Realschule plus in Oberwesel zeigt, wie Schnelltests an Schulen funktionieren können
Vor dem Unterricht geht's durch die Teststraße: So lief der erste Tag an der Realschule plus in Oberwesel
Denise Bergfeld

Rhein-Hunsrück. Die Bildungsstätte zeigt, wie Schnelltests an Schulen funktionieren können. Allerdings gibt es vonseiten einiger Eltern und Lehrer auch Kritik an den Selbsttests.

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Vor dem Betreten des Klassenraums noch schnell zum Corona-Test: Das ist seit Mitte vergangener Woche auch an der Heuss-Adenauer Mittelrhein-Realschule plus in Oberwesel Realität. Dort ist eine Teststraße in Betrieb gegangen, die sichere und möglichst schnelle Tests für die 335 Schüler bieten soll. Das schafft Vorteile: Abläufe werden gestrafft, Namen anonymisiert, und die Ansteckungsgefahr während des Testvorgangs wird reduziert. Sollte ein Test positiv ausfallen, wird kein Betroffener alleingelassen, versprechen die Verantwortlichen.

Seit Ende der Osterferien können sich alle Schüler im Rhein-Hunsrück-Kreis zweimal pro Woche auf das Coronavirus testen. Getestet werden soll in der Schule, freiwillig, unter pädagogischer Aufsicht, aber nicht zu Hause. Das gibt das Land vor, das auch die Testkits zur Verfügung stellt. Bei der Durchführung am Ort werden die Bildungseinrichtungen aber weitgehend sich selbst überlassen. Das Vorgehen stößt bei Eltern und einigen Schulen auf Kritik.

Damit nicht jede Gruppe für sich in den Klassenzimmern testen muss, hat sich die Heuss-Adenauer Mittelrhein-Realschule plus in Oberwesel ein Konzept überlegt. Ab 7 Uhr morgens finden sich die ersten Schüler auf dem Pausenhof ein. Sie stellen sich an zum Einchecken für den Test – an der frischen Luft mit Abstand und Masken. An diesem Montagmorgen übernimmt Lehrerin Franziska Seibert den Check-in. Sie weist die Schüler an, die Hände zu desinfizieren, kontrolliert, ob die Einverständniserklärungen der Eltern vorliegen, händigt Testkits mit Nummern aus, mit denen eine anonymisierte Zuordnung möglich ist.

Auf vorgezeichneten Wegen mit Abstandsmarkierungen auf dem Boden geht es für die Schüler einzeln weiter in den Musiksaal, der kurzerhand zum Testraum umfunktioniert worden ist. Dort stehen mehrere Tische mit je einem Stuhl so im Raum verteilt, dass mindestens drei Meter Abstand gewahrt werden kann und die Schüler mit dem Rücken zueinander sitzen. Denn dort testen sich die Schüler selbst – und müssen dafür ihre Masken abnehmen. In Schutzkleidung, mit Maske und Gesichtsschild ist die Hygienebeauftragte Verena Pitzen damit beschäftigt, die Abläufe zu kontrollieren, Tische zu desinfizieren und den Schülern bei Fragen weiterzuhelfen. Ruhig und ordentlich geht es zu, jeder Handgriff muss sitzen, um die Selbsttests fachgerecht vorzunehmen. Wer mit dem Testen fertig ist, nimmt den Testsensor zusammen mit dem nummerierten Blatt Papier und legt ihn auf einen der im Flur aufgestellten Tische.

Zusätzlicher Aufwand für Tests an den Bildungsstätten ist groß

Nun heißt es warten: Eine Viertelstunde geht es noch mal raus auf den Schulhof, bevor das Ergebnis abgelesen werden kann. An der Realschule plus in Oberwesel werden die Schüler seit Anfang vergangener Woche auf diese Weise auf das Coronavirus getestet. Der zusätzliche Aufwand im Vorfeld und währenddessen ist groß – wie an anderen Schulen auch. Es galt, Einverständniserklärungen einzuholen, Testräume einzurichten, Schutzkleidung zu besorgen, Gespräche mit Kindern und Eltern zu führen und sie auf ein mögliches positives Ergebnis mit den daraus resultierenden Konsequenzen vorzubereiten. Es gab Testdurchläufe mit allen Gruppen. Aber nur rund die Hälfte der Eltern hatte anfangs den Selbsttests zugestimmt. Mittlerweile machen mehr als 260 Schüler mit, knapp drei Viertel – Tendenz steigend.

