Planer präsentieren Ergebnisse
Verkehrskonzept für Boppard: So lief der Bürgerworkshop
Wegen der aktuellen Baustelle „probt“ die Rheinalle schon mal die (bereits beschlossene) Verkehrsfreiheit. Kein Durchgangsverkehr, keine parkenden Pkw: „Der Verkehrskollaps ist ausgeblieben“, konstatierte Stadtratsmitglied Philipp Loringhoven.
Thomas Torkler

Mit dem Fahrrad in die Innenstadt oder doch mit dem Auto? Und wie sieht es dort mit Parkplätzen aus? Wie ein Verkehrskonzept für Boppard aussehen könnte, wird derzeit diskutiert. Jetzt kamen erste Erkenntnisse bei einem Bürger-Workshop auf den Tisch.

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„Gemeinsam Mobilität in Boppard gestalten: Bürger-Workshop am 19. Mai 2025 in der Stadthalle“, lautete der Titel einer Veranstaltung in der Bopparder Stadthalle. Allerdings bevorzugt die Mehrheit der Bopparder beim gemeinsamen Gestalten offenbar eher, sich in sozialen Medien zu äußern beziehungsweise kräftig „draufzuhauen“, wenn die vom Stadtrat, den Planern und einigen wenigen Bürgern erdachten und diskutierten Maßnahmen umgesetzt sind. Anders ist es nicht zu erklären, dass gerade mal 30 Personen in die Stadthalle gekommen waren, um beispielsweise solch einschneidende Veränderungen wie eine Autoverkehr-freie Rheinallee zu besprechen. Im Namen der Stadt begrüßte der Erste Beigeordnete Helmut Zindorf die wenigen Gäste.

Ebenfalls wenig Interesse hatten die Bewohner Boppards bei der zuvor erfolgten Online-Umfrage gezeigt, in der dazu aufgerufen worden war, den von der Stadt beauftragten Planern Anregungen und Denkanstöße mit auf den Weg zu geben, wie die Verkehrssituation in Boppard verbessert werden könnte. Axel Brechenser vom Planungsbüro Stadt-Land-plus musste angesichts 139 Teilnehmern an der Online-Befragung einräumen: „Der Rücklauf könnte noch besser sein.“ Von den rund 15.500 Einwohnern der Stadt haben sich also lediglich rund 0,9 Prozent an der Online-Befragung beteiligt.

Der Erste Beigeordnete Helmut Zirndorf (von links) begrüßte in der Stadthalle die Planer für das neue Verkehrskonzept der Stadt: Andreas Roll (SLB), Markus Werhahn (Verdeck) Axel Brechender (Stadt-Land-plus) und Oliver Struth (SLB).
Thomas Torkler

Immerhin brachte die Veranstaltung in der Stadthalle aber auch das Dilemma zum Vorschein, in dem Boppard hinsichtlich einer Verkehrsplanung steckt: Angesichts des historischen Stadtkerns mit seiner engen Bebauung kann es immer nur Kompromisslösungen geben. Möglicherweise ist diese Erkenntnis ja ein Grund für das Desinteresse, sich an Planungen für Verbesserungen aktiv zu beteiligen. Gleichwohl ist dies aber nach wie vor noch möglich. Jetzt, nachdem die Planungsbüros durch ihre Untersuchungen statistische Grundlagen vorgelegt haben, ist eine Basis vorhanden, auf der alle künftigen Veränderungen fußen können. Weitere Veranstaltungen mit Bürgern seien geplant, hieß es.

Neben der Stadt-Land-plus GmbH, die sich mit Fuß- und Radwegen befasst hat, lieferte die Vertec GmbH Erkenntnisse über den motorisierten Individualverkehr. Das Kompetenzzentrum Intelligente Mobilität (KIM) betrachtete den ruhenden Verkehr sowie emissionsarme Mobilität, und die SLB Architekten und Ingenieure hatten den ÖPNV unter die Lupe genommen. Sie alle stellten in der Stadthalle ihre Daten und Erkenntnisse zum Thema „Wer ist wie unterwegs?“ vor.

Die Fläche, auf der sonst Pkw dicht an dicht parken, wird derzeit durch die laufende Baustelle in Anspruch genommen.
Thomas Torkler

75 Prozent der in Boppard Beschäftigten kommen mit dem Auto zur Arbeit, führte Markus Werhan von Vertec aus. Die Untersuchung ergab aber auch, dass die Hälfte dieser Personengruppe gern aufs Auto verzichten würde beim Weg zur Arbeit. Unterschiede gibt es hier natürlich zwischen der Kernstadt und den Ortsbezirken. Hauptbelastungen gibt es auf der B9, vor allem im Bereich des nördlichen Stadtausgangs in Richtung Koblenz. Auf der B9 wurden zwischen 6600 und 8000 Fahrzeuge pro Tag gezählt. Die L210 (Buchenau) kommt auf 5800 bis 8500 Fahrzeuge, und die L209 (Buchholz) liegt zwischen 2500 und 5200 Motorisierten. Die Erhebungen erfolgten an einem normalen Werktag im September 2024.

