"Hurra, ein Junge": Theaterabend in Riesweiler entführt in die Goldenen Zwanziger
Theaterabend in Riesweiler: Amüsante Lügen und turbulente Enthüllungen
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Szenen eines vergnüglichen Theaterabends: Professor Weber (Johannes Follert, links) und Rechtsanwalt Wehling (Christian Schulz) reden sich um Kopf und Kragen.
Christian Seibel/Theaterverein guggemo. Christian Seibel/Theaterverein g

"Hurra, ein Junge" entführt dank brillanter Situationskomik und vielen Verwechslungen kurzweilig in die Goldenen Zwanziger.

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Häufig neigen Menschen dazu, überzogene oder zwanghafte Anforderungen an Situationen oder ihre Mitmenschen zu stellen. In der Verwechslungskomödie „Hurra – ein Junge!“ wird ein jung verheirateter Professor beim 24. Theaterabend in Riesweiler dazu gedrängt, seine eigene Vergangenheit zu verleugnen, um dem auf ihm lastenden gesellschaftlichen Erwartungsdruck entsprechen zu können.

Einmal mehr haben sich die Aktiven der Theatergruppe guggemo in diesem Jahr in der Soonblickhalle an einen spielerisch sehr anspruchsvollen Stoff gewagt. Der bereits 1926 uraufgeführte Theaterklassiker „Hurra – ein Junge!“ wurde seither nicht nur unzählige Male auf deutschen Bühnen gespielt, sondern auch mehrfach verfilmt. So ließen sich die Riesweilerer Laienschauspieler in ihren Verkörperungen von großen Namen wie Theo Lingen, Willy Millowitsch und Brigitte Mira inspirieren.

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Szenen eines vergnüglichen Theaterabends (von oben, entgegen dem Uhrzeigersinn): Professor Weber (Johannes Follert, links) und Rechtsanwalt Wehling (Christian Schulz) reden sich um Kopf und Kragen. Henny (Janine Oswald), ihre Freundin Helga Lüders (Stephanie Wald) und Mutter Mathilde Nathusius (Melanie Mähringer-Kunz, von links) kommen dem Familiengeheimnis langsam auf die Spur. Um das Familiengeheimnis zu wahren, wird Fritz Pappenstil (Markus Henrich, links) als Schriftstellerin verkleidet. Einladung zum „Babyball“: Dienstmädchen Anna (Heidi Nockel) bandelt mit dem verlorenen Sohn Fritz Pappenstiel (Markus Henrich) an und sorgt mit passender Ballkleidung für zusätzliche Verwirrung und schallendes Gelächter. Fotos: Theaterverein guggemo/Seibel
Christian Seibel/Theaterverein guggemo. Christian Seibel/Theaterverein g

Die in den goldenen 1920er-Jahren spielende Komödie basiert auf den damals geltenden streng konventionellen Rollenerwartungen, die sich vor allem in den gehobeneren Gesellschaftsschichten bemerkbar machten. Eigentlich führen Professor Dr. Waldemar Weber und seine Frau Henny an ihrem ersten Hochzeitstag ein harmonisches Eheleben, wären da nicht der gestrenge Schwiegervater Geheimrat Theodor Nathusius und seine Frau Mathilde, die nach dem ersten Ehejahr langsam ungeduldig werden, weil der ersehnte Stammhalter der Familie Weber sich noch nicht anzukündigen gedenkt.

Mit immer wiederkehrenden Sticheleien gegen den Schwiegersohn, der maßgeblich für den ausbleibenden Nachwuchs verantwortlich gemacht wird, baut vor allem der Schwiegervater einen enormen Erwartungsdruck auf, der das Eheleben der Jungvermählten langsam trübt.

Ein pikantes Familiengeheimnis

In dieser ohnehin angespannten Situation taucht Rechtsanwalt Dr. Kurt Wehling, ein alter Studienfreund Waldemars, mit einem Testament auf. Dieses offenbart, dass der Professor vor seiner Ehe mit Henny bereits verheiratet gewesen ist. Aus Dankbarkeit hat er in seiner Studentenzeit seine im Sterben liegende Pensionswirtin geehelicht, die sich immer fürsorglich um ihn gekümmert, ihn finanziell unterstützt und umsorgt hat. Weber hat sich für ihre Wohltaten revanchiert, indem er die ledige Mutter durch die Heirat gesellschaftlich rehabilitiert und ihrem vaterlosen Sohn eine legitimierte Identität gegeben hat. Persönlich hat er seinen damals bereits „im Tingeltangel“ versumpften Stiefsohn jedoch nie kennengelernt.

Zum Entsetzen des Professors verkündet der Rechtsanwalt nun, dass eben dieser Sohn aufgespürt werden konnte und er sich bereits auf den Weg gemacht habe, um sein Erbe anzutreten. Weber ist außer sich: Auf keinen Fall dürfe der verlorene Sohn in der ohnehin schon prekären Familiensituation in Erscheinung treten.

