Steht eine Kindeswohlgefährdung durch die familiären Umstände im Raum, muss schnell gehandelt werden. Das zuständige Jugendamt schaltet sich ein und sucht für die Kinder und Jugendlichen eine alternative Wohnmöglichkeit. Doch oft stellt sich die Frage: Was ist nun die beste Lösung für die Kleinsten? Seit rund einem Jahr bietet eine neue Wohngruppe der EVIM (Evangelischer Verein für Innere Mission in Nassau) in Hausbay hierfür eine Lösung. Dort finden Kinder zwischen drei und zwölf Jahren ein neues Zuhause auf Zeit. Doch wie kam es überhaupt dazu, dass die Einrichtung in dem 230-Seelen-Dorf gegründet wurde, und wie wurde sie dort angenommen?
In Kastellaun gibt es bereits seit mehreren Jahren die ambulante Hilfe der EVIM. Sie steht Kindern, Jugendlichen und Familien bei Problemen zur Seite. Ein Austausch mit ihnen sowie mit dem Jugendamt des Rhein-Hunsrück-Kreises habe gezeigt, dass noch Bedarf an stationären Angeboten bestehe. „Besonders der Bedarf einer Einrichtung für jüngere Kinder war da“, sagt Jakob Loeb, Regionalleiter der EVIM Jugendhilfe. Der Verein suchte eine Immobilie im Kreis und wurde in Hausbay fündig.

Das rund 350 Quadratmeter große Haus bietet Platz für acht Kinder. Neben einer Küche, einem Wohn- und Esszimmer sowie mehreren Bädern, gibt es einen Aufenthaltsraum, einen Wintergarten sowie eine Dachterrasse und einen 2800 Quadratmeter großen Garten. Die Kinder schlafen in sechs Einzelzimmern und einem Doppelzimmer. Zukünftig sollen noch ein Spielraum sowie einige Hochbeete im Garten entstehen. Dort wollen die Betreuer gemeinsam mit den Kindern Gemüse anbauen.
Das achtköpfige Betreuerteam – darunter Erzieher, Sozialpädagogen und Ergotherapeuten – richtete das Haus gemeinsam ein. „Das war super. Denn so konnten wir uns direkt zu Beginn als Team zusammenfinden und gemeinsam überlegen, was wir eigentlich machen wollen“, betont Christina Kuhn, Teamleiterin der Wohngruppe in Hausbay.

Im März 2024 zogen die ersten Kinder ein. „Weil eine Kindeswohlgefährdung besteht, sucht das Jugendamt eine alternative Wohnmöglichkeit für sie“, sagt Kuhn. Das Amt schickt dann eine Anfrage an die Wohngruppe und die Kleinen werden dort vorstellig. „Die Kinder haben natürlich ein Mitspracherecht, ob sie bei uns wohnen wollen, oder nicht“, betont die Teamleiterin. Aktuell wohnen sechs Kinder in der Einrichtung, drei Kindergartenkinder und drei Schulkinder. Auch zwei Geschwisterpaare sind dabei. Geschwisterkinder versucht die Einrichtung immer zusammen aufzunehmen, damit sie trotz der neuen Umstände wenigstens einander haben.
„Wir leben hier wie in einer richtigen Familie“, sagt Kuhn. Der Alltag der Kinder soll so normal wie möglich gestaltet werden. Die Betreuer bringen sie in Kindergarten und Schule, begleiten sie zu Arztterminen oder machen gemeinsame Ausflüge. Sie sind viel draußen unterwegs und auch in das Dorfleben gut integriert. Dabei gibt es einen Tag- und einen Nachtdienst und es sind immer zwei Betreuerinnen vor Ort. Eine zusätzliche Hauswirtschaftskraft kümmert sich wochentags um das Essen und den Haushalt. An Wochenenden und Feiertagen sind die Betreuer dafür zuständig.

Da die Kinder auf Dauer wieder in ihre Herkunftsfamilien zurückkehren sollen, werden auch die Eltern in den Alltag der Kinder miteingebunden. Es gibt feste Telefonzeiten, während der die Kinder mit ihren Eltern sprechen können, und auch regelmäßiger Besuchskontakt besteht. Zudem soll künftig ein Elternzimmer entstehen. „So können die Eltern ab und an in der Wohngruppe übernachten und die Bindung zwischen ihnen und ihren Kindern wird wieder gestärkt“, betont Loeb.
Vor ein paar Wochen sind zwei Jugendliche, die seit der Eröffnung im vergangenen Jahr bereits in Hausbay lebten, ausgezogen – zurück in ihr familiäres Umfeld. Doch ihre Plätze werden nicht lange unbesetzt bleiben. Denn bereits in der vergangenen Woche haben sich zwei neue Kinder für die Wohngruppe vorgestellt.
Evangelischer Verein für Innere Mission in Nassau (EVIM)
EVIM ist ein diakonisches Unternehmen der Sozialwirtschaft. Es ist in den Bereichen Bildung, Alten-, Jugend- und Behindertenhilfe an mehr als 155 Standorten in Hessen und Rheinland-Pfalz tätig. Insgesamt hat EVIM mehr als 3400 Beschäftigte. Zudem unterstützen rund 400 Freiwillige die Arbeit des 1850 gegründeten Vereins.