Rhein-Hunsrücker vor Gericht
Wollte der Angeklagte Zwölfjährige zum Sex abholen? 
Das Symbolbild zeigt den Paragrafen 176 aus dem Strafgesetzbuch zum Sexuellen Missbrauch von Kindern. Er besagt: "Wer sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft." Dabei spielt es keine Rolle, ob es zum Geschlechtsverkehr kommt oder nicht; dies hat lediglich Einfluss auf die Mindeststrafe.
Kay Nietfeld. picture-alliance/ dpa

Ein 53-Jähriger aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis muss sich wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verantworten. Eine 15-jährige Zeugin berichtete nun vor Gericht, wie sie quasi den Stein ins Rollen gebracht hat. 

Dem entschlossenen Handeln einer 15-Jährigen ist es zu verdanken, dass die Polizei einem heute 53-jährigen Mann aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis, der sich derzeit vor dem Landgericht wegen schweren sexuellen Missbrauchs verantworten muss, das Handwerk legen konnte. Der Teenager sagte am dritten Prozesstag persönlich vor der 5. Strafkammer des Landgerichts aus und berichtete, wie sie – so sagte es die Vorsitzende Richterin Annegret Werner – „alles ins Rollen gebracht hat“.

Hintergrund: Insgesamt zwölf Delikte werden dem Beschuldigten vorgeworfen. Er befindet sich momentan in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Rohrbach. Der Angeklagte ist bereits zuvor zweimal wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in jeweils mehreren Fällen verurteilt worden, saß deswegen mehrere Jahre in Haft. Seit 2021 steht er unter Führungsaufsicht. Er soll im Jahr 2024 mehrfach in Internetforen Kontakt zu minderjährigen Mädchen aufgenommen haben, obwohl ihm dies von Rechts wegen strikt untersagt war. Zudem soll er einer Jugendlichen ein Bild seines entblößten Genitals geschickt und junge Mädchen aufgefordert haben, Nacktbilder von sich zu machen und ihm zu übermitteln. Laut Staatsanwalt Dominik Radzivilovskij wollte sich der einschlägig vorbestrafte Mann sogar mit den teils erst elf Jahre alten Mädchen treffen, um mit ihnen „Sex zu machen“.

Beschuldigter wollte angeblich „intimen Körperkontakt“

Noch drastischer – das beweisen von der Polizei sichergestellte Chatverläufe – formuliert es der 53-Jährige in einer Nachricht an ein erst zwölfjähriges Mädchen, nachdem er zuvor schon mitgeteilt hatte, dass er „intimen Körperkontakt haben“ wolle. Der Beschuldigte verabredet sogar ein Treffen mit dem Mädchen, um es von zu Hause abzuholen und seine Pläne umzusetzen. Die Zwölfjährige erzählt dies der 15-jährigen Internetfreundin, die nun vor Gericht von den Ereignissen aus dem vergangenen Jahr berichtete. Sie sei geschockt gewesen, als sie von den Absichten des Angeklagten erfahren hatte. „Ich habe mir große Sorgen gemacht und ihr (der Zwölfjährigen, Anm.) gesagt, ich mache das öffentlich“, erklärte die 15-Jährige dem Gericht. Doch die Jüngere habe protestiert, da sie Angst vor ihrem Vater und den Konsequenzen gehabt hätte. „Aber ich bin trotzdem zu meinem Lehrer gegangen und habe ihm gesagt, dass eine Freundin von mir sexuell belästigt werde. Ich wollte, dass sie gerettet wird“, betonte die 15-jährige Freundin. Der zurate gezogene Lehrer schaltete sofort die Polizei ein – gerade noch rechtzeitig, denn am Tag danach wollte der Angeklagte das zwölfjährige Kind abholen.

Zuvor hatten fünf weitere Zeuginnen im Alter von heute zwölf bis 17 Jahren per Videoschalte ihre virtuellen Erlebnisse mit dem Beschuldigten geschildert, zudem wurde das Protokoll mit den Aussagen eines weiteren Mädchens vorgelesen. Eins der Mädchen ließ das Sichtfeld der Kamera, die einen Blick in den Gerichtssaal gewährte, teilweise verdecken, um den 53-jährigen Angeklagten nicht sehen zu müssen. Stets ist der Kontakt zu den jungen Mädchen über Snapchat, WhatsApp oder eine andere Plattform zustande gekommen, und immer wieder habe sich der 53-Jährige als jünger ausgegeben. Einmal war er 17, dann 21 oder 22. Einer Elfjährigen gegenüber behauptete der „Bratpfannentyp“ – so nannte sie ihn nun vor Gericht –, er sei erst 13. Auch von ihr habe er Nacktbilder gefordert, erklärte sie, „doch daraufhin habe ich den Kontakt sofort abgebrochen“.

Eins der Mädchen konnte sich an so gut wie nichts mehr erinnern. Sie sei völlig traumatisiert, weil ihr Vater sie zu der Zeit missbraucht habe, sagte sie im Videogespräch mit der Richterin. „Ich versuche, alles aus dieser Zeit zu vergessen, und verdränge alles, was mit diesem Thema zu tun hat“, fügte sie hinzu. „Dann wollen wir dich nicht weiter drangsalieren“, reagierte die Richterin.

Die Aussagen der Mädchen – einige kennen sich untereinander, weil sie derselben Chatgruppe angehören oder angehört haben – ähneln sich oft. Immer wieder geht es nach anfänglich normaler Konversation („Wie geht’s dir?“, „Was macht die Schule?“), schnell um Intimitäten. Weitere verstörende Zitate fallen im Gerichtssaal. „Was ist deine Lieblingsstellung?“, „Virtueller Sex schadet keinem. Das sind doch nur Bilder.“ – all diese Sätze wurden dem Beschuldigten zugeschrieben. „Ich war für ihn Frischfleisch“, sagte ein Mädchen. „Er hat mich psychisch kaputtgemacht.“

Und plötzlich fiel die Sprache wieder auf den ominösen Tim. Von diesem Tim hatte der Beschuldigte bereits am zweiten Verhandlungstag gesprochen, als er versuchte, seine Taten zu begründen und zu rechtfertigen. Tim sei ein Pädophiler, der ebenfalls in diversen Gruppen unterwegs sei. Vor ihm habe der 53-Jährige die jungen Mädchen beschützen wollen, hatte er angegeben. Die Zeugin, die bereits ihren Lehrer eingeschaltet hatte, bestätigte die Existenz dieses Mannes namens Tim. Er habe sein Alter stets mit 39 angegeben und immer wieder berichtet, mit Minderjährigen zusammen zu sein. Daraufhin ist Staatsanwalt Dominik Radzivilovskij natürlich hellhörig geworden. Die Zeugin konnte am Ende des dritten Prozesstages sogar die Telefonnummer von Tim besorgen und dem Staatsanwalt überreichen.

Der Prozess wird am Dienstag, 15. April, 9.15 Uhr, fortgesetzt. Dann sollen vier Polizeibeamte und die Bewährungshelferin des Beschuldigten aussagen.

Top-News aus der Region