Sohn ist 20 Jahre älter als „Papi“

Doch damit beschwört er die bösen Geister herauf, und so steht kurz darauf ein naiv-schrulliger Fritz Pappenstiel im Entree der Webers und will seinen „Papi“ nach all den Jahren in die Arme schließen. Der gänzlich überforderte Professor muss sich nicht nur mit der Tatsache konfrontiert sehen, dass er „plötzlich“ Vater geworden ist, sondern zur großen Belustigung der Zuschauer zudem feststellen, dass sein Stiefsohn gut 20 Jahre älter als er selbst ist.

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Szenen eines vergnüglichen Theaterabends (von oben, entgegen dem Uhrzeigersinn): Professor Weber (Johannes Follert, links) und Rechtsanwalt Wehling (Christian Schulz) reden sich um Kopf und Kragen. Henny (Janine Oswald), ihre Freundin Helga Lüders (Stephanie Wald) und Mutter Mathilde Nathusius (Melanie Mähringer-Kunz, von links) kommen dem Familiengeheimnis langsam auf die Spur. Um das Familiengeheimnis zu wahren, wird Fritz Pappenstil (Markus Henrich, links) als Schriftstellerin verkleidet. Einladung zum „Babyball“: Dienstmädchen Anna (Heidi Nockel) bandelt mit dem verlorenen Sohn Fritz Pappenstiel (Markus Henrich) an und sorgt mit passender Ballkleidung für zusätzliche Verwirrung und schallendes Gelächter. Fotos: Theaterverein guggemo/Seibel
Christian Seibel/Theaterverein guggemo. Christian Seibel/Theaterverein g

Natürlich muss Pappenstiel sofort aus dem Weg, bevor Henny und die Schwiegereltern Wind davon bekommen. Dies gestaltet sich jedoch alles andere als einfach, da der übermütige „Bubi“ seiner eigenen Wege geht und mit Unterstützung des vorlauten Dienstmädchens Anna unfreiwillig für allerhand Verwirrung sorgt. Die Situation droht schließlich zu eskalieren, als Hennys Freundin Helga Lüders, die ebenfalls ein unerwartetes Geheimnis im Gepäck hat, die Familie besucht.

Viele Notlügen und Verwechslungen

Nach vielen Notlügen und Verwechslungen, die in der ausverkauften Soonblickhalle für schallendes Gelächter und immer wiederkehrenden Szenenapplaus sorgten, ist das Ende des Stücks natürlich versöhnlich: Professor Weber bekommt Lob und Anerkennung für seine selbstlose Vermählung mit der Pensionswirtin, Fritz Pappenstiel hat endlich eine richtige Familie, und Großvater Nathusius wird immer kleinlauter. Ihm wird in all den Verwicklungen eine entscheidende Rolle zuteil, und die Familie muss feststellen, dass der gestrenge Geheimrat es mit seinen eigenen Moralvorstellungen nicht allzu genau nimmt.

„Hurra, ein Junge!“ zeichnet sich durch seinen feinen Humor aus, der maßgeblich durch die charmant übertrieben dargestellten Charaktere entsteht. Die Inszenierung in Riesweiler überzeugte durch ein präzises Mimenspiel und hervorragendes Timing der Darsteller, wodurch die urkomischen Missverständnisse und Verwicklungen erst lebendig wurden. In der Hauptrolle als naiver und schusseliger Fritz Pappenstiel brillierte Markus Henrich mit einer plump-freimütigen und zugleich sehr wandelbaren Art, die beim Publikum kein Auge trocken ließ, wohingegen Johannes Follert als unbeholfener Professor Weber eine herzliche und fast bemitleidenswerte Note ins Spiel einbrachte. Janine Oswald glänzte als Henny, die stets um Verständnis bemüht ist und Chancen eröffnet, aber auch überzeugend mit konsequenter Entschlossenheit agiert.

Brillante Situationskomik

Carlo Mähringer trat als Geheimrat Nathusius streng und unbarmherzig auf und sorgte mit seinen fortlaufenden Unterbrechungen der übrigen Figuren („Vergessen Sie Ihre Rede nicht!“) für eine brillante Situationskomik. Nur vordergründig unterdrückt spann Melanie Mähringer-Kunz als Mathilde Nathusius sehr gelungen die Fäden hinter dem Rücken ihres Mannes, während Stephanie Wald als die wesentlich selbstbestimmtere Helga Lüders die in der Weimarer Republik bereits beginnende Emanzipation der Frau deutlich offensichtlicher zum Thema des Stückes machte. Christian Schulz heizte das Geschehen mit einer selbstbewussten und liebevoll-intriganten Darstellung des Rechtsanwalts Wehling humorvoll an.

Zusätzlich brachte Heidi Nockel als Dienstmädchen Anna mit ihrer gewieften, frechen und anmaßenden Art eine erfrischende Dynamik ins Spiel. Gemeinsam stellten die Darsteller und die „stillen Geister“ des Theatervereins guggemo eine humorvolle und fesselnde Aufführung auf die Beine, die – obwohl sie gänzlich ohne Hunsrücker Mundart auskam – von den Zuschauern mit stehenden Ovationen belohnt wurde.

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