Tradition in Oberwesel erfolgreich fortgesetzt
Weinprobe im Ratskeller Oberwesel mit viel Herzblut: Stühlerücken bei den Majestäten
Das Ambiente im Oberweseler Ratskeller ist immer noch einzigartig für eine Weinprobe.
Thomas Torkler

Sich mal locker zurückzulehnen und den lieben Gott nen guten Mann sein lassen – wer macht das nicht gern? Bei der festlichen Weinprobe im Ratskeller Oberwesel hatte ein Gast das Privileg, genau das zu tun.

Der neue Zeremonienmeister Peter Unkel bestand seine Feuertaufe bei der Weinprobe im Ratskeller.
Thomas Torkler

Er war einfach nur zum Trinken gekommen – zum Genießen, besser gesagt. Jetzt konnte er endlich mal erfahren, was er in all den Jahren nie so richtig mitbekommen konnte, weil er dienstlich verhindert war. Thomas Bungert musste ja als Gastgeber den Überblick behalten, wenn er die Weinprobe im Ratskeller moderierte.

Jetzt gibt es die Verbandsgemeinde (VG) St. Goar-Oberwesel nicht mehr. Folglich ist auch deren Bürgermeister obsolet geworden. Der Neue muss es also richten. Peter Unkel als Bürgermeister der VG Hunsrück-Mittelrhein hat nun oben auf der Höhe des Vorderhunsrücks seine Amtszeit als Bürgermeister der VG Emmelshausen wie Bungert unten am Rhein nach der Fusion zum 31. Dezember 2019 beenden müssen.

Da er aber nun „Chef von det Janze“ geworden ist, unterscheidet er sich von Bungert eben auch in einem Punkt: Der eine darf ungehemmt trinken, der andere darf ungehemmt moderieren. Wie zu vernehmen war, entledigten sich Bungert und Unkel ihrer jeweiligen Aufgabe souverän.

Viel Winzersachverstand

Die Winzer stellten ihre Weine selbst vor, hier präsentiert Wolfgang Dietrich seinen Frühburgunder vom Oberweseler St. Martinsberg..
Thomas Torkler

Clever, wie Unkel nun mal ist, sah er davon ab, die 13 Probenweine selbst zu kommentieren und vorzustellen. Das können die Winzer besser, wird er sich gesagt haben, und so kamen die Gäste im Ratskeller diesmal in den Genuss so vielen Winzersachverstands wie selten zuvor. Klar, während der vorangegangenen Jahre hatte eine ehemalige Deutsche Weinkönigin unter anderem mit Fachwissen geglänzt und andere Ehrengäste auch.

Nicht ganz so hochrangig war der Weinadel in diesem Jahr besetzt, dafür aber mit größerer geschlechtlicher Vielfalt. Denn der erste Weinprinz vom Mittelrhein war zugegen neben der Oberweseler Weinhex Julia I., der Mittelrhein-Weinkönigin Verena Schwager und Loreley Katharina Blanck-hardt. Gero Schüler hatte aber nicht bei den Majestäten am Tisch Platz genommen, sondern sich unter die Winzer gemischt, deren Erzeugnisse Gegenstand der traditionellen Verkostung waren.

Der trockene Spätburgunder Rosé des Bacharach-Steeger Winzers war gleich als zweiter Wein an der Reihe, wenn man den trockenen Begrüßungsriesling „Mythos“ aus dem Oberweseler Oelsberg nicht hinzurechnet. Den Auftakt der Probe gemacht hatte ein trockener Frühburgunder vom Oberweseler St. Martinsberg, den Wolfgang Dietrich stolz als „Haupterzeuger von Frühburgundern“ vorstellte. Er kann für sich in Anspruch nehmen, die größte Anbaufläche für diese Rebsorte zu besitzen.

Ich stamme zwar von der Ostsee, aber ich fühle mich mit Ihrer Heimat verbunden.

