Gastgeber berichten von langsam anlaufendem Geschäft und steigender Verweildauer am Ort - Gäste zieht es nach draußen
Umfrage: Tourismus im Rhein-Hunsrück-Kreis läuft langsam wieder an
Familien zieht es zur Erholung in die Natur: Spiel und Spaß an der frischen Luft sind in dieser Saison besonders gefragt, beispielsweise auch auf dem Campingplatz Sonneneck im Bopparder Hamm. Foto: Suzanne Breitbach
Suzanne Breitbach

Die Gastronomie und die Hotellerie haben unter dem zweimonatigen Corona-bedingten Lockdown sehr gelitten. Wie hat sich der Tourismus im Kreisgebiet entwickelt? Wir haben bei den Tourist-Informationen und Gastgebern nachgefragt.

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„Ich habe das Gefühl, dass wir sehr gut besucht sind“, sagt Stefan Rees, Leiter der Tourist-Information Boppard, bevor er sich in den Sommerurlaub verabschiedet. Campingplätze und Ferienwohnungen sind in diesem besonderen Jahr sehr gefragt. Es gibt viele Anfragen aus dem gesamten Bundesgebiet, besonders von Gästen aus Nord- und Ostdeutschland. Auch Gäste aus dem europäischen Ausland lassen sich seit mehreren Wochen wieder am Mittelrhein blicken: Niederländer, Belgier, Italiener und Franzosen urlauben neben einer Vielzahl deutscher Urlauber. Sie alle nutzen die unzähligen Wandermöglichkeiten am Mittelrhein und auf den Hunsrückhöhen. „Es läuft wieder an, auf den Wanderwegen ist die Hölle los. Eine Ferienwohnungsbelegung wie in diesem Jahr gab es noch nie“, sagt Thomas Biersch, der seit 28 Jahren in Sachen Tourismus rund um Emmelshausen verantwortlich ist.

Geierlay bleibt eine Attraktion

„Der Juni war gut, Juli und August sind ebenfalls gut ausgelastet. Aber die Verluste aus den Monaten März, April und Mai können nicht mehr aufgeholt werden“, sagt Gadah Shatanawi von der Tourist-Information Kastellaun. Erfreulich sei, dass die Hängeseilbrücke Geierlay nach wie vor Magnet in der Verbandsgemeinde Kastellaun sei. Täglich werden dort 1500 bis 2000 Besucher gezählt. Besucher müssen sich auf erhöhte Wartezeiten einstellen. Die Attraktion, die draußen ist und keinen Eintritt, sondern lediglich Parkgebühren kostet, erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit.

Alle Touristiker beobachten, dass die durchschnittliche Verweildauer steigt. Statt 2,5 bis 2,7 Tage an einem Urlaubsort zu verbringen, bleiben die Gäste jetzt länger. Freie Kapazitäten gibt es noch für die Monate September und Oktober. Und die Gäste buchen kurzfristiger als sonst.

„Die Bopparder Rheinallee ist gerade am Wochenende wieder rammelvoll. Die derzeitigen Übernachtungszahlen sind zufriedenstellend. Das Sommerloch wurde durch deutsche Urlauber gefüllt. Statt ins Ausland zu reisen, bleiben sie in Deutschland und kommen zu uns. Die Stimmung der Kollegen im Kreis ist positiv“, sagt der Dehoga-Kreisvorsitzende Josef Mayer. „Nach wie vor hat der Mundschutz bei der Bedienung von Gästen oberste Priorität. Auch die Gäste müssen sich an die Vorgaben halten, damit der Gastgeber nicht von seinem Hausrecht Gebrauch machen und ihm die Tür weisen muss“, bittet Mayer die Gastrokollegen weiterhin um Beachtung. Nur so könne ein zweiter Lockdown verhindert und die Gesundheit von Personal und Gästen geschützt werden.

Das Bopparder Ordnungsamt ist in der Hauptsaison jedes Wochenende im Duo im Einsatz. Kontrolliert werden alle Gaststätten und Hotelbetriebe, besonders die Außengastronomie ist im Fokus der Behörde. Hauptaugenmerk liegt auf den Abstandsregelungen sowie auf der Kontrolle der Kontaktlisten, die aktuell mit den anwesenden Personen übereinstimmen sollte. „Gäste und Betriebe finden es positiv, dass die Kontrollen stattfinden. Die meisten halten sich an die gesetzlichen Vorgaben“, sagt Hans-Joachim Bach von der Bopparder Ordnungsbehörde.

