38 Jahre Lebensberatung
Wie Beate Dahmen aus Simmern das Leid bekämpfte
Mit Körbchen, Gartenschere und Strohhut sieht sich Beate Dahmen ihre Rosen schneiden, wenn sie ab 1. Juli im Ruhestand ist.
Werner Dupuis

38 Jahre lang war Beate Dahmen bei der Lebensberatung, 25 Jahre davon als Leiterin der Beratungsstelle in Simmern. In dieser Zeit hat sie eine ganze Menge erlebt mit den Menschen im Rhein-Hunsrück-Kreis – und hat davon so einiges zu berichten.

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Eigentlich wollte Beate Dahmen Gemeindereferentin werden. Doch dann kam ihr quasi ihre Diplomarbeit dazwischen. „Dabei habe ich mich mit der Frage nach dem Leid in der Welt auseinandergesetzt“, sagt sie. Und daraus wurden am Ende 38 Jahre bei der Lebensberatung, davon 25 Jahre als Leiterin der Beratungsstelle in Simmern. Zum 1. Juli geht Dahmen in den Ruhestand.

„Die Auseinandersetzung mit dem Thema hat mich damals sehr bewegt“, sagt sie. Die Frage „Und dieser Gott soll Liebe sein?“, mit der sie sich damals befasst hatte, hat sie auf die Frage nach Heilungsmöglichkeiten gebracht. „Allein das Gebet kann nicht die Lösung sein, so unmittelbar kann sie nicht sein“, war sie sich damals sicher. Doch wo ist etwas Heilsames? Mit dieser Frage ist sie auf die Beratungsschiene gekommen. „Ich wollte eine Hilfe sein bei der Wegsuche, als Gesprächspartnerin“, sagt sie. Und das war der Auslöser dafür, zur Lebensberatung zu gehen. Letztendlich wurde Dahmen Diplom-Sozialpädagogin, Diplom-Religionspädagogin, Erziehungsberaterin, Paar- und Familientherapeutin und Körpertherapeutin.

Da dachte ich: Oje, jetzt muss ich noch eine Sprache lernen.
Als Beate Dahmen in den Hunsrück zog, war ihr Hunsrücker Platt fremd

Zuerst war Dahmen in Bad Kreuznach eingesetzt. Als dann in Simmern eine Stelle frei wurde, sagte sie zu. Anfangs aber pendelte die gebürtige Nordrhein-Westfälin noch aus Mainz in den Hunsrück. „Aber irgendwann habe ich diese zwei Welten nicht mehr zusammengebracht“, sagt sie.

Bei einer ihrer ersten Beratungen habe eine Frau gesagt, sie sei wegen „mäine Kinn loh“. „Da dachte ich: Oje, jetzt muss ich noch eine Sprache lernen“, lacht sie mit Blick auf das Hunsrücker Platt. Da war der Umzug in ein Hunsrücker Dorf naheliegend – und am Ende hilfreich. „Ich habe die Hunsrücker von Anfang an sehr geschätzt, auch ihre Lebensweise“, sagt Dahmen. Doch die Lebenswelten seien heute angepasster, findet sie. Und das zeige sich auch an den Beratungsanlässen.

Partnerschaftsthemen waren früher seltener

Früher seien die Mehrgenerationenhäuser etwa ein großes Thema gewesen. „Da sprach ich mit Frauen darüber, dass die Schwiegermutter ihren Sohn morgens noch weckt und es keine Zwischentüren gibt“, erzählt Dahmen. Frauen beklagten sich, dass sie ihren Mann wegen jeder Bluse fragen müssten, die sie sich kaufen wollten. „Wenn ich den Frauen gesagt habe, dass sie auf jeden Fall ein Taschengeld bekommen sollten, haben mir die Männer auch mal gedroht“, sagt sie.