Sven Stimac, Geschäftsführer der Bundesgartenschau Oberes Mittelrheintal 2029

Volker Höh begleitete Falko Hönisch einfühlsam.
Thomas Torkler

Wie für Gero Schüler und sämtliche Kollegen am Steillagen-Tisch im Ratskeller gilt auch für den „Lämmchen“-Winzer: Die Leidenschaft treibt sie alle an. Und die hatte auch Sven Stimac, Geschäftsführer der Bundesgartenschau Oberes Mittelrheintal 2029 gGmbH, als wesentliche Voraussetzung für einen guten Wein ausgemacht. Ohne Wasser kein Wein, ohne Sonne kein Wein und ohne Kulturlandschaft auch nicht, hatte er betont. Aber „ohne Leidenschaft kein Wein“, diese Feststellung war ihm besonders wichtig. Das Herzblut der Winzer für den Steillagenwein sei entscheidend. „Ich stamme zwar von der Ostsee, aber ich fühle mich mit Ihrer Heimat verbunden“, sagte der Buga-Geschäftsführer und bekam Applaus dafür.

Der war auch der scheidenden Mittelrhein-Weinkönigin sicher. Verena Schwager aus Erpel bekannte: „Ich war so oft hier. Das ist für mich, wie nach Hause zu kommen.“ In wenigen Wochen wird sie ihre Krone ablegen und ihrer Nachfolgerin aufs Haupt setzen. Und die könnte eine gute Bekannte sein, denn, so erfuhren die Gäste im Ratskeller von ihrer Weinhex: Julia I. wird bei der Wahl der Mittelrhein-Weinkönigin antreten. Die Noch-Amtsinhaberin dagegen hat vor, ihr Glück bei der Wahl der Deutschen Weinkönigin ins Rennen zu gehen. Und um die Thronfolge-Aktivitäten zu ergänzen: Gero Schüler hat versprochen, als Weinprinz eine zweite Amtszeit antreten zu wollen.

Am Mittwoch gab die Geschäftsführung der Mittelrhein-Wein dann auch bekannt, dass neben Prinz Gero und Weinhex Julia das Bewerberquartett für die Mittelrhein-Weinkönigin durch Felix Kahl, amtierender Bacchus aus Boppard, und die ehemalige Erpeler Weinkönigin Hannah Roos komplettiert wird. Da hatten die Anwesenden also vorab schon einige Neuigkeiten erfahren. Unter anderem auch, dass der Vorsitzende der Mittelrhein-Weinwerbung am Montag noch nichts gefrühstückt hatte. Als Landrat wird man in dieses Amt hineingeboren. Biertrinker Marlon Bröhr hat diese Phase nun hinter sich, während es mit Volker Boch als ausgewiesenen Weinfreund den Richtigen getroffen hat.

Wenn's Wetter schlecht ist und man nicht so lange bleiben kann, sind die Weine weniger gut. Wenn das Wetter gut ist, bleibt man länger, und die Weine werden immer besser.

Landrat Volker Boch

Bariton Falko Höhnisch umrahmte die Probe zusammen mit Gitarrist Volker Höh mit beschwingten Melodien, unter anderem aus dem Liederzyklus „Die schöne Müllerin“ von Franz Schubert.
Thomas Torkler

Zunächst einmal beeilte sich Boch zu betonen, dass der Ansatz einer Kreisausschusssitzung ausgerechnet auf Weinmarkt-Montag erfolgt sei, bevor festgestanden habe, dass an dem Tag die Weinprobe im Ratskeller stattfinden würde. „Das werden wir nie mehr machen“, schob Boch hinterher. Den Majestäten und den Winzern dankte Boch für deren Einsatz und hatte noch eine Weisheit zur Qualität der Weine beim Weinmarkt parat: „Wenn's Wetter schlecht ist und man nicht so lange bleiben kann, sind die Weine weniger gut. Wenn das Wetter gut ist, bleibt man länger, und die Weine werden immer besser.“ Damit hatte der Landrat auch die letzten Zweifler davon überzeugt, dass er etwas vom Wein versteht.