Markus Werhan zeigte auf, welche Auswirkungen beispielsweise die bereits beschlossene Sperrung der Rheinallee für den motorisierten Verkehr haben könnte und welche Schlüsse man daraus ziehen könne. Auf der B9 sowie in der Casinostraße, der Marienberger- und der Heerstraße sei die Rheinallee-Sperrung am deutlichsten zu spüren.

Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass wir mit dem Auto direkt vors Geschäft oder Restaurant fahren können.
Philipp Loringhoven (BfB)

Ebenso wie der fließende sei der ruhende Verkehr von Interesse. An einem normalen Werktag sei in Boppard eine recht hohe Auslastung der öffentlichen Parkplätze gegeben. Und: „Bislang hatte ein Parkplatz immer eine Breite von 2,50 Meter. Das reicht angesichts der immer größer gewordenen Autos heute nicht mehr“, stellte Werhan fest und ergänzte, dass – anders als bei den Parkmöglichkeiten im Stadtzentrum – die Auslastung des Parkhauses Marienberg äußerst gering sei. Verkehrsteilnehmer in der Innenstadt müssen daher länger Ausschau nach freien Parkplätzen halten. Die Folge: „Wenn man einen Parkplatz suchen muss, ist das Verkehr, der vermieden werden kann“, sagte Werhan. Das Parkhaus Marienberg liegt fußläufig eigentlich in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum.

Stadtratsmitglied Philipp Loringhoven (BfB) formulierte diesen Knackpunkt deutlicher: „Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass wir mit dem Auto direkt vors Geschäft oder Restaurant fahren können.“ Sonya Wise, Betreiberin des Hotels Günther in der Rheinallee, braucht allerdings eine Lösung für ihre an- und abreisenden Gäste, damit diese ihr Gepäck aus- und einladen können. Durch die aktuelle Baustelle in der Rheinallee ist diese zurzeit eh schon gesperrt. „Es ist eine riesengroße Katastrophe, wir haben auch jede Woche Gäste mit Rollator“, sagte sie.

Hotelbetreiberin Sonya Wise (Mitte) fordert eine Lösung für an- und abreisende Gäste ihres Hauses in der Rheinallee, wenn diese für den Verkehr gesperrt bleibt.
Thomas Torkler

Solche Aspekte zu berücksichtigen, wird Aufgabe für die weiteren Verkehrsplanungen sein, für die Christa Meier anregt, die Geschwindigkeit herabzusetzen: „Ich habe lange in Frankfurt gelebt, dort täglich mein Fahrrad genutzt. Nach meiner Rückkehr habe ich in Boppard als Radlerin das Fürchten gelernt. Ich lasse mein E-Bike im Keller, weil es zu gefährlich ist. Ich habe das Gefühl, Radfahrer sind hier nicht gern gesehen.“ Dass das Bewusstsein für das Fahrrad als Verkehrsmittel für die Wege zur Arbeit oder zum Einkaufen noch nicht überall vorhanden ist, konnte man aus der Aussage einer anderen Besucherin in der Bopparder Stadthalle heraushören: „Fahrrad, das ist doch Tourismus, das ist Fun, das ist Bewegung.“ Um es auch als Verkehrsmittel sicher in Boppard nutzen zu können, fordert Christa Meier, die Geschwindigkeit zu reduzieren: „Tempo 30, damit nehmen wir Gefahr raus.“

Ab der Karmeliterstraße in Richtung Koblenz ist der gewohnte Zustand der Rheinalle zu beobachten. Hier parken noch die Autos.
Thomas Torkler

Die Planer nahmen solche Anregungen an, die auch im Anschluss an die Präsentation ihrer Studien in Einzelgesprächen ermöglicht wurden. An welcher Stelle in der Stadt welche Prioritäten zu setzen sind, gelte es noch herauszufinden – mithilfe der Bürger. „Wir haben keine perfekte Lösung. Dieser Abend ist dafür gedacht, mit Bürgern Lösungen zu erarbeiten“, betonte Axel Brechenser noch einmal. Aber: „Die perfekte Lösung wird es nicht geben. Wir haben nun mal einen historischen Stadtkern. Wir können Verbesserungen nur erreichen mit dem Raum, der zur Verfügung steht“, ergänzte Markus Werhan.

Die Bopparder sind ausdrücklich aufgerufen, ihre Ideen einzubringen und ihre individuellen Bedürfnisse zu formulieren. Gelegenheit dazu wird es noch geben, unter anderem in einer Bürgerversammlung – bei der sich dann hoffentlich mehr Teilnehmer einbringen.

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