Neuer Standort nach 130 Jahren
Wegen Kirchenabriss: Gemeinde in Simmern muss umziehen
Mit aller Vorsicht bringt Pastor Wesley Pereira die kostbaren liturgischen Gefäße aus der Kirche.
Dupuis Werner. Werner Dupuis

Die Stadtsanierung in Simmern hat Folgen für die die evangelisch-methodistische Gemeinde: Ihre Kirche wird abgerissen. Nach 130 Jahren in der Bahnhofstraße bekommt die Gemeinde eine neue Heimat in der Stadt.

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Eine Kirche zieht um. Selbst in unserer mobilen Zeit ist dies kein alltäglicher Vorgang. Die evangelisch-methodistische Gemeinde Simmern, die seit gut 130 Jahren ihren Sitz in der Bahnhofstraße hat, vollzieht diesen bedeutenden Schritt und zieht in das Ernst-Gillmann-Haus in Simmern. Mit mehreren benachbarten Gebäuden soll das bisherige Kirchengebäude abgerissen werden, um im Rahmen der Stadtsanierung Raum für Neues zu schaffen. Die Entscheidung, ihren angestammten Platz aufzugeben, fiel den rund 30 aktiven Mitgliedern der methodistischen Gemeinde, die zu den evangelischen Freikirchen gehört, nicht leicht.

Freikirchen unterscheiden sich von anderen christlichen Religionen durch unterschiedliche theologische Auslegungen. In Deutschland werden sie nicht über die staatliche Kirchensteuer finanziert, sondern ausschließlich durch Beiträge und Spenden ihrer Mitglieder getragen. Wie viele andere Religionsgemeinschaften leidet auch die methodistische Gemeinde an Überalterung und Mitgliederschwund. Es fehlt der Nachwuchs. Junge Leute aus der Gemeinde ziehen nach der Schule weg vom Hunsrück und kommen nie wieder. Seit mehr als 150 Jahren gibt es Methodisten auf dem Hunsrück. In Manubach und in Pferdsfeld existierten die ersten Gemeinden. Frühe Versammlungen fanden auch in Gemünden, Woppenroth und in Mengerschied statt.

Heinrich Keienburg (von links), Pastor Pereira, Margit Michelmann, Christa Keienburg und Gerd-Peter Michelmann organisieren den Kirchenumzug.
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1892 wurde für einen Kapellenneubau in Simmern das Grundstück in der Bahnhofstraße gekauft. Ursprünglich war geplant, eine Immobilie der damaligen Casino-Gesellschaft, die später zur Kaiserhalle umgebaut wurde, in dem Bereich, wo heute die Zentrale der Kreissparkasse Rhein-Hunsrück ist, als Grundstück für die neue Kirche bei einer Versteigerung zu erwerben. Doch der Preis stieg über das gesteckte Limit von 7000 Reichsmark. Mit 1800 Reichsmark war der Bauplatz in der gegenüberliegenden Bahnhofstraße bedeutend billiger.

Die Bauarbeiten gingen recht zügig voran. Der Grundstein für das neue Gotteshaus – Zionskapelle genannt – wurde im Herbst 1892 gelegt. Der Baumeister war Emil Keim. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 13.050 Reichsmark. 7000 Reichsmark brachte die Gemeinde auf. 6050 Reichsmark wurden durch Kredite gedeckt. Freiwillige Helfer leisteten viele Arbeitsstunden am Bau, Pferdefuhrwerke von Gemeindemitgliedern brachten das Material zur Baustelle, kleine und große Summen wurden für die neue Versammlungsstätte gespendet. Die Bauarbeiten gingen zügig voran.

Das Kirchengebäude in der Bahnhofstraße 3 wird abgersisen. Das große Logo der Methodisten an der Seitenwand geht an eine Gemeinde in Baden-Württemberg.
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Bereits am Pfingstsonntag, 21. Mai 1893, wurde die neue Kirche eingeweiht. Die methodistische Kirchengemeinde wuchs kontinuierlich. 1913 gehörten dazu Predigtplätze in Simmern, Winzberg, Manubach, Oberdiebach, Woppenroth, Schlierschied, Rheinböllen, Ellern, Mengerschied, Michelbach, Hasselbach und Riesweiler. 1969 konnten 100 Jahre Methodismus auf dem Hunsrück gefeiert werden. 1970/71 erfolgten Umbau und Erweiterung des Gemeindehauses in der Bahnhofstraße, unter anderem zur Vergrößerung der viel zu eng gewordenen Pastorenwohnung. 2019 gab es in Simmern einen Festakt zu 150 Jahren evangelisch-methodistischer Kirche im Hunsrück. Im Zeichen der Ökumene bildet die methodistische Gemeinde mit der katholischen, der protestantischen und der Freien Evangelischen Kirchengemeinde die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Simmern.

Gerd-Peter Michelmann sortiert die Gebetbücher, die mit auf die Reise gehen.
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Als das gesamte Quartier in der Bahnhof-/Bingener Straße 2012 zum Sanierungsgebiet deklariert wurde, gab es eine erste Anfrage der Stadt Simmern zum Verkauf der Sakral-Immobilie. Die Verhandlungen verliefen ergebnislos. 2024 erfolgte eine weitere Offerte aus dem Simmerner Rathaus, die dann zur Einigung führte. Auf der Suche nach einem neuen Standort für ihre Kirche wurden die Methodisten bei ihren protestantischen Glaubensschwestern und -brüdern fündig. Im Ernst-Gillmann-Haus am Fruchtmarkt, mitten in der Stadt und direkt gegenüber der Stephanskirche, gab es freie Räume in ausreichender Größe, die für einen Fortbestand des gemeinschaftlichen Lebens, für Gottesdienste und Versammlungen geeignet sind. Bei größeren Veranstaltungen und Gottesdiensten kann auch die Stephanskirche genutzt werden.

Beim Flohmarkt wird alles angeboten, was an der neuen Adresse nicht mehr benötigt wird.
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Ein langfristiger Mietvertrag wurde geschlossen. Der Auszug konnte im Frühjahr 2025 beginnen. Teile des Inventars sind schon umgezogen. Die Kirchenorgel steht in der katholischen Kirche in Rayerschied. Das beleuchtete, 3,50 Meter hohe Kreuz im Gemeindesaal übernimmt die methodistische Gemeinde in Bad Kreuznach. Das große Logo der methodistischen Gemeinden mit Flamme und Herz an der Kirchenfassade geht in eine Gemeinde nach Baden-Württemberg. Der Simmerner Bauhof hilft bei der Demontage.

Das gesamte Inventar, das nicht mehr benötigt wird, wie Tische, Stühle, Regale und Geschirr, Heimtextilien, Bilderrahmen und Bücher, soll an diesem Donnerstag, 26. Juni, von 14 bis 19 Uhr im Rahmen eines Flohmarktes in der Bahnhofstraße 3 verkauft werden. Der erste Gottesdienst in den neuen Räumen im Ernst-Gillmann-Haus wird am Samstag, 5. Juli, um 18 Uhr gehalten.

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