Das Theaterfestival „An den Ufern der Poesie“ war fast zehn Jahre lang eine etablierte Größe in Bacharach. Seit 2015 fand es im Sommer alle zwei Jahre dort statt. Doch nicht so in diesem Jahr. Für 2025 ist die Veranstaltung abgesagt. Der Grund: fehlende finanzielle Mittel und interne Unstimmigkeiten. Doch was genau steckt dahinter?
Nachdem die Idee zu dem Festival entstanden und die Kooperation mit dem Frankfurter Theater Willy Praml gefestigt worden war, feierte das Leuchtturmprojekt für die Mittelrheinregion 2015 Premiere. Zum Organisator vor Ort wurde Rainald Kauer. Der Bacharacher war von 2019 bis Anfang 2025 ehrenamtlicher Beigeordneter der Stadt mit Geschäftsbereich Bundesgartenschau (Buga) 2029, Kultur, Tourismus und Stadtentwicklung. „Es war meine Vision, das Theaterfestival An den Ufern der Poesie als nachhaltigen Kulturbeitrag zu verankern“, sagt Kauer im Gespräch mit unserer Zeitung. Besonders im Rahmen der Buga 2029 sollte das Festival eine große Bühne erfahren. Dabei arbeitete der Ehrenamtler von Anfang an mit den für die Buga-Planung Verantwortlichen zusammen. „Der Begriff Poesie wurde in die Buga-Konzeption für Bacharach aufgenommen“, betont er.
„Ideen wurden zerredet, Engagement ausgebremst, Kreativität erstickt und meine Arbeit wurde systematisch infrage gestellt.“
Rainald Kauer, ehemaliger ehrenamtlicher Beigeordneter der Stadt Bacharach
Angelehnt an diese Idee fand das Festival in den Jahren 2015 und 2017 unter der Regie der Stadt Bacharach statt. 2019 und 2022 übernahm der Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal die Veranstalterrolle. Dabei gab es unterschiedliche Darbietungen in den Städten Bacharach, Niederheimbach, Lorch, Kaub und Oberwesel. Doch schon Anfang 2024 teilte der Zweckverband mit, dass er in diesem Jahr nicht mehr die Rolle des Veranstalters übernehmen wird. „Der Zweckverband hat bereits sehr frühzeitig im Frühjahr 2024 signalisiert, dass er das Festival und die Stadt Bacharach als Veranstalter unterstützen wird, aber nicht Veranstalter sein kann“, sagt Nico Melchior vom Verband. In den vergangenen Jahren konnte der Zweckverband die Finanzierung noch durch verschiedene Förderungen und private Partner gewährleisten. 2022 hat sogar eine Kulturmanagerin das Festival professionell begleitet – ermöglicht durch die Förderung des rheinland-pfälzischen Kulturministeriums.
Da dem Zweckverband für dieses Jahr jedoch nicht die gleichen Ressourcen wie in den vorherigen Jahren zur Verfügung standen, konnte er 2025 nicht die Rolle des Veranstalters übernehmen. Daraufhin ergriff Kauer die Initiative. „Ich habe die notwendigen Beschlüsse in den Stadtrat eingebracht und mit dem Kulturstaatssekretär Jürgen Hardeck in Mainz über die Fördermöglichkeiten verhandelt und unter schwierigen Bedingungen das Beste für das Theaterfestival herausgeholt“, betont der Ehrenamtler. Auch ein Netzwerk von Sponsoren und Privatspendern habe er aufgebaut und mit den Verantwortlichen des Theaters eine konstruktive, zielführende Basis für die Zukunft erarbeitet.
Kritik an Stadtpolitik und Bürgermeister
Obwohl der Zweckverband nicht mehr die Trägerrolle übernahm, unterstützte er die Planung der Veranstaltung in bestimmten Bereichen. „Die Unterstützung umfasste insbesondere übergreifende Aufgaben, die über die Stadt Bacharach hinausgehen, wie Kommunikation, Marketing oder eine tragfähige Organisationsstruktur“, betont Melchior.
Trotz herausfordernder Umstände schien der Plan für die Umsetzung zu stehen. Aber wieso kam es am Ende doch noch zur Absage des Festivals? Schuld sei die fehlende Mitarbeit seitens der Stadtpolitik, macht Kauer deutlich. „Es gab keine ehrliche Unterstützung, sondern Widerstand ausgehend von einer durch die Kommunalwahlen 2024 erstarkten FWG-Fraktion, ihrem Bürgermeister Dieter Kemmer und dem Ersten Beigeordneten Gunter Pilger“, sagt der Ehrenamtler.
„Stadtrat und Stadtbürgermeister haben zu keinem Zeitpunkt die Absage des Festivals empfohlen oder beschlossen.“
Dieter Kemmer, Stadtbürgermeister von Bacharach
Statt konstruktiver Zusammenarbeit und gemeinsamer Lösungsfindung habe er misstrauische Kontrolle, politische Blockaden und eine Kultur des Kleinmachens, der Polemik und Ignoranz erlebt. „Ideen wurden zerredet, Engagement ausgebremst, Kreativität erstickt und meine Arbeit wurde systematisch infrage gestellt“, betont Kauer. Dieter Kemmer hat erst mit der Kommunalwahl 2024 das Amt des Bacharacher Bürgermeisters übernommen. Zuvor war Philipp Rahn (SPD) zwei Jahre lang der Stadtchef. Mit ihm hätte es eine solche Entwicklung nicht gegeben, ist sich Kauer sicher.
