Sich bei mehr als 30 Grad und in der prallen Sonne mit Schwert und Schild zu messen, das war für die Ritter des Lagers in Dill mehr als eine Herausforderung. Da war es nur verständlich, dass die Herren – und eine Dame – am Sonntagmittag auf ihre volle Montur verzichteten. „Wir kämpfen heute nur mit Helm, wir wollen ja schließlich nicht, dass jemand umkippt“, sagt Nicolas Heinrich aus Sachsen. Als Ritter Jan von Boskowitz wird auch er einige Minuten später in den Ring steigen. Zuvor aber hilft er noch Ritter Hermann von Kastellaun, der im echten Leben Daniel Rönz heißt und ebenfalls aus Sachsen in den Hunsrück gekommen ist, in seine Kettenhaube. Denn auch beim Helmzierschlagen kann es gefährlich werden, und da muss vor allem der Kopf geschützt sein.

Damit auch der Rest des Körpers geschützt ist, tragen die Ritter in Dill zumindest einen sogenannten Gambeson, der unter dem Ringpanzer – das ist das, was gemeinhin Kettenhemd genannt wird – getragen wird. „Meiner ist aus gefüttertem Leinen“, erklärt Jan von Boskowitz. Gefüttert würden diese häufig mit Wollfilz oder Rosshaar. „So dienen sie quasi als Schlagschutz“, sagt der Ritter. „Und bei der Hitze kühlt er sogar, wenn er ordentlich durchgeschwitzt ist“, ruft ein anderer Ritter lachend – der Verdunstungskälte sei Dank.

Rund 30 Kämpfer treten immer zwei gegen zwei im Helmzierschlagen an. Dabei gilt es, eine Rose, die hinten an jedem Helm befestigt wird, mit dem Schwert abzuschlagen. Wem das gelingt, der kommt in die nächste Runde. Dabei kommen die Ritter auch ohne Rüstung ordentlich ins Schwitzen. Der Spaß steht ihnen aber trotzdem ins Gesicht geschrieben. „Der steht im Vordergrund“, sagt Jan von Boskowitz. Auch für die einzige Frau, die sich am Sonntag am Wettkampf beteiligt. „Ich wollte das einfach mal ausprobieren“, sagt sie, die Ausrüstung habe sie sich zusammengeliehen. Ob Frauen auch im Mittelalter an Wettkämpfen teilgenommen haben, ist aber nicht belegt. Vermutet wird, dass es Frauen gab, die sich als Knappen verkleidet haben, um so die Möglichkeit zu haben, ein anderes Leben führen zu können. Der Graf von Sponheim indes witzelt: „Wir sind hier eben fortschrittlich“.

Der Sachse Jan von Boskowitz besucht etwa zwölf solcher Veranstaltungen im Jahr und macht dort insgesamt bei etwa vier Kämpfen mit, erzählt er. „Ich beteilige mich eher am modernen Turnierrittertum“, sagt er. Ruft ein Graf zu einem Turnier auf, mache er mit, um vielleicht eine Anstellung am Hofe zu finden. Bei berittenen Turnieren etwa ist er auch mal als Teil der „Bodencrew“ des Königs dabei. In Dill ist Jan von Boskowitz dieses Mal als Gast bei den Sponheimerm untergekommen. Normalerweise reist er mit seiner Gruppe Sacri Romani Imperii durch die Lande.

