Thorsten Heyer und Michael Heyer-Bach, die den Katzenturm 2022 gekauft haben, nahmen den Preis in Köln entgegen. Sie bewohnen in dem 1350 erbauten Turm, der Teil der historischen Stadtmauer Oberwesels ist, insgesamt 47 Quadratmeter – verteilt auf vier Etagen. Das erfordert optimale Ausnutzung des zur Verfügung stehenden Platzes. Aber schließlich gehört das zum Berufsbild des Interieur-Designers Thorsten Heyer.
Das historische Schmuckstück mit einzigartigem Charme und moderner Innenausstattung, überzeugte den HGTV-Moderator Guido Heinz Frinken und die Jurymitglieder Tine Wittler und Bruce Darnell auf ganzer Linie. „Ob klein oder groß, traditionell oder modern, clean oder verspielt – wir haben wieder einzigartige Wohnhäuser in ganz Deutschland besucht, um das Haus des Jahres 2023 zu küren”, berichtete Moderator Guido Heinz Frinken in der Sendung am vergangenen Montag.
„Neben der außergewöhnlichen Architektur, der facettenreichen Inneneinrichtung und dem Wohlfühlfaktor hat mich der Katzenturm in Oberwesel beeindruckt und hat den Platz 1 verdient”, so Frinken. „Der Katzenturm ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie man historische Bausubstanz mit modernem Wohnkomfort verbinden kann. Wir sind begeistert von der Kreativität und dem Mut der Turmherren, die aus einem alten Wehrturm ein gemütliches Zuhause gemacht haben“, lobt Jurymitglied Bruce Darnell.
Im Finale durchgesetzt
Die Sendung „Haus des Jahres” geht bereits in ihre dritte Staffel mit insgesamt acht Einzelepisoden. In jeder Folge besucht die Fachjury drei völlig unterschiedliche Häuser in verschiedenen Regionen Deutschlands. Dabei nehmen sie die Architektur und die Einrichtung genau unter die Lupe. Und in der Finalrunde setzte sich der Katzenturm unter anderem gegen ein Bauhaus-Gebäude bei Stuttgart, ein schmuckes Altstadthaus in Lübeck und ein für 2,4 Millionen Euro umgestaltetes Hausboot aus Norddeutschland durch.
Die 80.000 Euro für die Umgestaltung des historischen Wehrturms in Oberwesel muten dagegen bescheiden an. „Ich hätte nie gedacht, dass wir mit unserem Katzenturm am Ende den Sieg davontragen“, erzählt Thorsten Heyer im Gespräch mit unserer Zeitung. MGTV sei auf ihn und seinen Partner zugekommen, nachdem ihr Katzenturm im SWR-Fernsehen im Rahmen der Sendung „Room-Tour“ vorgestellt worden war.
Ihren ungewöhnlichen Wohnturm haben Thorsten Heyer und sein Ehemann Michael Heyer-Bach eines Abends im Internet entdeckt. Direkt am nächsten Tag machten sie einen Besichtigungstermin aus, fuhren nach Oberwesel und wurden mit dem Vorbesitzer, einem Künstler aus Nastätten, schnell handelseinig.
„Am 8. Oktober 2022 haben wir den Schlüssel bekommen und wollten erst einmal ein Wochenende im Turm verbringen. Doch ihre alte Wohnung in Rheinhessen zwischen Wörrstadt und Alzey sahen sie ab dann nur noch, wenn sie dort Dinge abholten, die sie benötigten. Gleichwohl dauerte es mit dem Beginn der Umgestaltung ihres neuen Domizils noch bis Februar 2023. Acht Wochen später war der Turm durchrenoviert, „und wir hatten in der Zeit nahezu alle Ferienwohnungen in Oberwesel kennengelernt“, schmunzelt Thorsten Heyer.
Gereizt hat den Interieur-Designer, aus dem ehemaligen Verteidigungsturm, der in den 1860er-Jahren vom französischen Botschafter in Berlin, Graf de Reiset, zu Wohnräumen umgebaut worden war, eine Wohnfläche mit Wow-Effekt zu gestalten. Der Katzenturm ist einer von 16 Türmen in Oberwesel und steht unmittelbar neben dem größten Wehrturm, dem Ochsenturm. „Das ist der große Bruder unseres Katzenturms“, so Heyer.
