Biografie Buchautor will Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des Oberweseler Ehrenbürgers Hanns Maria Lux anstoßen

: Walter Karbach: „Lux war viel mehr als ein Mitläufer“ - Rhein-Hunsrück-Zeitung - Rhein-Zeitung">

Biografie Buchautor will Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des Oberweseler Ehrenbürgers Hanns Maria Lux anstoßen

Walter Karbach: „Lux war viel mehr als ein Mitläufer“

Dieses Porträt des deutschen Schriftstellers Hanns Maria Lux ist vermutlich um das Jahr 1960 entstanden. Foto: Archiv/Herbert Gauls

herbert gauls

Oberwesel. Mehr als ein Jahr lang hat der frühere Schulleiter, promovierte Germanist, Autor und Verleger Walter Karbach recherchiert, sich durch Archive und Akten gewühlt, bevor er im Herbst seine Lux-Biografie veröffentlicht hat. Und diese birgt reichlich Diskussionsstoff, lässt sie doch den Oberweseler Ehrenbürger und Träger des Bundesverdienstkreuzes Hanns Maria Lux, nach dem auch eine Straße in Koblenz benannt ist, mehr als 50 Jahre nach dessen Tod in keinem guten Licht dastehen.

Herr Karbach, Sie haben mehr als ein Jahr lang über Hanns Maria Lux und seine Rolle in der Nazizeit und in der Nachkriegszeit recherchiert. Was hat Sie angetrieben?

Ich stamme aus Oberwesel, und mein Vater kannte Lux, und er hat immer gesagt: Von dem kommt mir nichts ins Haus. Damit meinte er die Jugendbücher. Die habe ich mir für meine Recherche besorgt und schnell gemerkt, dass es Lux um soldatisches Heldentum und um völkisches Deutschtum ging. Beim Durchforsten der Archive habe ich festgestellt, dass der Sanitätssoldat Lux schon nach ein paar Wochen ausgemustert worden ist, während mein Vater neun Jahre Frontkrieg und russische Gefangenschaft überleben musste, derweil Lux in der Heimat Karriere gemacht hat. Das wollte ich genauer wissen.

Warum denken Sie, ist es wichtig, sich gerade heute kritisch mit der Vergangenheit des Lehrers Lux auseinanderzusetzen, der seit mehr als 50 Jahren tot ist?

Bisher hat sich keiner für die Nazivergangenheit des Ehrenbürgers Lux interessiert. Manchmal braucht man einen gehörigen Abstand, um sich mit der Vergangenheit kritisch zu befassen. Viele Institutionen haben erst in jüngerer Zeit damit angefangen. Heute, wo wieder völkische und deutschnationale Töne in Netzwerken und Parlamenten zu hören sind, ist es erschreckend zu sehen, dass Lux seinerzeit ähnlich gesprochen hat. Übrigens erinnern sich auch 50 Jahre nach seinem Tod ehemalige Schüler noch sehr gut daran, wie Lux sie mit dem Stock geschlagen hat.

War Lux in Ihren Augen nur ein Mitläufer oder war er schon aktiver Rassist und Nationalsozialist?

Auch Mitläufer können Rassisten sein. Lux hat wenige Jahre nach den NS-Rassegesetzen in der Erzählung „Die blonde Chinesin“ vor der Vermischung der „Blutströme zweier Rassen“ gewarnt und geschildert, was einem blüht, wenn man „das Gesetz des Blutes“ missachtet. Diese Erzählung wird in den von seinen Freunden erstellten Festschriften verschwiegen. Lux war viel mehr als ein Mitläufer.

Woran lässt sich das festmachen?

Er war aktives Mitglied des NS-Lehrerbundes und der NSDAP, er hat zwei NS-Literaturpreise bekommen, und sein alter Studienkamerad, der Koblenzer Gauleiter Gustav Simon, hat ihn zum Leiter der Reichsschrifttumskammer in seinem Gau gemacht, das wird man nicht als bloßer Mitläufer.

