Verein zur Unterstützung bedürftiger Kinder in Rumänien muss Alternative zur Hilfe finden
Verein setzt auf gezielte Spenden: Coronavirus legt Hilfsfahrt für Kinder in Rumänien auf Eis
Große Freude bereiten die liebevoll gepackten Päckchen wenige Tage nach Weihnachten im Kinderheim in Misca. ​
Verein Rumänienhilfe

Simmern. Seit fast drei Jahrzehnten betreut der Verein zur Unterstützung bedürftiger Kinder in Rumänien junge Menschen, die in besonders schwierigen Verhältnissen aufwachsen. Der in Simmern ansässige Verein, der seit vielen Jahren zweimal pro Jahr Transporte nach Rumänien unternimmt, um Heimkinder, Kindergärten, Schulen und Kirchengemeinden sowie ein Krankenhaus zu unterstützen, erlebt dieses Jahr eine Ausnahmesituation. Wenige Woche nach der erfolgreichen Fahrt im Januar, bei der traditionell viele Hilfsgüter in Einrichtungen in Alesd, Marghita, Diosig, Uileag, Luncsoara und Misca gebracht wurden, trat Stillstand ein. Die Corona-Krise trifft gerade die Kinder in den Einrichtungen hart – in der Geschichte des Vereins ist eine außergewöhnliche, dramatische Situation entstanden.

Seit Wochen beschäftigt Michael Nagel als Vorsitzenden des Vereins und seine engagierten Mitstreiter nicht nur die Corona-Krise bei uns, sondern besonders auch in Rumänien. Um ein plastisches Beispiel für die enormen Probleme zu geben, berichtet Nagel von der Situation des Kinderheimes in Alesd, in dem 21 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 6 und 21 Jahren leben. „Seit 10. März gibt es für diese Kinder in Alesd, die wir immer besuchen, eine Ausgangssperre“, sagt Nagel. „Die Situation ist sehr schwierig, denn die Kinder dürfen das Grundstück des Heimes nicht verlassen. Das Grundstück ist klein, und die Betreuer, die in der Einrichtung arbeiten, müssen jeweils zu dritt 14 Tage am Stück im Heim bleiben, bevor es eine Art Schichtwechsel gibt.“ Nagel beschreibt insbesondere in diesem Heim eine besonders belastende Situation für alle Kinder und Mitarbeiter. „Es gibt seit Monaten keinen Schulbetrieb, und es wird in diesem Schuljahr auch keinen Unterricht mehr geben. Denn das Schuljahr würde bereits Mitte Juni enden. Anders als bei uns haben die Kinder auch keine ausreichenden technischen Möglichkeiten, um eine Art Unterricht zuhause zu machen.“ In der Einrichtung in Misca mit 19 betreuten Kindern und Jugendlichen, die aus höchst problematischen familiären Hintergründen stammen und dort an den Wochentagen leben, ist die Situation ebenfalls dramatisch: „Alle Kinder mussten in ihre Familien zurückkehren. Dort leben sie in großer Armut, es gibt viele Probleme. Und vor allem gibt es keinen Unterricht mehr.“ Nagel erzählt von der hohen Analphabetenrate, die das Problem verstärkt – und davon, dass die betroffenen Familien so arm sind, dass an technische Ausstattung wie Laptops, die einen Schulunterricht zuhause ermöglichen würden, nicht zu denken ist.

Transport muss vertagt werden

Eigentlich würden jetzt die Vorbereitungen für den nächsten Besuch in Rumänien laufen, der regelmäßig im Sommer stattfindet und wichtige Hilfsgüter in die betreuten Einrichtungen bringt. Aber es liegt alles auf Eis. „Wir werden dieses Jahr im Juni nicht fahren können“, sagt Nagel. Nicht nur, weil die Situation in Rumänien seit März so problematisch ist, sondern auch, weil die Durchfahrt durch Österreich, Ungarn und die Rückreise nach Deutschland aufgrund staatlicher Vorgaben einfach keinen Sinn machen würde. Im Lager des Vereins in Wahlbach gibt es genügend Dinge, die transportiert werden könnten, aber die Fahrt ist schlichtweg nicht machbar. „Es ist unheimlich schade“, sagt Nagel, der gerne an den Transport im Januar zurückdenkt. „Wir waren mit sieben Personen mit einem Lastwagen und einem Kleinbus unterwegs“, erzählt er. Ein 40-Tonner vollgepackt mit Hilfsgütern war sechs Tage lang auf der Straße, allein zwei Tage dauerte die Hin- und Rückfahrt. „Jede Minute hat sich gelohnt“, sagt Nagel, der besonders in Erinnerung hat, welche Freude die liebevoll gepackten und gerecht bemessenen Päckchen bei den Kindern auslösten, die in den Kindergärten in Buch, in Schwabenheim und von Frauen der Gemeinde Wahlbach sowie aus der näheren Umgebung gepackt worden waren.