Zu dem einzigartiges Wohnerlebnis trägt bei, dass jedes Detail mit Bedacht gewählt wurde, um den historischen Charakter des Gebäudes mit modernem Design zu verbinden. „Jede Etage hat ein anderes Interior-Konzept. Diese Abwechslung ist dadurch gegeben, da jeder Raum einem Thema gewidmet ist, was uns viel bedeutet, und viele Erinnerungen weckt“, erklärt Thorsten Heyer.
Und weil sich an runden Wänden nur schwer Bilder aufhängen lassen, müssen die Tapeten eben für besondere Noten sorgen. Der draußen vorbeifließende Rhein findet sich in Motiven beispielsweise an der Wand im Fernsehzimmer wieder, in dem die beiden pinkfarbenen Wohlfühlsessel ins Auge springen und die zur Ginbar umfunktionierte Kinderschiffschaukel, die über Kleinanzeigen aufgespürt wurde.
Schafzimmer unterm Dach
Solcherlei Details finden sich überall in dem historischen Gemäuer, in dem auch das Schlafzimmer eine Besonderheit darstellt. Es heißt nämlich eher „Schafzimmer“ und besticht durch die Wandgestaltung mit einer Schaftapete. Für Thorsten Heyer haben Schafe eine besondere Bedeutung, denn er verdingt sich regelmäßig auf der Schwäbischen Alb als Schafhirte. So wird eben aus dem Schlaf- ein Schafzimmer.
Schafe zu zählen, um besser einschlafen zu können, ist übrigens hier oben unterhalb der Dachterrasse längst nicht mehr nötig. Erstens käme man immer auf dieselben Anzahl, erzählt Thorsten, und außerdem habe man sich längst an das gewöhnt, was Menschen am Mittelrhein mitunter zum Verlassen ihrer Heimat veranlasst hat: den Bahnlärm. „Wir haben Schallschutzfenster und 1,50 Meter dicke Wände“, sagt Thorsten. Im Übrigen sei der Bahnlärm ganz oben im Turm am leisesten.
„Dafür wackeln hier bei jedem Güterzug die dicken Mauern. Das Bett vibriert. In der ersten Nacht sind wir da schon ein ums andere Mal zusammengezuckt“, sagt Thorsten. Schnell habe man verinnerlicht, dass sich Gläser und Porzellan tunlichst nicht berühren sollten, denn bei jedem vorbeifahrenden Güterzug würde es sonst im Schrank nervig klingeln.
Die modernen Personenzüge der Mittelrheinbahn „schleichen dagegen wie ein Kätzchen“ wenn sie den Katzenturm passieren. „Die Lokführer kennen uns schon, sie schicken uns sogar manchmal Nachrichten“, erzählt Thorsten. Und überhaupt: „Die Motorräder auf der B 9, die auf satten Sound getunt sind, nerven viel mehr.“
Doch trotz Bikern und Bahn lasse sich oben auf der Dachterrasse wunderbar zur Ruhe kommen. Dann schweifen die Blicke durchs Welterbetal. Und auf dem Turm weht die Regenbogenfahne, denn die Turmherren wollen Oberwesel bunt machen. Thorsten und Michael beziehen Stellung und setzen mit der Regenbogenfahne ein wichtiges Zeichen, gerade in der jetzigen Zeit, um ihre Meinung zu äußern und für die Werte einzutreten, die ihnen wichtig sind.
Gute Nachbarn und Heimatgefühl
Natürlich bietet das Paar mit seinem Katzenturm, seiner Lebensform und dem bunten und polarisierenden Interior-Konzept Gesprächsstoff in der konservativ geprägten Stadt der Türme und des Weines. Die Menschen in Oberwesel sind den beiden längst ans Herz gewachsen. Der Katzenturm ist für sie die Bleibe fürs Leben. „Wir haben gute Nachbarn gefunden und empfinden hier ein echtes Heimatgefühl“, bekennen Thorsten und Michael, deren besonderes Heim nun deutschlandweite Bekanntheit erlangt hat.
Überregional von sich reden macht Oberwesel schon seit vielen Jahren durch das Mittelalterliche Spectaculum, das die Katzenturmbewohner im vergangenen Jahr erstmals hautnah miterleben konnten. „Wir haben uns schon eine Mittelalterkluft zugelegt“, erzählt Thorsten Heyer. Fürs nächste Spectaculum dieses Jahr an Pfingsten sind die beiden also schon mal ausstaffiert, und natürlich wird dann auch die Spectaculum-Fahne, die diesmal einen Ritter mit Helm in Regenbogenfarben ziert, auf der Dachterrasse gehisst. tor/red