Diese internen Unstimmigkeiten führten dazu, dass Kauer von seinem Amt als ehrenamtlicher Beigeordneter und Hauptorganisator des Festivals vor Ort Mitte Februar zurücktrat. „Mein Rücktritt ist keine leichte Entscheidung gewesen. Ich sah keine andere Möglichkeit und musste ein Zeichen setzen, um Bacharach wachzurütteln“, erklärt der Ehrenamtler. Sein Rücktritt führte dazu, dass das Theater Willy Praml vor Ort keine konkrete Kontaktperson mehr hatte und das Festival schließlich absagte.
„Es war meine Vision, das Theaterfestival ,An den Ufern der Poesie’ als nachhaltigen Kulturbeitrag zu verankern.“
Rainald Kauer
„ Das Engagement von Herrn Kauer wurde von den ,Instanzen’ in der Bacharacher Stadtregierung offenbar nicht loyal und lösungsorientiert flankiert, sondern, wie wir das wahrgenommen haben, misstrauisch kontrollierend erstickt. Mit seinem Rücktritt haben wir unseren Ansprechpartner in der Stadt verloren“, sagt Werner Heinz vom Frankfurter Theater in einem Interview im Internetblog „Mittelrheingold“. Sollte es in Zukunft aber wieder tragfähige politische Strukturen in der Region geben, würde man sich als Theater noch mal darauf einlassen, das Festival dort zu veranstalten, betont Heinz.
Und wie schätzt Stadtchef Dieter Kemmer die Situation ein? Er weist auf die Ertrags- und Aufwandsprognosen zum Theaterfestival 2025 hin, die erheblichen Schwankungen unterlegen hätten. Der Stadtrat habe zwar Geld für das Projekt genehmigt, darin war aber noch kein Geld für die nötige Projektbegleitung und Kommunikationsarbeit enthalten. Die Planung und Betreuung der finanziellen Aspekte des Festivals seien in den vergangenen Jahren mit einigen Problemen verbunden gewesen. „Somit sah ich es als meine Pflicht an, offene Punkte im Finanzierungs- und Umsetzungskonzept für dieses Jahr kritisch zu hinterfragen“, sagt Kemmer.
„Die Fortsetzung des Theaterfestivals ist in diesem Zusammenhang auch ein Bestandteil der Konzeption zur Verstetigung der regionalen Kulturarbeit.“
Nico Melchior vom Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal
Nichtsdestotrotz hätten sowohl der Stadtrat als auch der Stadtbürgermeister die Finanzierung und Durchführung des Festivals zu jedem Entscheidungszeitpunkt unterstützt. „Der kulturelle Wert des Festivals ist mir bewusst und somit habe ich dieses auch persönlich gerne unterstützt. Stadtrat und Stadtbürgermeister haben zu keinem Zeitpunkt die Absage des Festivals empfohlen oder beschlossen“, betont der Stadtbürgermeister.
Ist die Veranstaltung damit nun für immer Geschichte? Der Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal bewirbt sich derzeit um eine Förderung im Bundesprogramm „Aller.Land“, einem Förderprogramm für Kultur, Beteiligung und Demokratie. „Im Rahmen von ,Aller.Land’ können flankierende Maßnahmen zu dem Theaterfestival abbildbar sein. Eine dauerhafte und umfängliche Finanzierung des Festivals aus diesem Programm wird nicht möglich sein. Hierzu sind dauerhaft belastbare Strukturen zu schaffen“, betont Melchior.
Festival noch nicht aufgegeben
Der Verband würde es aber auch begrüßen, wenn die Veranstaltung weitergeht. „Die Fortsetzung des Theaterfestivals ist in diesem Zusammenhang auch ein Bestandteil der Konzeption zur Verstetigung der regionalen Kulturarbeit“, sagt Melchior. Nichtsdestotrotz müsse auch hinterfragt werden, ob kommunale Körperschaften wie eine Stadt, Gemeinde oder ein kommunaler Zweckverband, dauerhaft optimale Träger für ein größeres Theaterfestival seien, betont Melchior.
Kauer gibt jedoch noch nicht auf. Er will weiter für das Projekt kämpfen. „Den Traum vom Leuchtturmprojekt mit dem Theater Willy Praml habe ich noch nicht zu Ende geträumt“, betont er.
Theaterfestival „An den Ufern der Poesie“
Die Premiere des Theaterfestivals „An den Ufern der Poesie“ wurde 2015 gefeiert. Anlass war die Geschichte rund um die Wernerkapelle in Bacharach. Die Legende besagt, dass dort im Mittelalter der christliche Junge Werner von einem Juden ermordet worden war. Das stellte sich im Nachhinein jedoch als falsch heraus. Die Folge aber waren zahlreiche Judenverfolgungen. Im Laufe der Jahre wurde der Ort zerstört. In den 1980er-Jahren gründeten einige Bacharacher Bürger den Bauverein Wernerkapelle. Sie sanierten die Ruine und machten den Ort zum Mahnmal für geschwisterlichen Umgang zwischen Christen und Juden. Um die Gedenkkultur fortzusetzen, kontaktierten die Bürger das Frankfurter Theater Willy Praml, das sich unter anderem mit Werken von Heinrich Heine beschäftigt. Dazu gehört auch das Stück „Der Rabbi von Bacherach“, in dem es um die Legende aus Bacharach geht. Es entstand das Festival „An den Ufern der Poesie“, bei dem unter anderem diese Geschichte aufgeführt wird.