwesen aller Beteiligten außerordentlich wohl, im Hunsrück jedoch ist das Klima noch zu rau für die Zikade. Diesen Umstand wollten die Zuckerrübenanbauer ausnutzen und Flächen im Hunsrück erschließen.

Knapp zehn Landwirte aus dem Hunsrück zeigten Interesse, stiegen versuchshalber mit einer kleinen Fläche ein – insgesamt mit 70 Hektar. Der Erfolg im ersten Jahr beflügelte die Beteiligten offenbar, sodass heute schon 25 Maschinenringmitglieder auf Zückerrüben setzen – auf nun rund 250 Hektar. Horst Ulrich vom Maschinenring Hunsrück ist sich sicher, dass das Interesse am Zuckerrübenanbau sogar noch steigen wird. „Ja, ich glaube, das werden noch mehr“, sagt er.

Saatgut für Rüben wird günstig per Sammelbestellung geordert

Das Saatgut für die Zuckerrüben wird in der Regel per Sammelbestellung geordert. „Das bringt Preisvorteile mit sich“, erörtert Ulrich. Die Aussaat übernimmt der Landwirt selbst, er kann aber auch hier ein Unternehmen beauftragen. Die Ernte und den Abtransport übernimmt die Gemeinschaft der beteiligten Landwirte. „Sie fungiert wie eine Genossenschaft und arbeitet nicht gewinnorientiert, sondern kostendeckend“, erklärt Horst Ulrich.

In den vergangenen Wochen waren im Auftrag der Gemeinschaft drei riesige Maschinen Tag und Nacht auf den Feldern am Werk, um die Ernte einzufahren. Mit Lastwagen wurden die Rüben zum Verarbeitungsort nach Alzey transportiert. „Diese nächtliche Arbeit ist natürlich vom Gesetz abgedeckt“, betont Betriebsleiter Ulrich. Und so wird man auch im nächsten Herbst des Nachts wieder hell erleuchtete Ungetüme auf manchen Feldern entdecken – dann sogar eher noch mehr.

Von Andreas Nitsch

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