Von unserer Reporterin Suzanne Breitbach
Mittelrhein. Das Wetterchaos hatte am frühen Samstagmorgen seinen Höhepunkt. Ein Regionalexpresszug auf dem Weg nach Frankfurt entgleiste auf der geraden Strecke zwischen Oberwesel und Bacharach. Der Lokführer wurde dabei schwer verletzt, zehn Fahrgäste verletzten sich leicht. Mit Hochdruck wird seitdem an der Bergung und Wiederfreigabe der Bahnstrecke und der voll gesperrten Bundesstraße 9 gearbeitet.
Um 15 Uhr tagte am Sonntagnachmittag der Krisenstab in Bingen. Möglicherweise soll die Bundesstraße 9 am Montag zum einsetzenden Berufsverkehr wieder freigegeben werden. Bis mindestens Mittwoch bleibt die Bahnstrecke zwischen Oberwesel und Bacharach voll gesperrt, wie ein Sprecher der Deutschen Bahn am Sonntagmittag bestätigte. Autofahrer müssen sich dennoch auf Einschränkungen einstellen. Möglicherweise wird eine Ampelanlage den Verkehr im Unfallbereich einspurig regeln.
[Update So, 17 Uhr] Nach der Krisensitzung der Polizei Bingen, die für den südlichen Streckenabschnitt zuständig ist, gelten folgende Regelungen für den Straßenverkehr:
- Die B9 wird in südlicher Richtung ab 6 Uhr Montagfrüh einspurig an der Zugunglücksstelle mit Ampelregelung vorbei geführt.
- Ab Bacharach in Richtung Bingerbrück wird die Straße Sonntag ab 18 Uhr komplett freigegeben.
- In Fahrtrichtung Koblenz ist die B9 zwischen Bingerbrück und Bacharach bis Montag, 6 Uhr nur für Anlieger geöffnet.
- Ab 6 Uhr wird die Bundesstraße auch in Richtung Norden wieder komplett feigegeben.
- Der Bahnverkehr bleibt voraussichtlich bis einschließlich Mittwoch gesperrt.
[2. Update Mo, 8.30 Uhr] Die gröbsten Unwetterschäden an der Bundesstraße 9 zwischen Oberwesel und Bacharach sind beseitigt. Der am Wochenende blockierte Abschnitt wieder befahrbar, teilte die Polizei am Montagmorgen mit, allerdings zunächst einspurig. Mit Verzögerungen ist also noch zu rechnen. Zwar war die vom Unfall betroffene Bahnstrecke am Sonntag bereits freigeräumt, wegen der Aufräum- und Reparaturarbeiten war am Montagmorgen aber noch kein Bahnverkehr möglich.
Zwei Kräne unterstützten die aufwändigen und umfangreichen Bergungsarbeiten. In der Nacht auf Sonntag wurde der verunglückte Zug abtransportiert. Am frühen Sonntagmorgen war die Bergung abgeschlossen. Seit Samstag wird an der Instandsetzung und Sanierung der Bahnstrecke auf einer Länge von rund 500 Metern gearbeitet. Schotter wird an- und abgefahren, alte Schwellen gegen neue getauscht.
„Es ist gar nicht so einfach, neuen Schotter übers Wochenende zu beschaffen“, sagt der Chef der örtlichen Gleisbaufirma, die seit Samstagmorgen 6 Uhr mit 15 Mitarbeitern im Schichtbetrieb im Einsatz ist. Die Geröllfänge wurden von Schlamm und Steinen befreit, so dass das zu Tal drückende Regenwasser wieder wie vorgesehen ablaufen kann. Geröll hatte den Ablauf behindert und sich über die Gleise verteilt. Neue Schwellen werden aus Wiesbaden oder Koblenz an die Unglücksstelle transportiert. Regionale Subunternehmer unterstützen die Gleisbaufirma bei ihrer schweißtreibenden Arbeit.
Zwischenzeitlich wurde der Fahrleitungsmast, der vom verunglückten Zug gerammt wurde, gegen einen neuen ausgetauscht. Die Oberleitung ist repariert. „Normalerweise hat der Zug in diesem Teilstück eine Geschwindigkeit von rund 100 Stundenkilometern drauf“, sagt ein Sprecher der Deutschen Bahn.
Aushang im Bahnhof Oberwesel: Noch läuft nichts an der linksrheinischen Bahnstrecke.
Kleiner Schaden, aber dennoch große Wirkung – ein beschädigter Kabelkanal, der neben dem Gleisbett verläuft. Dieser wurde bei dem Aufprall des Zuges beschädigt. Das hatte Auswirkungen auf das Mobilfunknetz des Betreibers Vodafone. Mehrere Mobilfunkteilnehmer waren am Samstag nicht versorgt. Mit Hochdruck wurde an dem Glasfaserkabel mit 144 Adern unter einem Zelt gearbeitet.
Ein Unglück kommt bekanntlich selten allein. Ein Erdrutsch bei Hirzenach und ein umgestürzter Baum auf die Oberleitung am südlichen Ende von Boppard waren weitere Multiplikatoren, warum der Bahnverkehr linksrheinisch weitestgehend über das Wochenende eingestellt wurde.