„Es ging zum einen darum, eine Stigmatisierung im Klassenverband zu vermeiden, damit keiner im Falle eines positiven Tests abgestempelt wird. Das waren Bedenken von den Eltern“, erklärt Lehrer Christoph Zirfas. Hinzu kommt, dass bei den Tests nach der Hygieneverordnung ein Mindestabstand von drei Metern eingehalten werden muss. „Selbst in den Wechselklassen müssten wir die Hälfte rausschicken“, sagt Zirfas. Diese Kinder wären dann unbeaufsichtigt und müssten warten, bis die erste Gruppe fertig ist. Auch für die Lehrer sind Tests im Klassenzimmer, bei denen die Maske abgenommen werden muss, ein Risiko. Denn Lehrer von weiterführenden Schulen haben in Rheinland-Pfalz noch keinen Anspruch auf eine Impfung. In die Priorisierungskategorie 2 eingestuft wurden nur Grund- und Förderschullehrer.

Lehrer drehen Video, um zu informieren und Ängste zu nehmen

Um Schülern und Eltern im Vorfeld Ängste zu nehmen, haben die Lehrer ein Video gedreht, das über die Schulinternetseite abrufbar ist. Schulleiter Christoph Vickus begibt sich darin in die Rolle eines Schülers und durchläuft die Stationen vom Check-in bis zum Ablesen des Testergebnisses.

Auch auf die Bedeutung der Ergebnisse geht die Schule in dem Video ein. Was heißt es, wenn das Testergebnis negativ ist? „Das bedeutet, dass Du trotzdem Abstand halten und die Maske tragen musst. Denn 100 Prozent Sicherheit bietet dieser Test nicht“, erklärt die Lehrerin und pädagogische Koordinatorin Claudia Weber.

Sollte ein Testergebnis positiv sein, wird der Schüler von einem Lehrer ins Schülercafé begleitet. „Wir wollen das Kind auf keinen Fall alleine lassen“, betont Weber. Auch wenn die Lehrer selbst noch keinen Impfschutz besitzen. Sie führt aus: „Wenn man dann mit einem Kind, das womöglich positiv ist, eine ganze Zeit lang zusammensitzt und auf die Eltern wartet, ist das schon eine Herausforderung. Aber dafür können die Kinder ja nichts.“ Wichtig sei, dass die Eltern erreichbar sind, denn ein positiv getesteter Schüler kann nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause fahren. Die Eltern müssen ihren Nachwuchs dann zu einem offiziellen Test begleiten, bei dem das Ergebnis entweder bestätigt wird oder sich als fehlerhaft herausstellt.

Lego-Bausteine als Testkithalter: Schulen müssen improvisieren

An der Realschule plus waren bisher alle Testergebnisse negativ. Auch bei den rund 140 Schülern, die die Teststraße am Montagmorgen durchliefen. Dass die Schulen dabei improvisieren müssen, wird bei einem Blick auf die Fensterbank am Check-in deutlich. Dort sind Lego-Duplo-Steine in verschiedenen Farben aufgereiht. Sie dienen als Halter für die Extraktionsröhrchen und die Pufferflüssigkeit. Denn die Tests werden den Schulen nicht einzeln verpackt geliefert, sondern in größeren Gebinden.

Damit die Schüler die Einzelteile sicher zum Testplatz transportieren können, haben Lehrer die Legosteine ihrer eigenen Kinder zur Verfügung gestellt. Nach jedem Gebrauch werden diese desinfiziert. „So muss man sich dann irgendwie helfen. Man denkt immer, alles ist fertig organisiert. Das ist es aber nicht“, sagt Zirfas. Die Schutzkleidung für die Hygienebeauftragte musste die Schule selbst anschaffen. Das Land stellt nur FFP2-Masken zur Verfügung. Auch kindgerechte Testanleitungen verfasste die Schule in Eigenregie. „Was im Vorfeld auch gelaufen ist, sind ganz viele Gespräche mit Eltern und Kindern“, sagt Claudia Weber. Kinder hätten Ängste vor positiven Tests geäußert. „Eltern riefen an mit berechtigten Sorgen, wie das ablaufen soll, wenn alle im Klassenraum sitzen. Ob die Kinder sich anstecken können. Das waren für uns aber auch Hinweise und Gedanken, die das Konzept haben entstehen lassen.“

Gegen 8.30 Uhr sind am Montagmorgen die letzten Tests gemacht. Es ist eine Chance, Infektionen zu erkennen und weitere Ansteckungen zu verhindern oder zumindest zu reduzieren. 100-prozentige Sicherheit bieten die Schnelltests jedoch nicht.

Von unserer Redakteurin

Denise Bergfeld

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