Vier Unternehmensinsolvenzen im ersten Quartal - Arbeitslosenzahlen vergleichsweise gut - Betriebe setzen auf Nachwuchs
Wirtschaft im Rhein-Hunsrück-Kreis trotzt der Corona-Krise – Betriebe setzen auf Nachwuchs
Sieben Auflagen von „Wildwuchs“ gab es bereits – die achte ist aktuell in Vorbereitung. Achim Kistner vom Regionalrat Wirtschaft ist froh, dass die Unternehmen im Rhein-Hunsrück-Kreis auch in Corona-Zeiten stark auf den Nachwuchs und Auszubildende setzen. Foto: Werner Dupuis
Werner Dupuis

Achim Kistner vom Regionalrat Wirtschaft steht in Kontakt mit vielen Betrieben aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis und beobachtet die Zahlen zu Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Er kann bislang eine gewisse Entwarnung geben: „Viele der mehr als 1000 Betriebe im Kreis, die Kurzarbeit angemeldet haben, haben das vorsorglich getan. Für etliche wird das wohl gar nicht zum Tragen kommen.“

Das Statistische Landesamt Bad Ems hat die aktuellen Zahlen zu Insolvenzen von Unternehmen und Verbrauchern im ersten Quartal vorgestellt. Die Auswirkungen der Corona-Krise schlagen sich in diesen Zahlen für den Rhein-Hunsrück-Kreis noch nicht nieder, allerdings wird landesweit und regional damit gerechnet, dass die Folgen des Coronavirus und der damit verbundenen massiven Maßnahmen sich in den kommenden Bilanzen darstellen werden.

Erstes Licht im Tunnel

Auf dem Arbeitsmarkt zeigt der Anstieg der Arbeitslosenzahlen zwar insgesamt eine deutliche Entwicklung. „Doch selbst von 4,4 Prozent Arbeitslosenquote können andere Regionen in Deutschland nur träumen. Und es gibt ja schon wieder Licht am Ende des Tunnels,“ sagt Kistner mit Blick auf die Zahlen im Rhein-Hunsrück-Kreis. Auch die aktuelle Insolvenzstatistik des Bad Emser Landesamtes weist lediglich vier Unternehmensinsolvenzen im ersten Quartal für die Region aus, gegenüber dem ersten Vorjahresquartal gab es damit nur zwei Insolvenzen von Unternehmen mehr. Der Wert des ersten Quartals bedeutet im statistischen Überblick 0,9 Insolvenzen pro 1000 Unternehmen.

An Verbraucherinsolvenzen gab es im Rhein-Hunsrück-Kreis im ersten Quartal des Jahres ein Dutzend, dies sind 17 weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres – und 1,2 je 10.000 Einwohner. Ebenso wie bei den Unternehmensinsolvenzen liegen die Werte aus der Region Rhein-Hunsrück damit unter dem Schnitt aller Landkreise in Rheinland-Pfalz.

Umfrage zur Zufriedenheit der Menschen im Kreis

Der Regionalrat Wirtschaft hat Ende Mai eine Umfrage beauftragt, die auch vor dem Hintergrund der Corona-Krise interessante Ergebnisse bringen könnte, wenngleich sie grundsätzlich unabhängig von der aktuellen Situation initiiert worden ist. Das Meinungsforschungsinstitut uzbonn aus Bonn wurde beauftragt, eine repräsentative Befragung zur Messung der Lebens- und Arbeitszufriedenheit von Erwerbstätigen im Kreis vorzunehmen. Die Ergebnisse sollen Impulse für die weiteren Aktivitäten im Regionalmanagement und der Wirtschaftsförderung geben.