Ausgeschwemmtes Geröll auf den Gleisen verursachte am Samstagmorgen einen schweren Unfall zwischen Oberwesel und Bacharach: Ein Personenzug in Richtung Mainz entgleiste; der Bahnführer wurde schwer verletzt. Was die Strecke am Mittelrhein für Bahnfahrer so reizvoll macht - die Fahrt zwischen breitem Strom und steilen Hängen - wurde ihr nun zum Verhängnis: Die Wassermassen rissen Geröll und Steine mit sich nach unten und bauten gefährliche Barrikaden auf den Gleisen. Kurz vor 6 Uhr prallte der Regionalsexpress von Koblenz in Richtung Mainz auf dieses Hinderniss und entgleiste. Der Triebwagen wurde dabei noch von einer Leitplanke gestoppt. Der Schotter von den Schienen spritzte bis auf den zwischen der Bundesstraße 9 und dem Rheinufer verlaufenden Fahrradweg. Der Durchgangsverkehr wurde weitläufig umgeleitet. Der Lastkraftwagen konnte nach der Erstversorgung durch die Rettungskräfte seine Fahrt Richtung Süden fortsetzen. Die schweren Unwetter der letzten Tage haben jetzt wohl auch einen Bahnunfall verursacht: Wie ein rauschender Bach floss das Wasser in Strömen aus dem Hang am Rhein zwischen Oberwesel und Bacharach. Es riss dabei Geröll mit sich, das auf den Schienen der linksrheinischen Bahnstrecke zu einem kleinen Berg wurde. Die B9 zwischen Oberwesel und Bacharach ist gesperrt. Auch der Verkehr auf der linksrheinischen Bahnlinie ist bis mindestens Montag eingestellt. es ist noch unklar, wie lange die Reparaturarbeiten dauern werden. Circa 100 Meter Oberleitung wurden beschädigt. Die Sperrung hat auch Auswirkungen auf die Großveranstaltung Tal Total. Zwischen Oberwesel und Bacharach wird es wohl auch keinen Schienenersatzverkehr geben, wie ein Sprecher der Bahn am Samstagmorgen mitteilte. Ein schwer verletzter Lokführer, unter Schock stehende Fahrgäste und Zugpersonal, mehrere beschädigte Waggons, eine defekte Oberleitung, mehrere hundert Meter Leitplanke und eine verdreckte Bundesstraße 9 sind die Bilanz eines entgleisten Regionalexpress-Zuges am frühen Samstagmorgen. Mit 14 Kräften war die Schnelle Einsatzgruppe des Rhein-Hunsrück-Kreises im Einsatz, die sich um die zehn Fahrgäste kümmerten. Mehr als eine Stunde mussten die zehn Fahrgäste im Zug ausharren, bis auch sie den beschädigten Zug verlassen durften. Die Feuerwehr half mit einem provisorischen Gerüst, übernahm das Gepäck und half beim Überwinden der Gleise. Nach und nach stiegen die Fahrgäste aus. In der Turnhalle der Grundschule wurde die Weiterreise durch die Hilfskräfte organisiert. Viele Kräfte haben gewirkt, die letztendlich zur Entgleisung des Regionalexpresszuges führten. Über das Gleisbett, in den Grünstreifen und an die Leitplanke hat es den Zug katapultiert. Gewaltige Wasser- und Geröllmassen brachten den Regionalexpress zum Entgleisen. Wenige hundert Meter weiter wartete der zweite Geröllberg, der sich angehäuft hatte. Der Zug ist noch gar nicht alt. Zur Schadenshöhe konnte am frühen Samstagmorgen noch niemand Angaben machen. Endstation Leitplanke hieß es für den Regionalexpress zwischen Oberwesel und der Kauber Fähre. Aufgrund heftiger Niederschläge und extremen Wassermassen entgleiste der Zug mit zehn Fahrgästen an Bord kurz vor 6 Uhr am Samstagmorgen. Viel Regenwasser suchte sich seinen Weg zu Tal. Ausgerechnet zwischen dem südlichen Stadtausgang von Oberwesel und der Engelsburg (Fähre Kaub) überschwemmten Wasser und mitgeführtes Geröll die Bahngleise. Das hatte zur Folge, dass der Regionalexpress Richtung Frankfurt entgleiste.
Kläglich war die Beschilderung an den Bahnhöfen. Lediglich in Oberwesel war am Fahrkartenautomaten ein Hinweis befestigt mit dem Hinweis auf den Bergrutsch und den eingeschränkten Schienenersatzverkehr. Am Hauptbahnhof Boppard gab es einen Hinweis auf der Anzeigentafel am Bahnsteig 2 in südliche Fahrtrichtung „Streckensperrung, Zug fällt aus, Bus-Ersatzverkehr“. An den Bahnhöfen in Bad Salzig und Hirzenach gab es keinerlei Informationen.
In der Nacht von Samstag auf Sonntag wurde Oberwesel, Erbach, Breitscheid, Perscheid und Oberwesel-Dellhofen nicht mit Strom versorgt. Knapp eine Stunde waren die Orte oder Teile nicht versorgt. Ursache waren die “umfangreichen Bagger- und Bergungsarbeiten an der Bahnstrecke", wie ein Sprecher der Westnetz AG am Sonntag mitteilte.