Kreistag fasst Resolution an Kassenärztliche Vereinigung - Diakonie rechnet mit Belastung durch Patientenzustrom in Klinik
Weiterer Protest im Rhein-Hunsrück-Kreis: Erhalt der Bereitschaftspraxis Emmelshausen gefordert
Die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV) will die Bereitschaftsdienstpraxis in Emmelshausen zum 1. Januar 2024 schließen.
Archiv Philipp Lauer

Rhein-Hunsrück. Die Schließung der Praxis des ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD) in Emmelshausen sorgt weiter für Protest im Rhein-Hunsrück-Kreis. Nun hat auch der Kreistag eine Resolution zum Erhalt der Praxis gefasst. Die Kreuznacher Diakonie rechnet mit einer zusätzlichen Belastung der Notaufnahme der Hunsrück-Klinik in Simmern.

Philipp Lauer

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz hatte im November angekündigt, diese und sechs weitere Praxen im Land zum Ende des Jahres zu schließen (wir berichteten). Daraufhin haben zunächst die Stadt Oberwesel, dann die Verbandsgemeinde (VG) Hunsrück-Mittelrhein und zuletzt in dieser Woche auch der Kreistag einstimmig eine Resolution gegen die Schließung des ÄBD in Emmelshausen verabschiedet.

Auftrag zur Daseinsvorsorge

In der Resolution stellt der Kreistag fest, man könne eine Schwächung der ärztlichen Versorgung nicht akzeptieren. Zu einer „ordnungsgemäßen ärztlichen Versorgung“ zähle insbesondere auch ein ausreichender Bereitschaftsdienst. Dieser sei ein „gesetzlicher Auftrag der Daseinsvorsorge“ und dürfe nicht aus finanziellen Erwägungen eingeschränkt werden. Man könne nicht akzeptieren, dass Hilfe suchende Patienten an die Krankenhäuser und den Rettungsdienst verwiesen werden.

„Der Kreistag erwartet und wünscht einen uneingeschränkten Fortbestand der Bereitschaftsdienstzentrale in Emmelshausen, die Gewährleistung einer flächendeckenden Gewährleistung der ärztlichen Versorgung, auch im ländlichen Raum und auch außerhalb der üblichen Dienstzeiten“, ist es in der Resolution formuliert.

Etwaige Änderungen bei der Versorgung sollten mit den betroffenen Kommunen besprochen werden, um Lösungen zur Versorgung der Bürger zu erreichen, erwarte man im Kreis. Damit reagiert der Kreistag auf den Umstand, dass viele Beteiligte vor Ort aus unserer Zeitung von der Schließung erfahren haben. Die Verwaltungen habe die KV erst mit Verzögerung per E-Mail darüber informiert.

Die KV begründet die Schließung der Praxen unter anderem mit einem Urteil des Bundessozialgerichts. Dieses hat zur Folge, dass die KV für die sogenannten Poolärzte, nicht niedergelassene Ärzte, die einen Großteil des Bereitschaftsdiensts leisten, Sozialversicherungsabgaben zahlen muss. Das sei doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit, wurde es etwa im Zusammenhang mit der Resolution der VG Hunsrück-Mittelrhein formuliert. Auch der Kreistag bezieht sich darauf in seiner Resolution. Man erwarte und wünsche, „die Gewährleistung guter Arbeitsbedingungen und somit auch die ordnungsgemäße Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen für unselbstständig tätige Ärztinnen und Ärzte“.

Im Gegenzug versichert der Kreistag der Ärzteschaft in der Region, gute Bedingungen zur Niederlassung schaffen zu wollen. Als ein Beispiel sind etwa die Stipendien für Medizinstudenten zu sehen, die sich verpflichten, für eine bestimmte Zeit nach dem Studium im Kreis zu arbeiten. Dieses versichert der Kreistag weiterzuführen. Zudem verspricht der Kreistag in der Resolution, sich weiter für die Belange der Ärzte und die Stärkung der gesundheitlichen Versorgung in der Region einsetzen. Kreistagsmitglied Axel Strähnz erklärte: „Wir wollen versuchen, die KV umzustimmen.“

Als eine mögliche Folge der Schließung warnten die Beteiligten in den Gremien davor, dass Patienten künftig häufiger Notaufnahmen der Krankenhäuser der Region aufsuchen oder den Rettungsdienst rufen werden, wenn sie sich nicht anders zu helfen wissen. Damit rechnet auch die Kreuznacher Diakonie, Träger der Hunsrück-Klinik in Simmern, wie die Pressestelle auf unsere Anfrage mitteilt. „Grundsätzlich liegt die ambulante Versorgung – auch außerhalb der normalen Sprechzeiten – in den Händen der Haus- und Fachärzte. Trotzdem rechnen wir damit, dass sich insbesondere zu Beginn der Umstellung deutlich mehr Patienten in der Notaufnahme vorstellen werden, vor allem an den Wochenenden und in der Nacht.“

Das liege zum einen daran, dass Menschen sich nicht so gut in den Gesundheitssystemen auskennen und deshalb die Notaufnahmen aufsuchen. Zum anderen falle Laien oft die Entscheidung schwer, ob hinter ihren Symptomen ein Notfall oder eine weniger schwere Erkrankung steckt. „Gerade bei solchen Unsicherheiten liegt es nahe, sich an eine Notaufnahme zu wenden“, beschreibt es die Kreuznacher Diakonie.

„Die Notaufnahmen sind für die Versorgung von schwer erkrankten Menschen da, die eine sofortige medizinische Behandlung benötigen, also zum Beispiel bei Verletzungen und Brüchen nach einem Unfall oder weil Symptome auf einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall hinweisen.“ Auch die Hunsrück-Klinik arbeite bei der Ersteinschätzung des Krankheitszustandes von Notfallpatienten nach dem international verwendeten Manchester-Triage-System. Auch die Entscheidung, welcher Patient im Krankenhaus aufgenommen, ambulant behandelt oder gegebenenfalls an den Hausarzt verwiesen wird, erfolge anhand der Dringlichkeit.

„Ein zusätzlicher Patientenzustrom von Menschen, die beim Haus- oder Facharzt viel besser aufgehoben sind, wird dieses System weiter belasten und könnte die Versorgung schwer kranker Notfallpatienten erschweren. Denn dadurch verlängern sich auch für andere Patienten die Wartezeiten auf Diagnose und Behandlung.“

Vermieterin von Zeitung informiert

Dass die Bevölkerung in der Region letztlich die Folgen der Praxisschließung ertragen muss, davon geht auch die Vermieterin der Bereitschaftspraxis in Emmelshausen aus, berichtet sie im Gespräch mit unserer Zeitung, namentlich erwähnt werden will sie nicht. Ihrem Einblick nach herrsche oft viel Betrieb in der Praxis. Seit 2019 habe sie die insgesamt rund 100 Quadratmeter großen Räume an die KV vermietet. Von der beabsichtigen Schließung der Praxis habe auch sie aus der Zeitung erfahren. Die schriftliche Kündigung zum Jahresende habe sie erst später per Einschreiben erhalten. Die Kündigungsfrist von drei Monaten sei damit nicht eingehalten worden. phl

Unter der Telefonnummer 116.117 kann man rund um die Uhr fachliche Beratung zu vorliegenden Symptomen und Beschwerden und dem weiteren Vorgehen bekommen, informiert die Kreuznacher Diakonie. Bei Notfällen oder sollte Lebensgefahr bestehen, müsse hingegen unbedingt der Rettungsdienst unter der Notrufnummer 112 alarmiert werden.

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