„Seit Jahren helfen uns diese Menschen auf diese tolle Weise“, sagt Nagel. „Und genauso bedanken wir uns bei allen Spendern und Unterstützern, die unsere Transporte und Hilfen überhaupt möglich machen. Gerade jetzt, in dieser schwierigen Zeit, haben Solidarität, Nächstenliebe und ein gutes Miteinander für mich eine besondere Bedeutung.“

Seit 1991 fährt Nagel mit dem Verein nach Rumänien, in den Jahren sind vertraute und langfristige Kontakte entstanden. Im Januar wurden insgesamt zwölf Verteilstellen angefahren, um Hilfsgüter und Geschenke abzuladen und Gespräche mit den engagierten Helfern vor Ort zu führen. „Wir sind dankbar dafür, dass wir diese Fahrt machen konnten“, sagt Nagel. Denn die Lage hat sich nur wenige Wochen danach dramatisch verändert.

Alarmierende Nachrichten

Von schönen Erlebnissen sind die Kinder und Jugendlichen im Moment weit entfernt. Aufgrund des langjährigen und offenen Austauschs ist in den vergangenen Tagen besonders deutlich geworden, wie dringend Unterstützung gebraucht wird. Nagel hat alarmierende Nachrichten erhalten, dass gerade jetzt, wo Transporte nicht möglich sind, Hilfe dringend gebraucht wird. Denn die Kinder, die in den Heimen betreut werden, wirken in der Corona-Krise ein Stück weit noch „vergessener“ als in „normalen“ Zeiten.

„Wenn es möglich ist, überlegen wir, im Herbst einen kleinen Transport zu machen, um die nötigsten Dinge nach Rumänien zu bringen“, sagt Michael Nagel, „aber es hängt davon ab, ob es die Situation erlaubt.“ Bis dahin hat sich der Verein dazu entschlossen, im Rahmen seiner Möglichkeit mit gezielten Geldspenden aktiv zu werden. „Es geht darum, die Probleme zu lösen, die am meisten drängen“, sagt Nagel. „Wir versuchen unser Möglichstes, dass die Kinder nicht vollständig vergessen werden.“ Anders als bei uns gibt es für die Kinder und Jugendlichen in den Einrichtungen, die der Verein betreut, keine soziale Hilfe und Absicherung. „Die Hilfe aus dem Ausland ist oft die einzige Unterstützung.“

Gerade jetzt sind Spenden gefragt

Für das Geld, das der Verein an die Heime gibt, die nahezu ausschließlich von Spenden leben, erhält Nagel genaue Verwendungsnachweise und Quittungen. „Wir wären im Juni sehr gerne nach Rumänien gefahren“, sagt der Vereinsvorsitzende. „Aber es ist nicht möglich. Also versuchen wir wenigstens etwas die Not zu lindern.“ Der Verein zur Unterstützung bedürftiger Kinder in Rumänien möchte seinen Beitrag dazu leisten, dass diejenigen, die gerade in Zeiten der Corona-Krise im Schatten stehen, nicht ganz vergessen werden. Volker Boch

Der Verein zur Unterstützung bedürftiger Kinder in Rumänien e.V. freut sich über Spenden, um die Arbeit für Kinder und Jugendliche in Not in der Corona-Zeit stärken zu können. Spenden sind möglich an die Konten des Vereins bei der KSK Rhein-Hunsrück (IBAN: DE96 5605 1790 0002 2022 99) und bei der Volksbank Hunsrück-Nahe (IBAN: DE37 5606 1472 0008 0007 69)

Top-News aus der Region