Gibt es weitere Beispiele?

Die gibt es. Als junger Lehrer war Lux an einer Saarbrücker Mittelschule tätig, die sich als eine „an Feindesland vorgeschobene Trutze“ im Saargebiet verstand. Dort hat er das Lied „Deutsch ist die Saar“ verfasst, das bald von SA-Chören gesungen und von Musikzügen der SS gespielt wurde, gleich nach dem Horst-Wessel-Lied. Darauf war Lux stolz. Hitler hat sich bei ihm persönlich dafür bedankt. Den Nazimärtyrer Leo Schlageter hat er seinen Schülern als leuchtendes Beispiel vorgestellt, sie mussten Aufsätze über ihn schreiben. Im Parteiverlag der NSDAP hat er 1938 die Erzählung „Der schwere Gang“ über die Mutter Schlageters veröffentlicht. Es ist schon so, dass Lux für die Nazis Propaganda gemacht hat.

Hanns Maria Lux ist Ehrenbürger der Stadt Oberwesel und Träger des Bundesverdienstkreuzes. Wie ist das mit einer solchen Vergangenheit möglich?

Da ist Lux bei Weitem nicht der einzige. In der Adenauer-Zeit haben ja in allen Bereichen alte Nazis wieder Karriere gemacht, in Politik, Justiz und Wissenschaft, im Schuldienst. In Oberwesel hat Lux in der NS-Zeit erfolgreich versucht, ein volksdeutsches Brauchtum zu schaffen, mit Schifferfest, Weinmarkt und Weinhex, ganz im Sinne der NS-Volksgemeinschaft, wie es von Propagandaminister Goebbels befohlen war. Nach dem Krieg hat er damit weitergemacht, als sei nichts gewesen. Der CDU-Ministerpräsident Peter Altmeier, ein Saarländer, dessen Bruder in Koblenz an derselben Schule wie Lux tätig war, brachte den „Dichter“ in die Nähe des Bundespräsidenten Heuss und des Kanzlers Adenauer. Lux ist nicht Ehrenbürger geworden wegen seiner Bücher. Die hat wahrscheinlich kaum ein Oberweseler gelesen, obwohl eines sogar dort spielt. Nein, er hat das Bundesverdienstkreuz aus dem gleichen Grunde bekommen wie seine NS-Literaturpreise, weil er nämlich gute Beziehungen hatte.

Lux ist Begründer des Oberweseler Weinmarkts, aus seiner Feder stammt das Weinmarktlied, das bis heute gern zu diesem Anlass gesungen wird. Wie soll man damit in Zukunft umgehen?

Niemand will den Weselern den Weinmarkt nehmen, der hat längst seine Geschichte hinter sich gelassen. Das Weinmarktlied ist 1935 entstanden, Lux reimt hier „gut“ auf „Blut“. Das Lied ist ein Musterbeispiel für das Streben der Nazis, den Leuten eine heile deutsche Welt vorzuspielen, während gleichzeitig die Wehrpflicht und Arbeitsdienst eingeführt wurden und das „Blutschutzgesetz“ in Kraft trat. Das sollte man wissen, wenn man es singt.

Lux muss sich nach Kriegsende vor einem Untersuchungsausschuss verantworten und wird entnazifiziert. 15 Befürworter sprechen sich für ihn aus. Ein Schüler gibt sogar an, Lux sei „der furchtloseste Antifaschist unter den Lehrern unserer Schule“ gewesen. Wie erklären Sie sich das?

Moment, Lux ist ja gerade nicht entnazifiziert worden. 1946 wurde er von der französischen Militärregierung in Haft genommen und saß sechs Monate in Vallendar im Gefängnis. 1947 hat die zuständige Kommission ihm wegen seiner NS-Vergangenheit die monatlichen Bezüge um 20 Prozent gekürzt, und zwar für drei Jahre. Und das, obwohl Lux und seine Freunde über zwei Dutzend „Persilscheine“ besorgt hatten. Offenbar galten seine Unterstützer nicht als sehr glaubwürdig. 1948 stellte Lux dann einen Antrag auf Amnestierung.

