Das Areal Bahnhofstraße/„Vor dem Tor“ im Zentrum der Kreisstadt Simmern soll zukunftsfähig umgestaltet werden. Nachdem kürzlich die Abrissarbeiten – inklusive Entrümpelung, Schadstoffsanierung, Ausbau von Tankanlagen und Entkernung – für die Gebäude „Vor dem Tor“ 4, 6, 8 und 10 sowie Bahnhofstraße 1 und 3 ausgeschrieben worden sind, erreichte die Stadt eine Bauvoranfrage. Der Bauherr möchte auf einem Teil dieser Grundstücke einen großflächigen Ärzte-, Wohn- und Geschäftskomplex samt Tiefgarage errichten, der verschiedene Nutzungen ermöglichen soll – unter anderem Arztpraxen, ein Café, ein E-Sports-Assessment-Center, Gewerbe und Wohnen. Um es verkürzt auszudrücken: Die Stadt Simmern muss diesen Plänen zustimmen, doch der Stadtrat entschied sich in seiner jüngsten Sitzung mit knapper Mehrheit dagegen. Die Gegner betonen, dass sie nicht gegen ein Ärzte-, Wohn- und Geschäftshaus als solches seien, sondern die Vorgehensweise ablehnten. Befürworter indes sprechen von einem strategischen Fehler.
Hintergrund: Das Vorhaben befindet sich im noch nicht geplanten Innenbereich der Stadt. Grundsätzlich sind dort Bauvorhaben zulässig, wenn es sich unter anderem nach Art und Maß der baulichen Nutzung, Bauweise und Grundstücksfläche in die nähere Umgebung einfügt. Die Grundstücke befinden sich größtenteils im Eigentum der Stadt und liegen in dem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet „Innenstadt“. Ziel des Sanierungsverfahrens ist unter anderem, städtebauliche Missstände zu beheben. Eine Aufwertung soll das Quartier durch Entkernung, Abriss und Neugestaltung der Flächen unter Berücksichtigung einer wohnortnahen Freiflächennutzung erfahren. So steht es in den Sitzungsunterlagen für den Stadtrat.
Für Nachnutzung soll gesonderter Bebauungsplan erstellt werden
Der Stadt ist es gelungen, die Grundstücke in dem Quartier „Vor dem Tor“ weitestgehend zu erwerben. Nun sollen die Grundstücke freigestellt und neu geordnet werden. Die Nutzung der Grundstücke sowie die Steuerung der städtebaulichen Gestaltung soll durch das Aufstellen eines Bebauungsplans erfolgen. Jedwede Vorhaben müssen von der Stadt genehmigt werden. Weiter heißt es in der Vorlage: Eine Genehmigung ist zu versagen, wenn Grund zur Annahme besteht, dass das Vorhaben die Durchführung der Sanierung unmöglich macht oder wesentlich erschwert beziehungsweise den Zielen und Zwecken der Sanierung zuwiderläuft.
Und eben dies sei hier ist zu befürchten, sagt Stadtbürgermeister Andreas Nikolay. Dieses Solovorhaben in dem Plangebiet könnte die Sanierung dahingehend erschweren, dass bei einer vorzeitigen Grundstücksabgabe sowie Bebauung das Steuerungsmittel des Bebauungsplanes ins Leere läuft. Es bestehe laut Nikolay die Gefahr, dass bei der Bebauung eines Grundstücks in diesem Quartier die Neuordnung der Grundstücke und die Berücksichtigung der öffentlich-rechtlichen Belange deutlich erschwert werden. Der Stadtrat hatte zur Bewertung der Integration des Vorhabens ein Strukturkonzept in Auftrag gegeben. Ein Vertreter des Unternehmens WSW & Partner GmbH Kaiserslautern, das bisher die Planungsleistungen innerhalb des Sanierungsverfahrens erbracht hat, erläuterte nun dieses Konzept.
„Ein solches Projekt aus der Region, mit Kompetenz, Kapital und Herzblut – das lehnt man nicht ab.“
Stadträtin Sylvia Pullig (CDU)
Vorgestellt wurden drei verschiedene Varianten unter Einbeziehung des Ärztehauses. Letztlich aber haben die Ersteller des Konzepts keine Empfehlung abgegeben und die Entscheidung dem Stadtrat überlassen. Kernaussage aber war: Durch den jetzt beantragten großen Gebäudekomplex würde die weitere Bebauung weiterer Flächen in diesem Areal vorab festgelegt werden auf weitere große Bauten. Eine kleinteiligere Wohnbebauung etwa wäre dann nicht mehr möglich. Der Rat entschied sich letztlich mit zehn zu neun Stimmen bei einer Enthaltung gegen die Genehmigung, wobei Gegner und Befürworter nicht etwa einzelnen Fraktionen zuzuordnen sind.
Sylvia Pullig (CDU) versteht die Ablehnung nicht. Selbst der Stadtplaner, der das Entwicklungskonzept für das Quartier 2019 mitgestaltet hat, habe erklärt, dass der geplante Gebäudekomplex in die langfristige Quartierserschließung integriert werden könne – ohne Widerspruch zu den Sanierungszielen. „Ein solches Projekt aus der Region, mit Kompetenz, Kapital und Herzblut – das lehnt man nicht ab. Man arbeitet daran, es gemeinsam zu ermöglichen. Diese Ablehnung ist nicht nur schade – sie ist ein strategischer Fehler“, sagt die Christdemokratin.
„Wenn der jetzige Investor weiter am Ball bleibt, ist es durchaus möglich, dass der geplante Gebäudekomplex realisiert werden kann.“
Stadtrat Manfred Krämer (SPD)
Manfred Krämer (SPD) betont, dass die Mehrheit des Stadtrates sich definitiv nicht gegen ein Wohn-, Geschäfts- und Ärztehaus ausgesprochen habe. „Es ging bei diesem Beschluss nur darum, ob der Stadtrat ohne die Beplanung des gesamten Areals einem vorzeitigen Baubeginn zustimmen würde. Dazu hat er das Einvernehmen mit der Kreisverwaltung nicht hergestellt“, erläutert Krämer. Angesichts der Tatsache, dass einige Teile dieses Geländes der Stadt noch nicht gehörten, das Gelände vermutlich kontaminiert sei, mache es Sinn, zunächst die Baureife herzustellen und dann das Gelände entsprechend zu verkaufen. Erst dann könne auch ein Preis festgelegt werden. „Betrachtet man das Zeitfenster, bis die Gebäude abgerissen sind, so wird ein Baubeginn in diesem Areal frühestens Mitte, eher Ende 2026 erfolgen“, sagt er. Wenn der jetzige Investor weiter am Ball bleibe, sei es durchaus möglich, dass der geplante Komplex realisiert werden könne.
Ähnlich äußert sich Hans Eckhard Gallo (FDP). „Die FDP-Fraktion lehnt ein Ärztehaus keinesfalls ab. Ja, wir sehen einem solchen Projekt mit Wohn- und Geschäftsbereich mit Freude entgegen“, betont der FDP-Sprecher. Allerdings seien die Voraussetzungen für ein solches Projekt auf dem Areal Bahnhofstraße/„Vor dem Tor“ derzeit noch nicht gegeben. Dies sieht auch Dieter Langkammerer (aSL) so. „Ich und die aSL haben nichts gegen ein Ärztehaus und auch nicht gegen ein solches gestimmt. Lediglich sind wir nicht mit der Vorgehensweise der Investoren einverstanden“, erklärt er. Es gebe aktuell noch zu viele Unklarheiten.