Erste Stimmen zum Ergebnis
Wahlkreis Mosel/Rhein-Hunsrück bleibt fest in CDU-Hand
Ab 18 Uhr war in den Wahllokalen im Rhein-Hunsrück-Kreis Auszählen angesagt - so auch hier, in Kisselbach.
Werner Dupuis

Es war ein spannender Wahlabend, denn während die einen bereits triumphieren konnten, mussten andere noch zittern. Bei den kleineren Parteien war früh klar, dass sie es nicht in den Bundestag schaffen würden – auch im Wahlkreis Mosel/Rhein-Hunsrück.

Es war sicher keine Überraschung, dass Marlon Bröhr den Sieg im Wahlkreis 199 Mosel/Rhein-Hunsrück einfahren würde. Seit 1949 ist er in fester Hand der Christdemokraten und daran ließ sich auch an diesem Bundestagswahltag nicht rütteln. Bei den Zweitstimmen kam die CDU auf 34,9 Prozent (+5,9 Prozentpunkte im Vergleich zu 2021), mit der Erststimme votierten 38,2 Prozent (+3,9) Wähler für Bröhr. Carina Konrad (FDP) indes, die seit 2017 einen Sitz im Bundestag hatte, wird sich aus Berlin verabschieden müssen. Bei den Erststimmen erhielt sie 5,4 Prozent (-6,4), bei den Zweitstimmen kam die FDP im Kreis auf 5,3 Prozent (-7,2) – die Prognosen deuteten am Abend darauf hin, dass die Freien Demokraten den Einzug in den Bundestag verpassen würden.

„Die CDU hat die Wahl gewonnen, die Menschen haben einen Politikwechsel gewählt.“
Marlon Bröhr (CDU)

„Die CDU hat die Wahl gewonnen, die Menschen haben einen Politikwechsel gewählt“, ist Bröhrs erste Einordnung der Wahlergebnisse auf Bundesebene. Im Wahlkreis ist sie deutlicher als im Bundestrend stärkste Kraft. Bröhr hätte sich gewünscht, dass das bundesweite Ergebnis mehr den Umfragen der vergangenen Wochen entspräche, die die Union bei 30 Prozent sahen. Es brauche nun eine möglichst stabile Koalition, die „die Einsicht hat, diesen Politikwechsel zu gestalten“. Er persönlich hoffte am Wahlabend noch darauf, dass die FDP den Sprung in den Bundestag schafft und ein Bündnis aus CDU, SPD und FDP möglich werde. „Es wäre andernfalls dramatisch und sehr schade, wenn dem bürgerlich-konservativen Lager sonst viele Tausende Stimmen fehlen würden“, sagt Bröhr.

Bundestagsabgeordneter Marlon Bröhr behält auch in der kommenden Legislaturperiode seinen Sitz in der CDU-Fraktion des Bundestages in Berlin. Seinen weißen Kittel als Zahnarzt in der Praxis seiner Frau Dr. Nandi Bröhr-Borredà muss er nicht wieder anziehen.
Werner Dupuis

Sein Wunsch aber sollte unerfüllt bleiben, denn die Liberalen schaffen den Sprung in den Bundestag nach nicht mehr. „Das ist ein bitterer Abend für die FDP“, sagt Direktkandidatin Carina Konrad besonders mit Blick auf das bundesdeutsche Ergebnis. „Nun wird es schwierig werden, eine stabile Koalition zu bilden“, sagt sie auf dem Weg vom Fernsehstudio in Mainz nach Kastellaun in ihr Wahlkreisbüro. Sie will sehen, ob noch Mitstreiter im Büro sind. Nun stehe das Land vor schwierigen Zeiten. „Die CDU hat maximal polarisiert, die AfD frohlockt“, fasst sie das Wahlergebnis zusammen. Die FDP müsse nun sehen, wie sie sich aufstellt, damit bald wieder eine liberale Stimme in Deutschland vernehmbar ist.

„Das ist ein bitterer Abend für die FDP.“
Carina Konrad (FDP)

Auch Bröhr empfinde das AfD-Ergebnis als erschreckend und hofft, dass die Verantwortlichen es als den letzten Weckruf verstehen. „Die nächste Regierung muss die Probleme im Land lösen“, ist er sicher.