Dass Peter Unkel etwas von Schönheit versteht, ist keine bahnbrechende Erkenntnis. Ob das aber auch auf die Schönheit von Verbandsgemeinden zutrifft, konnte an diesem Montagvormittag noch nicht abschließend beantwortet werden. Wie bereits berichtet, hatte Unkel frech die Formulierung von Thomas Bungert übernommen und die Verbandsgemeinde Hunsrück-Mittelrhein kurzerhand zur schönsten VG gemacht.

Majestätische Teamarbeit genossen

Da hatte die amtierende Mittelrhein-Weinkönigin aber noch ein Wörtchen mitzureden: „Ich bin beim Thema „schönste VG“ noch nicht ganz dabei“, sagte die junge Majestät aus Erpel bestimmt. Ihr Heimatort liegt im Landkreis Neuwied. Immerhin ließ Verena Schwager gelten, dass die beiden Gebietskörperschaften die zwei schönsten VGs sind. Ihre letzten Wochen als Weinmajestät werde sie genießen. Besonders die Teamarbeit mit ihren Weinprinzessinnen Kira Michels und Svenja Mozian sowie Weinprinz Gero Schüler habe sie sehr geschätzt.

Abschied schwang auch mit, als Weinhex Julia I. ans Mikrofon trat. Zum letzten Mal sagte sie ihren Spruch auf, mit denen sie die Menschen zu verhexen pflegte. Zum nächsten Weinmarkt wird eine neue Weinhex aus dem Fass steigen. Dass ihre Hexerei auch bis zum Schluss noch funktionierte, belegte im Ratskeller der Zeremonienmeister. Peter Unkel hatte bereits vor dem Auftritt der Weinhex und ihrem Spruch erklärt: „Dann machen wir weiter mit Wein Nummer sieben.“ Erst ein Raunen im Publikum ließ ihn auf seinen Zettel schauen: Es war erst Nummer fünf dran. Kann passieren. Fünf Weine können auch schon Wirkung hinterlassen.

Alte Bewertung endet 2025

Souverän und routiniert wurden die Proben im Ratskeller trotz drangvoller Enge ausgeschenkt.
Thomas Torkler

Neben der Wirkung des Weins ist auch wichtig, was draufsteht. Jedenfalls nutzte Jörg Lanius die Vorstellung seines Engehöller Bernstein Riesling VDP Erste Lage, trocken, dazu, darauf hinzuweisen, dass 2025 der letzte Weinjahrgang in Deutschland sein wird, der nach dem alten Bewertungssystem auf den Markt kommen werde. Die neue Klassifizierung habe Fahrt aufgenommen, vor allem durch junge Winzer. „Wir beklagen uns alle über Bürokratie, aber wenn man will, dann geht's auf einmal“, meinte Lanius.

Neue Bezeichnungen hat auch Matthias Lambrich, der mit seiner Schwester Christiane das Weingut Goswin Lambrich in Dellhofen führt: „Blauschiefer“ hieß der trockene Oberweseler Riesling, der in der Probe mitlief, Matthias Lambrich nannte noch die Kategorien „Vollsteil“ und „Steil ist geil“.

Ein wenig blumiger fiel die Beschreibung des Weinmarkts aus, den Weinhex Julia vorlas. Der Text stammte von ihrem Bruder Maximilian Lambrich von dem anderen Dellhofener Weingut, Albert Lambrich. Auf Julias Frage, was das Besondere am Weinmarkt sei, habe ihr Bruder geantwortet: „Der Weinmarkt in Oberwesel ist nichts, was man einfach so in Worte fassen kann – Weinmarkt ist ein Gefühl. Weinmarkt ist Lebensfreude pur. Weinmarkt verbindet Jung und Alt. Weinmarkt ist das Finale des Sommers. Weinmarkt ist einfach einzigartig.“ Dem hatte niemand im Ratskeller etwas entgegenzusetzen. Es gab viel Applaus.

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