Hoffnung auf goldenen Oktober

Seit 2015 betreiben Horst und Anna Fogolin aus Neuwied den Campingplatz Sonneneck im Bopparder Hamm. Viel Geld haben sie in die gesamte Ver- und Entsorgung des Campingplatzes zwischen Boppard und Spay investiert. Die 320 Stellplätze auf 52.000 Quadratmetern Fläche haben im vergangenen Winter neue Strom- und Internetleitungen erhalten sowie mehr Kinderattraktionen. „Bei der Öffnung am 18. Mai herrschte totales Chaos. Alle möglichen Buchungen wurden storniert, wir sind bei null gestartet. Das Telefon klingelte ohne Pause. Nach und nach kamen die ersten Gäste aus der Region im Radius von 100 Kilometern zu uns“, berichtet Anna Fogolin.

Im Juni gab es nur deutsche Gäste, mit Ferienbeginn kamen auch Urlauber aus dem europäischen Ausland zum Campen. Die Parzellen sind mit 90 Quadratmetern verhältnismäßig groß, acht Meter Abstand zum nächsten Nachbarn sind in Corona-Zeiten Gold wert. „Die Gäste sind froh, dass sie rauskommen und ihren Urlaub genießen können. Sie halten sich an die Regeln und tragen in den vorgegebenen Bereichen Mund- und Nasenschutz. Wir waren Ende Juli erstmals komplett ausgebucht“, ergänzt Anna Fogolin. Sie hofft, dass der Campingplatz bis Ende Oktober geöffnet bleiben kann, damit für die rund 20 Mitarbeiter einschließlich Minijobber und Teilzeitkräfte nicht Kurzarbeit beantragt werden muss oder gar Kündigungen ausgesprochen werden müssen. Warten müssen hingegen die nächsten Investitionen, darunter ein drittes Sanitärgebäude als mobile Variante.

Harald Mebus von der Tourist-Information gibt einen kurzen Überblick über die Lage in Sankt Goar. Das Ausbleiben der internationalen Gäste unter anderem aus den USA, China und Korea sorgte für einen massiven Einbruch der Gästezahlen bei Unterkünften und in Restaurants. Das wichtige Ostergeschäft blieb vollständig aus. Durch zahlreiche Urlauber vorwiegend aus dem Inland hat sich die Situation aktuell verbessert. Die Besucherzahlen auf Burg Rheinfels hätten nahezu das Vorjahresniveau erreicht, obwohl kaum Busgruppen unterwegs seien, sagt Mebus.

Investitionen machen sich bezahlt

„Wir haben das Gefühl, dass der innerdeutsche Tourismus floriert und die europäischen Nachbarn zu uns kommen. Ferienwohnungen und Hotellerie sind gut gebucht, soweit Kapazitäten vorhanden sind“, sagt die Leiterin der Tourist-Information Oberwesel, Lena Höver.

In der Verbandsgemeinde (VG) Kirchberg gab es von Mitte Mai bis Ende Juli in der Summe weniger Buchungen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. „Trotz weniger Buchungen haben sich die Gäste für einen längeren Aufenthalt entschieden. Was im Mai gefehlt hat, ist im Juli mehr. Es gleicht sich aus mit steigender Tendenz. Der Monat August ist bereits gut gebucht“, gibt die Tourist-Information Kirchberg Auskunft.

Und auch im romantischen Bacharach ist ein sukzessiver leichter Aufschwung zu spüren. „Mit der Saison 2019 ist dieses Jahr nicht vergleichbar. Abgeschlossene Wohneinheiten konnten partizipieren. Hotels konnten Auflagen gut umsetzen. Wir sind zuversichtlich, mit einem tiefblauen Augen davonzukommen“, betont Christian Kuhn von der Rhein-Nahe-Touristik in Bacharach. Winzer und Gastronomen sind neue Wege gegangen, um in der Krise zu überleben. Und auch die Saat der vergangenen Jahre mit umfangreichen Investitionen in das Wander- und Radwegenetz ist in Corona-Zeiten aufgegangen, hebt Kuhn hervor. Die Gäste bewegen sich viel an der frischen Luft, ob beim Wandern oder Radfahren. Und da hat das Mittelrheintal mit den angrenzenden Hunsrückhöhen viel zu bieten.

Von unserer Reporterin Suzanne Breitbach

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