Was sie in der Unterkunft vorfinden, überrascht selbst den Fahrertrupp. „Ja, ist denn hier schon Weihnachten?“, fragt einer der Fahrer verdutzt, als ihm kurz nach der Ankunft bereits zwei 16-jährige Geflüchtete freudestrahlend mit neuen Turnschuhen, einer Spielkonsole und neuen Klamotten entgegenkommen. Mitarbeiterinnen des Rheinböller Unternehmens hatten offenbar mehr als nur tolle Vorarbeit geleistet. „Sie haben eine regelrechte Kleiderkammer eingerichtet, haben Spielsachen organisiert, bereits erste Gespräche mit der Kreisverwaltung geführt und eine Dolmetscherin organisiert“, berichtet einer der Helfer baff ob der guten Organisation.
Denn damit hatte auch er nicht gerechnet, gibt er zu. Doch das mache deutlich: „Es ist nicht nur damit getan, die Menschen herzuholen und ihnen eine Unterkunft zu geben. Es gibt jede Menge zu organisieren, vor allem dann, wenn man die Geflüchteten so schnell wie möglich integrieren will“, macht der Fahrer deutlich.
Nächste Woche geht’s zum Training
Die beiden 16-Jährigen sind regelrecht verrückt auf Fußball, erzählt der Mann aus Dill weiter. Als er das erfährt, wird nicht lang gefackelt: „Ab nächster Woche dürfen sie im Rheinböllener Verein mittrainieren“, berichtet er. Und am Samstag wird er sie einpacken, und mit ihnen eine Fahrt nach Kaiserslautern machen – ins Stadion, versteht sich. „Wir wollen, dass sie sich möglichst schnell hier einleben und sich wohlfühlen“, sagt der Diller.
Bei all den positiven Wendungen für diese Familie und die anderen Geflüchteten – was der Diller und seine Mitstreiter auf ihrer Tour erlebt haben, hat sich in ihr Gedächtnis gebrannt. „Das war schon heftig“, sagt er. Unzählige Menschen harren in der Eiseskälte an der Grenze aus, berichtet er. Feuer in Ölfässern soll sie ein wenig wärmen. Reisebusse rollen im Stundentakt an die Grenze, um Tausende Menschen insbesondere in polnische Auffanglager zu bringen.
Hilfsgüter türmen sich
Zudem türmen sich die Hilfsgüter. Was gebraucht wird, wird gern genommen und schnell verteilt. Andere Dinge hingegen stapeln sich, erste Lastwagen räumen die Berge an Kleidung weg, die dort aktuell überhaupt niemand haben will. Mütter suchten höchstens nach ein paar Kuscheltieren zwischen den Wäschebergen. Für den Diller steht daher fest: „Willkürlich irgendwelche Hilfsgüter zu sammeln und dort hinzubringen, ist doch kontraproduktiv.“
Der Diller und seine Mitstreiter haben Glück, können sie doch über eine Nachbarin Kontakt zu einem ukrainischen Krankenhaus aufnehmen, für das sie gezielt sammeln. Zudem haben sie Igor, einen Ukrainer, der vergangene Woche in Dill strandete, als Fahrer mit dabei. „Aus Angst, er könnte eingezogen werden oder dürfte das Land nicht wieder verlassen, haben wir ihn fünf Kilometer vor der Grenze abgesetzt“, berichtet einer der Fahrer. Das allerdings wird ihnen zunächst zum Verhängnis. Denn der kleine Konvoi darf zwar die polnische Seite der Grenze passieren, nicht aber den ukrainischen Zoll – trotz Hilfsgüterlieferung. „Igor war also der einzige, der die Transporter über die Grenze bringen und die Güter dort an die Empfänger, mit denen wir uns über die Nachbarin verabredet hatten, übergeben konnte“, erzählt der Diller. Eineinhalb Stunden banges Warten liegt damit vor den Helfern. Doch Igor kehrt gesund wieder zurück und kann die Heimreise in den Hunsrück mit antreten.
Glücksfall für 14-Jährigen
Und von noch einem weiteren Glücksfall können die Hunsrücker berichten: Über unseren Zeitungsartikel von Montag wird eine Frau auf die Tour aufmerksam und nimmt über eine Bekannte Kontakt zu den Fahrern auf. Ihr 14-jähriger Sohn, der noch in der Ukraine lebt, soll irgendwie zu ihr in den Hunsrück kommen. Und auch das glückt: Der 14-Jährige findet die Hunsrücker an der Grenze und steigt zu ihnen in den Transporter.
Eine weitere Tour planen die Männer dennoch nicht in absehbarer Zeit. Es sei denn, dem Ukrainer Igor ist das Glück hold, und er kann seine Familie noch aus dem Kriegsgebiet holen. Für den Diller Fahrer steht fest: „Wenn das funktioniert, fahren wir auf jeden Fall noch einmal zur Grenze.“ Immerhin habe Igor für den Hilfstransport sein Leben riskiert.