Landesregierung reagiert auf das Schreiben der Bürgermeister, die die kommunale Selbstverwaltung in Gefahr sehen
VG Hunsrück-Mittelrhein: Ebling sieht Gemeinden ausreichend gefördert
Michael Ebling
Michael Ebling
Sebastian Christoph Gollnow. dpa/Gollnow

Mit einem offenen Brief an die Landesregierung hatten sich die Bürgermeister der Verbandsgemeinde Hunsrück-Mittelrhein Ende vergangenen Jahres an die Landesregierung gewandt. Nun folgte die Antwort.

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Der Tenor des offenen Briefs: Das kommunale Selbstverwaltungsrecht sei durch die Fülle der den Gemeinden übertragenen Aufgaben faktisch und die Erhöhung der Nivellierungssätze für die Realsteuer abgeschafft und die Gemeinden, vor allem die, die über keine zusätzlichen Einnahmen, beispielsweise durch Windkraftanlagen, verfügten, würden in den finanziellen Ruin getrieben. Haushaltsmittel, „die zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder für die besonderen Anforderungen zur Erfüllung bestehender oder neuer Aufgaben erforderlich sind“, stelle das Land nicht zur Verfügung. Es gebe damit keine Spielräume mehr für Selbstverwaltung.

Beispielhaft hatten VG-Bürgermeister Peter Unkel und seine Mitstreiter aus den einzelnen Ortsgemeinden die Situation in den Kindergärten aufgeführt. Wer, wie im Kita-Zukunftsgesetz gefordert, Plätze ausbauen oder eine neue Kita bauen müsse, sei oft gezwungen, einen Kredit aufzunehmen. „Während sich das Land hinter seinen Förderrichtlinien verschanzt und unabhängig von der Höhe der Baukosten lediglich einen Festzuschuss von 150.000 Euro pro Gruppe gewährt, sind die Gemeinden durch gesetzliche Vorgaben unter Verstoß gegen haushaltsrechtliche Vorschriften (Haushaltsausgleich) zu horrenden Kreditaufnahmen gezwungen“, schreiben sie weiter.

Das Land wälze die Mittelbeschaffung damit an die Gemeinden ab. Und die verfügten nicht mehr über den finanziellen Spielraum, um die Orte für alle Generationen zukunftsfähig zu gestalten, beispielsweise Neubaugebiete zu schaffen, um die jungen Familien in den Orten zu halten.

Voraussetzungen werden schwieriger

„Eine gewachsene dörfliche Struktur, wo Großeltern, Eltern, Kinder und Enkelkinder auch heute noch oft im selben Dorf leben und sich gegenseitig unterstützen, lässt sich nur aufrechterhalten und fördern, wenn der jungen Generation Bleibemöglichkeiten geboten werden“, schreiben sie und fragen: „Doch wo sollen die Gemeinden das Geld hierfür hernehmen, zumal bereits gegenwärtig aufgrund der Finanzlage dringend notwendige Investitionen für Instandhaltungsmaßnahmen an Gebäuden und Straßen immer weiter hinausgeschoben werden müssen?“

Durch die immer schwieriger werdenden Voraussetzungen würden viele Bürgermeister die Freude am Amt verlieren. Auch Gemeinderäte seien mehr und mehr frustriert aufgrund fehlender Handlungsmöglichkeiten. Das habe bereits zu Mandatsniederlegungen geführt, andere wiederum wollten nicht wieder kandidieren.

„Um die verfassungsrechtlich festgeschriebene Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden wiederherzustellen, bedarf es dringende Abhilfe seitens der Landespolitik“, schreiben de Bürgermeister und enden ihr Schreiben mit den Worten: „Unsere Forderung ist es daher, die den Gemeinden zustehende Selbstverwaltungsgarantie wiederherzustellen. Eine angemessene Unterstützung der jeweiligen Kostenträger muss für die Landesregierung oberste Priorität haben.“

Ebling hält die finanzielle Entlastung der VG und der Orte für angemessen

Nun hat Innenminister Michael Ebling den Bürgermeistern mit einem mehrseitigen Schreiben und im Auftrag von Ministerpräsidentin Malu Dreyer geantwortet. Darin macht er deutlich, dass sich die Landesregierung des hohen Guts der kommunalen Selbstverwaltung bewusst ist. „Nicht zuletzt aus diesem Grund war es ein Ziel bei der Neuregelung des kommunalen Finanzausgleichs, die Ortsgemeinde als ,Keimzelle’ des politischen Engagements zu stärken“, heißt es in dem Schreiben.

So würden die Ortsgemeinden innerhalb der VG Hunsrück-Mittelrhein im aktuellen Jahr 2 Millionen Euro mehr an Finanzausgleichsleistungen erhalten als noch 2022, zudem müssten die Städte Emmelshausen, Oberwesel und St. Goar auf ihre Schlüsselzuweisungen B keine Kreisumlage mehr zahlen.

Auch der gesamte Kreis profitiere, erhalte rund 11 Millionen Euro mehr an Finanzausgleichszahlungen als im Vorjahr. Nur die VG Hunsrück-Mittelrhein würde 1,4 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr verlieren, spare allerdings auch knapp 780.000 Euro Kreisumlage auf die Schlüsselzuweisungen B. „Vor diesem Hintergrund vermag ich Ihre Befürchtung, die kommunale Selbstverwaltung sei in Gefahr, nicht teilen. Für mein Empfinden ist das Gegenteil der Fall“, schreibt Ebling weiter.

