Die Verbandsgemeinde Hunsrück-Mittelrhein ist um einen zertifizierten Premiumwanderweg reicher. Begehbar ist der „Werlauer Pilz“ schon eine Weile, aber nun nahm man die Veranstaltung „Genuss am Weinberg“ zum Anlass, dem Traumschleifchen auch offiziell die Freigabe zu erteilen. Jochen Becker vom Deutschen Wanderinstitut hatte die entsprechende Urkunde mitgebracht. Darauf ist festgehalten: „Das Deutsche Wanderinstitut beurkundet hiermit, dass der Spazierweg ,Traumschleifchen Werlauer Pilz' alle Anforderungen erfüllt und daher berechtigt ist, für drei Jahre das ,Wandersiegel Premium-Spazierweg' zu führen.“
Der Weg führt über 6 Kilometer durch die Gemarkung um Werlau und überwindet dabei 120 Höhenmeter. Die Spazierwege oder Traumschleifchen sind „Traumschleifen in Kurzform“, erläuterte Jochen Becker, mahnte aber gleichzeitig, dass gutes Schuhwerk auf jeden Fall obligatorisch sein sollte, denn in Teilen führt die Wanderroute auch über den Rhein-Burgenweg. Da kann es schon mal ein wenig steiler bergauf oder hinunter gehen. Landrat Volker Boch, der mit Gattin Petra bereits vor der Eröffnung den neuen Weg unter die Füße genommen hatte, empfahl ebenfalls gutes Schuhwerk. „Wenn es zuvor geregnet hat, kann es schon mal rutschig werden.“ Da bräuchten die Spaziergänger festen Halt. Allerdings betrifft dies lediglich den Teil des Weges, der entlang des Welterbetals führt – und der mit seinen Ausblicken den reizvollsten Teil des Werlauer Pilzes darstellt. Immer wieder schaut man hinab auf den Rhein, zuerst auf St. Goar mit der mächtigen Burg Rheinfels im Vordergrund.

Vom Ameisenberg, dem Wingert des Weinguts Philipps-Mühle, zeigt sich die größte Festungsanlage am Mittelrhein in ihrer ganzen Ausdehnung. Und zurzeit wird von diesem Aussichtspunkt deutlich, welch umfangreiche Sanierungsarbeiten auf der Anlage im Gange sind. „Genuss am Weinberg“ stand an diesem Pfingstsonntag oberhalb des Ameisenbergs auf dem Programm. Die Werlauer Heimatfreunde hatten, passend zum Namen des neuen Traumschleifchens, mit einem leckeren Pilzgericht, Bratwurst und Laugengebäck mit Käse für hungrige Wanderer vorgesorgt. Die Weinkarte der Philippsbrüder Thomas und Martin wartete mit allen Geschmacksrichtungen von trocken, über halbtrocken bis lieblich auf. Weißburgunder, Spätburgunder als Rosé sowie Secco, Traubensaft, Schorle und Wasser rundeten das Angebot auf der Weinkarte ab, das natürlich vom Riesling dominiert wurde. Nachdem die Brüder auf ihrem Weingut Philipps-Mühle im Gründelbachtal in den vergangenen auf Bio-Produktion umgestellt haben, gab es in diesem Jahr den ersten zertifizierten Jahrgang der ökologisch angebauten Weine zu verkosten, sogar in der Variante alkoholfrei.
Mit Letzterer wären die Wanderfreunde auf jeden Fall sicher auf den Pfaden unterwegs. Landrat Volker Boch hatte empfohlen, ruhig vor dem Start der Tour am Ameisenberg ein Gläschen zu probieren, „aber vielleicht nicht gleich fünf“, meinte er scherzend, denn an einigen Stellen erfordere der neue Spazierweg eben Aufmerksamkeit und Konzentration. Doch eigentlich brauchen sich die Spaziergänger keine Sorgen zu machen. Um überhaupt die Zertifizierung als Premiumweg zu erhalten, bedarf es einiger Vorarbeit.