Dass die Lagergruppen dabei auch gern weite Wege auf sich nehmen, wird auch in Dill deutlich. Ritter, Hofdamen, Grafen oder Küchenpersonal haben teils weite Wege aus der Schweiz oder Norddeutschland auf sich genommen, um der Einladung des Grafen Johann von Sponheim zu folgen. Dass sie alle so gern nach Dill kommen, liege auch an der tollen Organisation und dem ungewöhnlich hohen Komfort, sagt Selina Konrad, die am Sonntag als Celia von Hermannis Kellede im Lager unterwegs ist. Der Name rührt von ihrem Wohnort Hermeskeil her, der 1220 erstmals als Hermannis Kellede und Hermanniskellede – als Quelle des Hermann also – genannt wurde. „Was die Diller hier auf die Beine stellen, ist wirklich toll“, sagt sie. Für die Lagernden gebe es sogar eine Dusche, die aus Paletten zusammengezimmert wurde – mit Vorhang und Brause. Auch Toiletten gebe es. „Und die sind immer blitzsauber“, sagt sie. „Das ist ein wahres Luxuslager“, findet Celia von Hermannis Kellede.

Am heißen Sonntagmittag hat sie sich zu Magdalena di Agram, die im echten Leben Manuela Burkhardt heißt und aus Pforzheim nach Dill gekommen ist, gesellt. Auch ihr mittelalterlicher Name hat eine besondere Bedeutung: „Magdalena hieß meine Großmutter, und Agram ist der alte Name von Zagreb, wo ich geboren wurde“, erklärt sie. Magdalena di Agram ist eine besonders versierte Stickerin und nimmt Celia von Hermannis Kellede gerade unter ihre Fittiche. „Dieser Austausch und dieses Lernen voneinander, das sind Dinge, die mir am Lagerleben besonders gut gefallen“, sagt Letztere.

Nicht nur im Bereich des Lagers, auch in den Gassen des kleinen Fachwerkdorfes hatten sich die Diller mächtig ins Zeug gelegt, um Besuchern wie Lagernden ein tolles Wochenende zu bieten. Im Pfarrgarten direkt neben der kleinen Kirche luden Schattenplätze zu einem Glas Wein oder einem feinen Stück Kuchen ein. Eine große kulinarische Auswahl hatten die Besucher im Dorf und im Lager, neben dem klassischen Schwenkbraten und der Bratwurst gab es auch Ziegenkäseburger, Falafel, „Gerappte“ mit Apfelmus oder „Gequellte“ mit Quark. An den Marktständen ließen sich tolle Taschen aus Leder, Gürtel, Drachen oder Edelsteine und Salben oder Tinkturen aus Wildkräutern erstehen. In diesem Jahr war auch das Burggelände offen zugänglich – dank der Treppe, die vor etwa einem Jahr eröffnet wurde. Dort drehte sich ein lustiges Kinderkarussell, daneben zeigte ein Schmied sein Können, während die Spielleut Ranunculus für die passende Hintergrundmusik sorgten.

Eine besonders schöne Zuflucht vor der Hitze boten das gesamte Wochenende kleine Konzerte der Harfenistin Regilau in der kleinen Kirche direkt neben der Burg, in der der Sonntag mit einem Gottesdienst eingeläutet wurde. Neben der Harfe war da auch Achim zu hören, der mit seiner Laute spontan „Von guten Mächten“ anstimmte, bei dem die Gottesdienstbesucher gern einstimmten. Gestaltet wurde der Gottesdienst zudem von Pfarrerin Karin Hess-Stoffel und Jolanda Ueck-Emmel an der Orgel.

Die Hitze war es am Ende wohl auch, die dafür sorgte, dass das zweite Historische Ritterturnier zu Dill nicht so gut besucht war, wie erhofft. Wenngleich der Eindruck aufgrund des weitläufigen Markts vielleicht auch täuschte. Dass viele Hunsrücker über das lange Wochenende verreist waren, mag ein weiterer Grund dafür gewesen sein. Am Angebot und an der Stimmung jedenfalls hat es sicher nicht gelegen, dass immer nur wenige Besucher gleichzeitig durch die Gassen flanierten. Dass die Dorfgemeinschaft des gerade einmal gut 200 Einwohner zählenden Dorfes ein derart stimmungsvolles und in jeder Hinsicht rundes Fest auf die Beine gestellt hat, ist beachtlich – „und etwas wirklich Besonderes“, findet nicht nur Celia von Hermannis Kellede.