Genau zu diesen Fragen hat Pastoral Tobias Petry vom Pastoralen Raum Sankt Goar einen Elternabend veranstaltet. Er möchte die Eltern bei diesem Thema unterstützen und ihnen die richtigen „Werkzeuge“ an die Hand geben. Ursprünglich hatte Petry nur Erzieher der katholischen Kindertagesstätte St. Hildegard begleitet, damit diese auf mögliche Fragen der Kinder vorbereitet sind. Doch dann äußerte eine Mutter den Wunsch nach einem Informationsabend zum Thema Tod und Trauer bei Kindern.
Laut Petry ist der Tod ein wichtiges Alltagsthema, denn: „Jedes Leben ist begrenzt und was folgt ist der Tod. Geburt und Tod gehören also gleichermaßen zum Leben dazu.“ Doch für viele ist der Tod ein Tabuthema, über das nie freiwillig gesprochen wird. Darin liegt jedoch der Fehler, meint Petry. Denn auch Kinder werden bereits in jungen Jahren mit dem Tod konfrontiert.
„Das Thema Tod begegnet uns auch immer im Alltag“, sagt der Pastoral. Und er könne mit Abschieden verglichen werden. Auch im Alltag von Kindern gebe es immer wieder kleine und große Abschiede. Wenn ein Kind einen Stein findet und ihn im Wald zurücklassen muss, ist es für das Kind ein Abschied. Zwar ein kleiner, aber doch – zumindest für das Kind – bedeutsamer. Wenn ein Vogel im Kindergarten gegen die Scheibe fliegt und stirbt, ist auch das ein Abschied, durch den Kinder lernen.
Kindern können Endgültigkeit des Todes oft nicht einschätzen
Wenn ein Haustier stirbt, kann das schon mit einem großen Abschied verglichen werden. Die Art und Weise der Abschiede funktioniert für Kinder gleich und die Strukturen der kleinen können auf große Abschiede übertragen werden. Doch meist können Kinder die Endgültigkeit der Abschiede und damit auch des Todes nicht einschätzen und trauern daher anders als Erwachsene.
„Wenn Erwachsene Trauerprozesse oft mit dem Waten durch einen Fluss vergleichen, dessen Ufer nicht zu erkennen ist, dann stolpern Kinder in Pfützen der Trauer hinein und springen wieder weiter.“ Mit diesem Zitat der Kinderbuchautorin Gertrud Ennulat verdeutlicht Petry, dass der Trauerprozess von Kindern nicht mit dem der Erwachsenen zu vergleichen ist und dass Erwachsene so oftmals das Gefühl haben, dass Kinder den „Ernst der Lage nicht begreifen“. Das tun sie laut Petry aber, nur eben auf ihre Weise.
Dabei sei wichtig, dass Eltern bei ihrem Kind auf die Entwicklungspsychologie achten. Sprich: Wie alt ist das Kind, welche Wahrnehmungen und Eigenschaften besitzt es schon? Laut Petry beeinflusst all das die Art des Trauerns. Er erklärt: Kinder zwischen ein und drei Jahren ordnen den Tod eher als eine Reise oder einen Schlaf ein und können nicht unterscheiden zwischen 'Der Mensch ist kurz weg und der Mensch ist tot'. Kinder zwischen drei und fünf Jahren hingegen haben schon mehr Bewusstsein für den Tod und sind vor allem neugierig. Oft wird der Tod auch personifiziert. Das meint, dass Kinder sich zum Beispiel als Engel oder Skelett verkleiden und dabei gar nicht wissen, dass sie den Tod als eine Person darstellen. Sie nehmen aber auch die Trauer der Eltern wahr und merken, dass etwas nicht stimmt.
Im Alter von fünf bis acht Jahren können Kinder dann die Endgültigkeit des Todes immer mehr nachvollziehen und auch Todesfälle in ihrem eigenen Umfeld mit ihrem eigenen Leben in Verbindung bringen. „Die Katze meines Freundes ist gestorben, jetzt stirbt bei mir sicher auch jemand.“ Jedes Kind ist anders und nimmt Dinge anders wahr, daher müssen Eltern laut Petry schauen, wie weit ihr Kind den ganzen Prozess der Trauer und des Todes an sich selbst empfindet und nachvollziehen kann.
Doch wie sollen Eltern denn jetzt mit der Trauer ihres Kindes umgehen? Für Petry gibt es dabei zwei Wege. Möglichkeit eins ist es, die Fragen des Kindes zu spiegeln, sprich, wenn das Kind fragt „Wo ist Oma denn jetzt?“ dann sollen Eltern die Gegenfrage stellen, beispielsweise mit einem „Was meinst denn du?“. Auf diese Weise erfahren Eltern mehr über die Vorstellungen, die ihr Kind vom Tod hat, und können dann dort ansetzen. Oft sind die Vorstellungen des Todes mit Kälte, Dunkelheit und Alleinsein verbunden. Doch genau diese gilt es umzuwandeln in etwas Positives. „Christen würden das Bild des hellen Himmels beschreiben, in dem man nicht allein ist, sondern alle Verstorben wieder trifft. Nichtgläubige beschreiben vielleicht etwas anderes als den Himmel, es sollte jedoch etwas Positives vermitteln und keine Angst“, erläutert Petry.