Denn wenngleich Kindertagesbetreuung eine kommunale Pflichtaufgabe ist, so ist Bildung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Michael Ebling in seiner Antwort

Im Hinblick auf das Kita-Zukunftsgesetz (KiTaG) verweist er darauf, dass die Kindertagesbetreuung seit jeher eine kommunale Pflichtaufgabe sei und dass die Kommunen für die Bereitstellung eines bedarfsgerechten Angebots verantwortlich seien. Und dieser stehe nicht unter dem Vorbehalt einer möglichen Landesförderung. Der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe habe sich „an der Aufbringung der notwendigen Kosten angemessen zu beteiligen“. Hierzu gehörten neben Personal- und Sachkosten auch Baumaßnahmen.

Das Land unterstütze durch die landesgesetzliche Förderung der Personalkosten und Zuwendungen zu den Baumaßnahmen. „Denn wenngleich Kindertagesbetreuung eine kommunale Pflichtaufgabe ist, so ist Bildung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, schreibt der Minister.

Durch eine prozentuale Förderung sei auch gewährleistet, dass sich das Land auch an Mengensteigerungen beteilige. Auch investive Maßnahmen zum Ausbau der Kindertagesbetreuung würden auf Grundlage der Verwaltungsvorschrift zur „Gewährung von Zuwendungen zu den Baukosten von Kindertagesstätten“ gefördert. Hier­zu zählten beispielsweise Neubau und Umbau. Zudem seien 2022 Bundesmittel aus dem Konjunkturpaket in Höhe von 48,2 Millionen Euro im Zuge eines Sonderprogramms für Maßnahmen, die dem Platzerhalt und der Wiederaufnahme von Plätzen dienten, geflossen.

Geringe Mehrbelastung durch Anhebung der Nivellierungssätze

Außerdem habe es die bei einem Gesetzgebungsverfahren vorgeschriebenen Konnexitätsgespräche mit Vertretern der kommunalen Spitzenverbände gegeben, bei denen auch die finanziellen Auswirkungen des Gesetzes auf die Kommunen verhandelt worden seien. „Hier wurde über die Mehrbelastungsausgleichsrelevanz verschiedener Regelungen der KiTaG diskutiert, wobei bei zahlreichen Punkten Konsens zwischen den Verhandlungspartnern erzielt werden konnte. Bei weiteren grundsätzlichen von den Kommunen vorgetragenen Themen, bei denen keine Einigkeit zwischen Kommunen und Land bestand, ist das Bildungsministerium der Auffassung, dass die Mehrbelastungen nicht im Zusammenhang mit dem KiTaG stehen“, schreibt Ebling weiter.

Auf die Erhöhung der Nivellierungssätze geht er in seinem Schreiben ein und verweist darauf, dass der Hebesatz der Grundsteuer B innerhalb der Ortsgemeinden im Jahr 2021 leicht unter dem Bundesdurchschnitt gelegen habe. Selbst eine Anhebung um 100 Punkte gehe nur mit einer Mehrbelastung von 3,15 Euro je Einwohner und Monat einher.

Ebling verweist zudem auf den Haushalt der VG Hunsrück-Mittelrhein, der von 2020 bis 2025, mit Ausnahme eines Jahres, mit einem Überschuss abschließe. Es gelänge der VG damit, das Eigenkapital von 32,3 Millionen (2019) auf voraussichtlich 36,1 Millionen Euro bis 2025 zu erhöhen. Zudem müsste keine der kommunalen Gebietskörperschaften in der VG am Entschuldungsprogramm des Landes teilnehmen. „Auch dieser erfreuliche Umstand lässt nicht auf eine Gefährdung der kommunalen Selbstverwaltung schließen“, so der Minister abschließend.

Antwort folgt schnell

Eine Antwort Unkels ließ nicht lange auf sich warten. Der verwies darauf, dass Ebling in seinem Schreiben auf wichtige Punkte nicht eingegangen sei. Dazu zählten die „hohen, teils überzogenen Standards insbesondere bei Baumaßnahmen in Kita- und Feuerwehrbereich, die teils erdrückenden Belastungen kleiner Gemeinden infolge Kita-Investitionen, die mittlerweile verschwindend geringen Länderförderquoten im Feuerwehrbereich bei ständig steigenden Kosten“.

Dass die Finanzlage innerhalb der VG „noch gut“ sei, liege daran, dass man seit Jahrzehnten seriös wirtschafte und sich nur das geleistet habe, was man auch bezahlen könne. Allerdings werde das bald vorbei sein, wenn die Rücklage komplett aufgebraucht werde für neue Feuerwehrhäuser und -fahrzeuge sowie für Grundschulsanierungen. „Kleine Ortsgemeinden wie Morshausen und Ney werden sich wegen ihres Kostenanteils für Kita-Baumaßnahmen für lange Zeit bis zur Handlungsunfähigkeit verschulden müssen“, wird Unkel deutlich.

In der Tat sei dadurch die kommunale Selbstverwaltung dort in Gefahr. Und abschließend schreibt er: „Lassen Sie uns gemeinsam hoffen, dass wir nach der Kommunalwahl im nächsten Jahr noch überall genügend Ortsbürgermeister und Gemeinderäte haben werden.“ red/ter

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