Prozess am Amtsgericht Simmern
Urteil: 22-Jähriger schießt auf seine Nachbarn
Vor dem Jugendschöffengericht des Amtsgerichts in Simmern musste sich ein 22-Jähriger verantworten, der mit einer Schreckschusspistole auf mehrere Menschen geschossen hat.
Werner Dupuis

Die einen machen Party, die anderen wollen in Ruhe ein Feierabendbier trinken: Erst gibt es Streit, dann eskaliert die Situation – und am Ende fallen Schüsse.

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Am 1. Juli 2023, also vor knapp zwei Jahren, eskalierte um Mitternacht ein Nachbarschaftsstreit in der Verbandsgemeinde Kirchberg. Dabei fielen Schüsse, mehrere Personen wurden verletzt. Es kam zu einem größeren Polizeieinsatz. Vom Jugendschöffengericht des Amtsgerichts in Simmern wurde jetzt nach einer intensiven Beweisaufnahme das Urteil gesprochen.

Ein Jahr Gefängnis mit zweijähriger Bewährung, 150 Stunden gemeinnützige Arbeit und vier Tage Arrest – „als Warnschuss“, so Richter Peter Hüttemann, „damit der Angeklagte sieht, wie es im Inneren eines Gefängnisses aussieht“ – lautete das Urteil. Angeklagt war ein 22-Jähriger aus der Verbandsgemeinde Simmern-Rheinböllen wegen schwerer Körperverletzung und dem unerlaubten Besitz von Schusswaffen. Wegen ausstehender Gutachten hatte sich das Verfahren so lang hingezogen.

Aus kurzer Distanz i ns Gesicht geschossen

In der Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli 2023 kam es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen dem damals 20-Jährigen und deshalb strafrechtlich als Heranwachsender geltenden Angeklagten und seinen Nachbarn. Das Verhältnis zwischen den Parteien war schon länger sehr angespannt. Während der Angeklagte mit zwei Freunden in seinen Räumen Party machte, wollten die Nachbarn zu viert in ihrer unter dieser Wohnung liegenden Garage ihr Feierabendbier trinken.

Vorangegangen waren schon etliche Auseinandersetzungen zwischen den Parteien. Kurz vor Mitternacht kam es dann zu einem offenen Streit. Mit einer Schreckschusspistole kam schließlich der Angeklagte ans Fenster seiner im ersten Stock des Hauses liegenden Wohnung und schoss damit in Richtung der vor ihrer Garage stehenden und mit ihm lautstark diskutierenden Personen. Dann stürmte der junge Mann hinunter zur Garage, in die die Nachbarn zurückgekehrt waren. Er pochte gegen die Tür. Als sie geöffnet wurde, schoss er mit einer Druckluftpistole seinem Gegenüber aus kurzer Distanz ins Gesicht. Anschließend schoss er wahllos in den Raum und verletzte mit den Stahlkugeln weitere Menschen. Dann floh er, verfolgt von seinen Kontrahenten. Die von ihnen alarmierte Polizei kam mit mehreren Streifenwagen und konnte innerhalb des Quartiers den Flüchtigen nach kurzer Suche stellen, er ließ sich widerstandslos festnehmen.

Drei Menschen erheblich verletzt

Durch die Kugeln aus der Druckluftpistole wurden drei Menschen erheblich verletzt. Alle mussten sich in ärztliche Behandlung begeben. Projektile aus der Druckluftpistole wurden unter anderem in der Uni-Klinik in Mainz entfernt. 14 Tage lang war einer der Geschädigten anschließend krankgeschrieben. Noch heute sind Narben im Gesicht und am Körper der Getroffenen vorhanden.

Akribisch versuchte Richter Hüttemann während der mehrstündigen Verhandlung des Jugendschöffengerichts, die Tat zu rekonstruieren und durch die Befragung der direkt Beteiligten, von Polizeibeamten und weiteren Zeugen Licht in das Geschehen zu bringen. Gutachten wurden verlesen, die beinhalteten, dass es durch den Einsatz der mit Stahlkugeln geladenen Druckluftpistole zu lebensbedrohlichen Verletzungen, beispielsweise durch die Schädigungen von Blutgefäßen, hätte kommen können. Wegen der kurzen Distanz während des Angriffs an der Garagentür wären auch erhebliche Verletzungen des Auges der direkt Angegriffenen möglich gewesen.

Ein Jahr Gefängnis gefordert

Für Staatsanwalt Atilay Gürbüz habe der Angeklagte im Rahmen seines aggressiven Handelns und dem Einsatz der illegal in seinem Besitz befindlichen Druckluftpistole in Kauf genommen, seinen Kontrahenten schwere, sogar lebensgefährliche Verletzungen zuzufügen. Deshalb, so der Staatsanwalt in seinem Plädoyer, habe er schwere Schuld auf sich geladen. Als Strafe forderte er ein Jahr Gefängnis mit zweijähriger Bewährung, 150 Sozialstunden und die Erstattung der Kosten des Verfahrens.

Pflichtverteidigerin Mareike Scherer wies darauf hin, dass der Angeklagte seit der ihm vorgeworfenen Tat vor knapp zwei Jahren nicht mehr straffällig geworden sei, monatlich Schmerzensgeld an einen Geschädigten zahle und die Tat bereue. Es habe sich im Vorfeld des Geschehens durch ständige Beleidigungen und verbale Angriffe bei dem Angeklagten sehr viel angestaut, das letztendlich der Grund für sein Ausrasten gewesen sei.

Angeklagter entschuldigt sich

Für Richter Hüttemann ergab die Beweisaufnahme, dass der Angeklagte ganz bewusst seine unerlaubten Waffen eingesetzt und gezielte Schüsse auf seine Nachbarn abgegeben habe. Den Arrest solle er nutzen, um die Tat zu reflektieren. Die Bewährung gebe Hilfestellung, neue Wege für eine geordnete Zukunft zu finden. Das letzte Wort nutzte der Angeklagte, um sich bei den durch sein Verhalten verletzten und geschädigten Personen zu entschuldigen.

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