Die zweite Möglichkeit ist es, dass Eltern ihren Kindern ehrlich gegenüber auftreten und sich nicht verstellen. Kinder merken, wenn etwas nicht stimmt und so stark Eltern auch sind, Trauer lässt sich nicht verstecken. Für Kinder ist es oft auch einfacher, wenn sie sehen „meine Eltern sind genauso traurig wie ich, ich bin also nicht allein“. „Oftmals sind Verschönerungen und erfundene Geschichten eher kontraproduktiv“, erklärt der Pastoral mit Blick darauf, dass Eltern etwas erzählen, was sie selbst nicht glauben. Denn dann können sie es auch nicht glaubwürdig an ihre Kinder weitergeben. Aussagen wie „Opa war im Krankenhaus als er gestorben ist“ könnte das Bild vom Krankenhaus vermitteln, in dem Menschen sterben, statt geheilt zu werden. Oder wenn man sagt „Unsere Katze ist friedlich eingeschlafen“ könnte das bei Kindern eine Angst vor dem Einschlafen fördern. Zudem hätten Kinder auch das Recht darauf zu erfahren, was vor sich geht, meint Petry.
„Es ist wichtig, dass Kinder wissen, dass sie Fragen stellen dürfen. Oft wird das Thema totgeschwiegen, bis es dann plötzlich zur Realität wird.“ Petry ist der Ansicht, dass man über den Tod und die Trauer im Alltag sprechen soll. „Es gibt tolle Kinderbücher, die ganz unterschiedliche Szenarien beschreiben, und die die Eltern dann passend aussuchen können.“ Die Grausamkeit und den Schmerz des Todes würde man dabei nicht kleinreden, aber man würde den Kindern die Endgültigkeit auf diese Weise näherbringen.
Laut Petry gibt es zwei Dinge im Umgang mit trauernden Kindern, die man nicht machen soll. Das Erste wäre, wenn man die Trauer der Kinder nicht ernst nimmt. „Egal ob ein Haustier, ein Insekt oder ein geliebter Mensch gestorben ist, man sollte die Situation nie versuchen zu verharmlosen und den Kindern das Gefühl geben, dass sie nicht traurig sein dürfen.“ Auch sei Wut oft eine Reaktion von Trauernden, und dabei sollten Eltern auch darauf achten, dass sie ihr Kind in dem Moment nicht zurechtweisen, ihnen nicht sagen, dass sie nicht auf den Verstorbenen wütend sein dürfen.
Stattdessen sollten sie ihrem Kind das Gefühl geben, dass es okay ist, wütend auf die Situation zu sein und dass sie selbst es vielleicht auch sind. Das zweite No-Go: den Kindern das Thema Tod zwanghaft aufdrücken zu wollen. Er ist dafür, dass man ihnen im Alltag spielerisch die Situation näherbringen sollte, statt sie plötzlich damit zu überfallen und zu sagen: „So wir müssen da jetzt ganz ernst drüber sprechen“.
In der Arbeit mit Kindern sei es wichtig, ihnen eine Hoffnungsperspektive zu geben, sie an die positiven und schönen Momente zu erinnern und ihnen die Angst vor dem Tod etwas zu nehmen und sie zu begleiten. „Das Thema betrifft jeden von uns und bevor es uns den Boden unter den Füßen wegreißt, sollten wir uns so gut es geht darauf vorbereiten“. Eltern sollten den Mut haben, sich dem Thema zu nähern, sagt Petry. Und manchmal könnten Kinder ihren Eltern auch Trost spenden, wenn sie erzählen, wie sie sich den Himmel vorstellen.
Wenn es um das Thema Abschied nehmen vom toten Körper und um die Beerdigung geht, sind sich viele Eltern auch oftmals nicht sicher, ob ihr Kind dabei sein soll oder nicht. Auch hier ist Petry der Meinung, dass es ganz auf das Kind ankommt. „Vielen hilft es so vielleicht besser zu verstehen, dass die Oma jetzt nicht mehr da ist.“ Wenn die Kinder beim Abschied am offenen Sarg sehen, das ist gar nicht mehr der Mensch, der immer mit ihnen gespielt hat, kann die Endgültigkeit besser begriffen werden.
Eltern sollten die eigene Trauer nicht unterdrücken
„Wichtig ist dabei aber zu vermitteln, dass nur der Körper der Oma unter der Erde liegt, dass was sie als Mensch ausgemacht hat, ist zum Beispiel bei Christen als Seele in den Himmel gegangen“, erklärt Petry. Und wenn Kinder das verstanden haben und fragen, was mit dem Körper unter der Erde passiert, dann könne man auch den biologischen Prozess erklären.
„Erwachsene stellen sich immer das Worst-Case-Szenario vor, wenn Kinder fragen. Dabei sind die einfach nur neugierig und wollen eben verstehen, was passiert“, sagt der Pastoral. „Das Wichtigste ist, dass man differenziert zwischen dem Körper und dem Menschen. Bei der Trauer kann es helfen, über die Person und die mit ihr verbundenen Erinnerungen zu sprechen. Bilder können helfen, etwas Positives zu schaffen. Die Grausamkeit geht dabei nicht weg, aber es kann Trost spenden.“ Auch hier empfiehlt der Pastoral Kinderbücher, die helfen können, Bilder zu schaffen.
„Wichtig ist jedoch zu betonen, dass Eltern nicht auf die Trauer ihres Kindes, sondern auch auf ihre eigene achten sollen“, so Petry. Wenn sie am Tag der Beerdigung das Gefühl hätten, dass sie das nicht schaffen, dann sei das okay. Dann könne man sich Hilfe und Hilfe im Freundes- oder Bekanntenkreis holen. Aber auch professionelle Unterstützung sei eine Option. Wichtig sei es, die eigene Trauer nicht zu unterdrücken, denn auch sie hätten einen geliebten Menschen verloren.