Und die lag zu großen Teilen in den Händen von Jürgen und Achim Goedert, die beiden Wegewarte, die nicht nur den Werlauer Pilz in Schuss halten. Zu tun gibt es da immer etwas. „Das muss alles gemäht werden“, nannte Wanderexperte Thomas Biersch eine der Aufgaben der Wegewarte. Biersch ist in der VG Hunsrück-Mittelrhein seit vielen Jahren nicht mehr wegzudenken, sei es beim Kulturprogramm im Zentrum am Park in Emmelshausen oder beim touristischen Angebot, das seit 15 Jahren in puncto Wandern seine Handschrift trägt. So ist die „sechste kleine Version einer Traumschleife“, wie Bürgermeister Peter Unkel formulierte, auch unter Bierschs Regie entstanden. Die Kosten betragen laut Unkels Auskunft 13.100 Euro netto. Die Leader-Aktionsgruppe Mittelrhein fördert das Projekt zu 75 Prozent.
Es wird wohl die letzte Traumschleife in der VG sein, kündigte Biersch an. Vor 15 Jahren habe man begonnen mit den Premiumwegen. „Murscher Eselsche“ und „Rabenlay“ waren damals die Ersten, die das Zertifikat als Traumschleife bekamen. Wozu das Ganze? Biersch nennt als Beispiel die „Schwede-Bure-Tour“, eine 12 Kilometer lange Rundtour zum Rhein-Burgenweg: „Die Umbenennung in Traumschleife brachte uns im Folgejahr das Dreifache an Wanderern“, berichtet Biersch. In der VG Hunsrück-Mittelrhein gibt es elf zertifizierte Premiumwege, sechs davon sind sogenannte Schleifchen. Bürgermeister Unkel sagt stolz: „Wir haben die meisten Traumschleifen zertifiziert. Und beim Werlauer Pilz sind die Ausblicke auf die Burgen einzigartig, die sechs Kilometer sind mit Attraktionen gespickt.“

Werlaus Ortsvorsteher Alexander Freund dankte allen Beteiligten, vor allem den Wegewarten Jürgen und Achim Goedert für die Umsetzung sowie den Werlauer Heimatfreunden für deren Engagement – „und allen, die geholfen und geplant haben“. Seitens der Stadt St. Goar befand die Erste Beigeordnete, Pia Trimpe-Müller, in Vertretung für Stadtbürgermeister Falko Hönisch: „Ich freue mich, dass wir so viele Menschen haben, die engagiert sind.“ So viele Wanderwege in unmittelbarer Umgebung seien „eine tolle Geschichte“.
Ein Manko gab es aber dann doch am Eröffnungstag. Bürgermeister Unkel erläuterte den Gästen, dass der Namensgeber des neuen Spazierwegs ausgerechnet am Tag der Eröffnung durch Abwesenheit glänzte: „Der Pilz ist in Rekonstruktion.“ In der Tat, gleich zu Anfang der Wanderung gelangt man an den Aussichtspunkt „Werlauer Pilz“. Aber momentan bietet dieser „nur“ einen spektakulären Rundblick auf Rheinfels, St. Goar, St. Goarshausen und das Rheintal. Ein Hinweisschild nimmt die Frage der Wanderer vorweg: „Wo ist der Pilz?“ Die Erklärung folgt im Kleingedruckten. Der Fortbestand des Pilz sei den Werlauern ein besonderes Anliegen, daher hätten die Heimatfreunde die Aufarbeitung der Holzkonstruktion in Eigenleistung übernommen. „Er befindet sich dafür in einer Halle und es geht ihm gut“, erfahren die Spaziergänger. Am Pfingstsonntag blieb der Himmel bedeckt, somit bestand also ohnehin weniger die Notwendigkeit, an dem Rastplatz unter dem massiven Holzschirm ein wenig Schatten zu genießen. Man war eher froh, dass der Himmel nicht, wie vorhergesagt, seine Schleusen öffnete.

Und schattig wird es ja dann im weiteren Verlauf des Weges, der ein Stück über den Rhein-Burgenweg bzw. den Welterbesteig führt. Bäume und Sträucher säumen den Pfad und eröffnen immer wieder den Blick hinunter ins Tal. An einer Stelle sieht man gleich drei Burgen, die Rheinfels, Katz und Maus. Und wenn dann unten vom Fluss der Schaufelraddampfer „Goethe“ sein markantes Signal vor dem Anlieger St. Goarshausen durchs Tal ertönen lässt, dann erahnen die Wanderer, warum es am Rhein so schön ist.
Noch schöner fänden es viele Anlieger am Mittelrhein, wenn die Überquerung des Stroms mit einer Brücke erleichtert würde. Die seit Jahrzehnten und weiterhin vor sich hin schlummernden Pläne der Mittelrheinbrücke kommen einem sofort in den Sinn, wenn man am Rand des steil abfallenden Geländes am Aussichtspunkt an der Rheinfels-Hütte steht. Die Blicke schweifen von der gegenüber thronenden Burg Maus hinunter auf das rechtsrheinische Ufer nach Wellmich und hinüber über den Rhein auf die linke Rheinseite nach Fellen. Hier ist sie angedacht, die Mittelrheinbrücke.
Doch die Gedanken sind schnell wieder beim Wandern, noch ein paar schmale Pfade entlang der Route, und dann schwenkt der Pilz-Weg zurück nach Werlau. Ein Stück geht es durchs Dorf, dann wieder über freies Feld, und schon sind die 6 km und 120 Höhenmeter absolviert. Sein Fahrzeug kann man übrigens bequem am Rheingoldbad abstellen, das direkt neben der Wanderroute liegt.