Andere seien über den Hausarzt oder über die Probleme ihrer Kinder zur Lebensberatung gekommen. „Probleme in der Schule oder die Diagnose Minimale cerebrale Dysfunktion (MCD) – heute ADHS –, waren damals quasi Modeerscheinungen“, sagt Dahmen. Die Kinder funktionierten nicht richtig, es gab viele Ängste. „Das waren häufig die Aufhänger“, sagt sie – vor allem bei Menschen aus dem „gebildeteren Milieu“. Partnerschaftsthemen hingegen waren seltener Grund für Anmeldungen bei der Lebensberatung. „Damals gab es noch seltener Trennungen“, macht sie deutlich, solche Themen seien auch nicht so sehr nach außen getragen worden. „Heute werden Konflikte offener angesprochen“, weiß sie.

Dinge in der Tiefe auszuloten, das kam mir entgegen.
Beate Dahmen

Anfangs stand für Dahmen die psychotherapeutische und tiefenpsychologische Arbeit im Vordergrund. „Das hat auch gut zu der Leidfrage gepasst“, sagt sie. Tiefgehende, lange Wege mit den Klienten zu gehen und diesen Prozess bis zum Ende zu gehen, war für die Pädagogin durchaus erfüllend. „Dinge in der Tiefe auszuloten, das kam mir entgegen“, sagt sie. Auch, weil sie dabei viel gelernt hat über Lebensweisen und Strategien der Menschen. Und großen Respekt davor gewinnen konnte: „Es gibt Menschen, die haben trotz sexuellen Missbrauchs oder schwerer Misshandlung echten Lebensmut und geben nicht auf“, ist Dahmen fasziniert. Die Resilienzforschung findet sie bis heute spannend.

Umschlagplatz für Lösungsideen

Ihr Zimmer in der Simmerner Gerbereistraße ist über die Jahre zu einem wahren Umschlagplatz für Lösungsideen geworden. „Heute arbeite ich nicht mehr in dem Ausmaß tiefenpsychologisch wie am Anfang“, sagt sie. Viel eher entwickle sie Lösungen gemeinsam mit dem Klienten oder stößt dazu an, dass dieser selbst eine findet. „Irgendwann kommen die Kreativität, das Lachen und der Humor wieder zurück – und die Energie, etwas Neues zu probieren“, sagt Dahmen. Und mit ihren Klienten ist auch sie gewachsen.

Ich mag es, wie die Menschen hier ticken, wie sie denken und wie sie ihr Leben gestalten.
Beate Dahmen

„Ich hatte großes Glück“, sagt Dahmen. Denn sie hat im Hunsrück eine Heimat gefunden. Und das, obwohl sie eigentlich gar nicht vorhatte, so lange zu bleiben. Aber am Ende hat alles gepasst: „Ich mag es, wie die Menschen hier ticken, wie sie denken und wie sie ihr Leben gestalten“, sagt sie.

Glück aber hatte sie auch in ihrer Berufswelt: „Ich hatte viel Gestaltungsspielraum, und als Leiterin konnte ich viele Dinge, die den Menschen im Hunsrück das Leben schwer machen, in die Politik weitertragen“, sagt sie. Dabei hat sie immer gute Kooperationspartner gehabt und mit dem Frauenforum etwa den Frauennotruf ins Leben gerufen. Die Kreisverwaltung habe dabei immer gut mitgearbeitet, ist Dahmen froh. „Überhaupt suchen die Netzwerke hier im Rhein-Hunsrück-Kreis ihresgleichen“, ist sie sicher. Lange und gute Beziehungen, die haben hier eine lange Tradition, sagt sie. Zum Glück: „Denn gemeinschaftlich kriegt man viel bewegt“, sagt Dahmen.

Eva Glocker wird Nachfolgerin

Nach 38 Jahren bei der Lebensberatung geht Beate Dahmen zum 1. Juli in den Ruhestand. Die Leitung übernimmt dann die Psychologin Eva Glocker, die zuletzt auf der Palliativstation im Klinikum Mittelmosel in Zell gearbeitet hat.

Die Lebensberatungsstelle befindet sich in Trägerschaft des Bistums Trier, der Rhein-Hunsrück-Kreis und das Land Rheinland-Pfalz beteiligen sich an den Kosten. Sie hat ihren Sitz in der Gerbereistraße 4 und ist erreichbar unter Tel. 06761/4344 oder per E-Mail an lb.simmern@bistum-trier.de. Weitere Infos gibt es unter www.lebensberatung.info/simmern

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