Die Auswahl der Angerufenen durch das Institut erfolgt dabei nach dem Zufallsprinzip. Die Auswertung der mit Leader-Mitteln geförderten Befragung erfolgt anschließend anonym. „Da die Ergebnisse möglichst repräsentativ sein sollten, bitten wir darum, dass die Angerufenen mitarbeiten“, sagt Kistner. Die ersten Antworten der Befragung mit Bezug zu Corona zeigen erstaunlicherweise eine geringe Besorgnis der Arbeitnehmer im Kreis. Kistner erklärt mit Blick auf die ersten Ergebnisse: „Nur ganz wenige der bisher befragten Personen zeigen sich besorgt um ihren Arbeitsplatz.“

Der Regionalrat rechnet aktuell damit, dass die Folgen der Corona-Krise die Unternehmen mit sehr unterschiedlicher Wucht und Dauer treffen werden. „Die Gastronomie und die Beherbergungsbetriebe, aber auch viele Soloselbstständige im Dienstleistungsbereich wurden durch die Beschränkungen von einem auf den anderen Tag auf null Einnahmen gesetzt“, sagt Kistner. Die meisten von ihnen haben, sofern sie auch entsprechende laufende Kosten nachweisen können, inzwischen die Soforthilfen erhalten, ohne die einige sicher in die Insolvenz geraten wären, erläutert er weiter. „Viele andere Betriebe konnten sich an die Situation anpassen, etwa durch geänderte Schichtpläne. Sie arbeiten aber, teils mit geringerer Produktivität, weiter. Die wenigsten jammern.“ Kistner sagt deutlich: „Die Flexibilität und der Erfindungsreichtum sind schon beeindruckend.“

Ausbildung hat hohe Priorität

Ein wichtiges Thema ist für den Regionalrat die Ausbildung, die seit vielen Jahren unter anderem durch das Projekt „Wildwuchs“ bewusst in den Blickpunkt gestellt wird. Gerade als der Regionalrat Ende März dazu aufrief, dass Firmen sich und die möglichen Ausbildungswege in der als Buch gedruckten achten Auflage der Fibel präsentieren könnten, erfasste die Krise immer mehr Bereiche des öffentlichen, gesellschaftlichen und auch wirtschaftlichen Lebens. Kistner befürchtete zunächst, dass die Ungewissheit in der Wirtschaft zu einer Verringerung der Ausbildungsstellen führen würde, ist nun aber positiv überrascht. Denn es scheint diesen „Einschlag“ auf dem Ausbildungsmarkt so wohl nicht zu geben – zumindest nicht hinsichtlich des Projektes „Wildwuchs“.

Ausführliche Informationen zum Regionalrat Wirtschaft und zum Ausbildungsprojekt „Wildwuchs“ gibt es unter: www.rhein-hunsrueck.de

„In den beiden vergangenen Jahren beteiligten sich jeweils 117 verschiedene regionale Arbeitgeber mit ihren insgesamt rund 150 unterschiedlichen Ausbildungsgängen“, sagt Kistner mit Blick auf das erfolgreiche Projekt. „Und 2020 sind wieder mindestens genauso viele dabei. Gerade in diesem Jahr, wo andere wichtige Informationsquellen der Berufsorientierung wie Ausbildungsmessen, Schulpatenschaften, persönliche Beratungen durch „Jobfüxe“ oder Arbeitsagentur nicht oder nur eingeschränkt zugänglich sind, nimmt Wildwuchs eine besonders große Rolle ein.“ Kistner ergänzt dazu: „In solchen schwierigen Zeiten gehören aus meiner Sicht – neben vielem anderen – Zuversicht und Vertrauen in die eigenen Stärken für die Unternehmen dazu, um möglichst gut aus der Krise zu kommen. Und was könnte mehr Zuversicht vermitteln, als wenn man Jugendliche für sich und ein Berufsleben im eigenen Betrieb zu begeistern versucht?“

Freude über Interesse an Azubis

Kistner ist der Ansicht, dass es fatal wäre, wenn die Region Jugendlichen, die gerade, oft unter extrem erschwerten Bedingungen, ihre Schulabschlüsse geschafft hätten, keine beruflichen Perspektiven bieten könnte. Umso mehr freut es ihn, dass einige kleine Betriebe, nicht zuletzt aus dem Handwerk, neu in „Wildwuchs“ vertreten sein wollen. Die regionale Wirtschaft will sich auch dank eines starken Nachwuchses gegen die Corona-Krise stemmen.

Von unserem Chefreporter Volker Boch

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