Sie haben im Koblenzer Stadtarchiv einen Brief gefunden, den Lux aus seiner Haft an einen seiner Schüler schrieb. Wie kam es dazu und warum ist dieser Brief so wichtig?

Lux hat alles unternommen, um aus der Haft entlassen zu werden. Dazu sollten einige seiner inzwischen 20-jährigen früheren Schüler eine Eingabe bei der Militärregierung machen. In dem mehrseitigen Brief gibt Lux teilweise wortwörtlich vor, wie sie das formulieren sollten. Zum Beispiel sollten sie schreiben: „Unser verehrter Lehrer war ein tapferer Antifaschist.“ Einer seiner ehemaligen Schüler, inzwischen hochbetagt, hat mir berichtet, dass es in den Lux-Klassen zwei Gruppen gab. Die einen leisteten ihrem „geistigen Führer“, wie sie ihn nannten, bedingungslos Gefolgschaft. Die anderen haben ihn gefürchtet, weil er sie mit Stockhieben traktierte.

Was haben Sie gedacht, als Sie diesen Brief erstmals in den Händen hielten?

Ich war fassungslos. Dass Lux seine Schüler so benutzt hat, hatte ich nicht für möglich gehalten. Bisher kannte ich dieses Muster nur aus seinen Jugendromanen, wo der Lehrer als Führer auftritt. Noch mehr hat mich verblüfft, dass sich in späteren Aussagen seiner Gewährsleute vor der Entnazifizierungskommission teilweise die gleichen Formulierungen finden wie in diesem Brief. Das kann jeder in den Akten nachlesen.

Am Hotelrestaurant Goldener Pfropfenzieher in Oberwesel wurde 1941 eine Gedenktafel zur Hundertjahrfeier des „Deutschlandliedes“ angebracht, die Lux eigens dafür entwerfen ließ. Ursprünglich sollten sogar vier Hakenkreuznägel die Tafel zieren. Die Tafel hängt noch heute. Warum?

Der NS-Landesleiter Lux hatte die Idee zu dieser pompösen NS-Feier und hat selbst die Gedenktafel entworfen. Dass die Hakenkreuznägel nicht kamen, haben wir dem Schmied Becker zu verdanken, meinem Großonkel, der Schrauben genommen hat. Dass die Tafel noch dort hängt, ist erstaunlich. Man könnte darüber nachdenken, eine Plakette daneben anzubringen mit einem Kommentar und dem Foto von 1941, auf dem der Festredner Hanns Maria Lux mit gestrecktem Arm zu sehen ist.

Wie sollten die Menschen in der Stadt Oberwesel mit den Erkenntnissen umgehen, die Sie im Zuge der Recherchen für Ihr Buch gewonnen haben? Was wünschen Sie sich?

Ich bin zuversichtlich, dass nun die historischen Fakten zur Kenntnis genommen werden. Gern würde ich die Ergebnisse meiner Nachforschungen bei einem Vortrag darstellen. Dann kann darüber beraten werden, wie man mit der Sachlage umgeht. Lux wäre nicht der erste Ehrenbürger, dem diese Ehre wieder aberkannt wird.

Wenn Sie Lux heute persönlich gegenüberstünden, was würden Sie ihm sagen?

Nur in einem einzigen privaten Brief, den Lux an einen Freund geschrieben hat, habe ich den Satz gefunden: „Wir Deutsche haben entsetzliche Schuld auf uns geladen.“ Ich würde Lux fragen, warum so ein Satz nie öffentlich von ihm zu hören war und in keinem seiner Nachkriegsbücher steht.

Das Gespräch führte Denise Bergfeld

Top-News aus der Region