Ob Julian Joswig (Bündnis 90/Die Grünen) in Zukunft mithelfen kann, diese Probleme zu lösen, liegt nicht nur an der Frage, welche Koalition sich bilden wird, sondern auch daran, ob es der 31-Jährige in den Bundestag schafft. Im Wahlkreis erhielt er 7,2 Prozent der Stimmen (-2,5), bei den Zweitstimmen lagen die Grünen bei 7,7 Prozent (-1,5). Ausschlaggebender für ihn wird aber das Bundesergebnis seiner Partei. Wenn es sich nicht mehr großartig verändert, reicht dem Wirtschaftswissenschaftler sein Platz 4 auf der Landesliste zu einem Bundestagsmandat. „Das wird eine hauchdünne Kiste“, sagt Joswig. Mit denen kennt er sich aus. 2021 hatte sein Listenplatz sechs ganz knapp nicht gereicht. „Diesmal wird es noch knapper.“

„Das wird eine hauchdünne Kiste.“
Julian Joswig (Grüne)

In Summe habe seine Partei kein gutes Ergebnis eingefahren, sei aber mit Blick auf die anderen Parteien der Ampelregierung nicht hart abgestraft worden. „Das ist kein Grund zum Jubeln, aber auch keine Katastrophe. Wir kommen aus einer unbeliebten Regierung und haben uns nach oben gekämpft.“ Das habe man seiner Einschätzung nach in großen Teilen Robert Habeck zu verdanken. Total erschreckend hingegen sei für ihn das Ergebnis der AfD ausgefallen. „Das ist ein richtig großes Problem für unsere Demokratie, dass eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei die zweitgrößte Fraktion im Bundestag stellen kann“, sagt er. Das werde eine Herausforderung für die parlamentarische Demokratie, aber womöglich zunächst auch für die Regierungsbildung. Er hält es für wichtig, dass sich nun eine gute Regierung bildet. Mit den entsprechenden Mehrheiten ein zukunftsgerichtetes Bündnis zu suchen, das sei nun die Aufgabe.

„Das ist ein sehr schwieriges, ein bitteres Ergebnis für die SPD.“
Umut Kurt (SPD)

Auf Bundesebene triumphiert die AfD, und das dürfte sie auch im Wahlkreis. Denn der Direktkandidat Jörg Zirwes zieht wohl in den Bundestag ein. Bei den Erststimmen erreichte er 19,3 Prozent (+11,3), bei den Zweitstimmen votierten im Wahlkreis 19,6 Prozent (+11,3) der Wähler für die AfD. Am Wahlabend war Zirwes für unsere Zeitung nicht zu sprechen, ein schriftliches Statement kündigte er für Montagmorgen an.

Für alle weiteren Direktkandidaten im Wahlkreis reichte es nicht für ein Mandat in Berlin. Entsprechend enttäuscht ist etwa Umut Kurt. „Das ist ein sehr schwieriges, ein bitteres Ergebnis für die SPD“, sagt er. Der Bopparder erreichte mit 19,3 Prozent (-7,6) an Erststimmen ein besseres Ergebnis als die SPD im Kreis Zweitstimmen geholt hat (17,8 Prozent, -10,7). Das tröste ihn, wenn auch nur wenig. „Es gibt einen nicht zu verachtenden Teil der Gesellschaft, der sein Kreuz bei der AfD gemacht hat, einer in weiten Teilen mittlerweile offen rechtsextremen Partei.“ Er bedauere es sehr, dass die SPD gerade bei den jungen Menschen offensichtlich nicht angekommen ist. „Die Politik vor Ort muss die Sprache der jungen Menschen sprechen. Da kann ein Einzelner sich jedoch nicht gegen den Trend stemmen.“ Er sei überzeugt, die Politik müsse „nicht nur Stammtisch, sondern auch Tiktok können“. Auch die Kernwählerschaft, die Arbeiter, habe man nicht ausreichend ansprechen können. Beides Aspekte, die er auch in der Wahlnachlese auf Landesebene am Montagabend einbringen will. „Ich will unsere Region nicht der AfD überlassen. Wir leben in einem unheimlich schönen Wahlkreis, für den ich mich weiter engagieren werde, das endet nicht heute“, sagt Kurt.

„Ich bin sehr glücklich über das Ergebnis.“
Alexandra Erikson (Die Linke)

Das Miteinander der Direktkandidaten der demokratischen Parteien im Wahlkreis sei gut gewesen. Aber insgesamt sei der Wahlkampf sehr hart, teils persönlich geführt worden. „Politik lebt aber davon, dass man sich nach der Wahl auch wieder in die Augen schauen kann und zu Kompromissen bereit ist. Ich würde mir wünschen, dass das nicht verloren geht“, sagt Kurt. Es gelte nun, die Probleme im Land glaubwürdig anzupacken, um der AfD nicht weiteren Vorschub zu leisten.

Über ein gutes Ergebnis ihrer Partei freut sich Alexandra Erikson (Die Linke), und das nicht nur im Bund. Im Wahlkreis erhielt sie als Direktkandidatin 4,6 Prozent (+4,6) der Erststimmen, bei den Zweitstimmen kamen die Linken auf 5,2 Prozent (+2,4). „Ich bin sehr glücklich über das Ergebnis“, sagt sie und berichtet von einer „super Stimmung“ auf der Wahlparty im Chapitol in Sevenich. Gemeinsam habe man in erster Linie die Ergebnisse im Bund verfolgt, gar nicht so sehr die Zwischenstände für ihr Erststimmenergebnis. „Ich hab gesehen, dass ich in meinem Dorf in Külz, 9,2 Prozent der Stimmen bekommen habe. Viel wichtiger ist mir aber das Bundesergebnis und dass zum Beispiel Ines Schwerdtner ihren Wahlkreis gegen Beatrix von Storch gewonnen hat“, also die Bundesvorsitzende gegen die ehemalige AfD-Europaabgeordnete. „Wir haben offensichtlich alles richtig gemacht, indem wir uns darauf konzentriert haben, was die Probleme der Menschen sind anstatt wie viele andere auf die Hetze gegen Migranten einzusteigen“, ordnet Erikson das Ergebnis ein.

„Nach der Wahl ist vor der Wahl.“
Guido Hübinger (Freie Wähler)

Ebenfalls nicht unzufrieden mit seinem Wahlergebnis ist Guido Hübinger (Freie Wähler). „Ich habe recht gute Ergebnisse eingefahren dafür, dass ich die Erwartungen nicht sehr hoch geschraubt habe“, sagt er. Dass die AfD derart stark ist, wundert ihn nicht besonders. „Die Menschen wollen einen Politikwechsel“, ist Hübinger sicher. Seinen Hut zieht er vor den Christdemokraten, denn: „Der Wahlkreis ist riesig und in den wenigen Wochen war es schwierig, Wahlkampf zu machen.“ Einen Grund für die niedrigen Prozentzahlen seiner Partei sieht er darin, dass die Wähler fast animiert worden seien, die kleinen Parteien nicht zu wählen. „Da war die Rede davon, die Stimmen seien verschenkt“, kritisiert er. So hätten die kleinen Parteien kaum eine Chance. Nun blickt er in die Zukunft: „Nach der Wahl ist vor der Wahl“, sagt Hübinger. Denn: „Die Landtagswahl steht schon vor der Tür.“

Das Wahlergebnis auf einen Blick

So haben die Menschen im Wahlkreis 199 Mosel/Rhein-Hunsrück gewählt (inklusive der Gewinne und Verluste in Klammern): Die meisten Erststimmen erhielt Marlon Bröhr, CDU, mit 38,2 Prozent (+3,9). Weitere Ergebnisse: SPD 19,3 Prozent (-7,6), Grüne 7,2 Prozent (-2,5), FDP 5,4 Prozent (-6,4), AfD 19,3 Prozent (+11,3), Freie Wähler 4,3 Prozent (-1,4), Die Linke 4,6 Prozent (+4,6), Volt 0,9 Prozent (+0,1), ÖDP 0,8 Prozent (+0,1)Auch bei den Zweitstimmen liegt die CDU vorn mit 34,9 Prozent (+5,9). Weitere Ergebnisse: SPD 17,8 Prozent (-10,7), Grüne 7,7 (-1,5), FDP 5,3 Prozent (-7,2), AfD 19,6 Prozent (+11,3), Freie Wähler 2,6 Prozent (-1,8), Die Linke 5,2 Prozent (+2,4), Tierschutzpartei 1,2 Prozent (-0,2), Die Partei 0,5 Prozent (-0,3), Volt 0,6 Prozent (+/- 0), ÖDP 0,3 Prozent (+/-0), MLPD0,0 Prozent, Bündnis Deutschland 0,2 Prozent (+0,2), BSW 4,0 Prozent (+4,0)

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