Walter Paulen aus Manubach sammelt alles rund um den Zucker
Süße Schätze im Manubacher „Zuckerstübbche“: Vom Würfel bis zur sexy Unterwäsche
Zuckerwürfel in allen erdenklichen Farben und Formen und aus den unterschiedlichsten Ländern gibt es im „Zuckerstübbche“ von Walter Paulen aus Manubach zu entdecken.
Sina Ternis

Wer zu Walter Paulen ins „Zuckerstübbche“ nach Manubach fährt, der sollte Zeit im Gepäck haben. Denn so unscheinbar das kleine Museum, das er in seinem Wohnhaus eingerichtet hat, zunächst auch wirken mag, so sehr steckt es doch voller kleiner und großer Details.

Zuckerwürfel in allen erdenklichen Farben und Formen und aus den unterschiedlichsten Ländern gibt es im „Zuckerstübbche“ von Walter Paulen aus Manubach zu entdecken.
Sina Ternis

Es ist ein Zeugnis der Hingabe, die der Rentner in sein etwas ungewöhnliches Hobby steckt, und es ist vor allem das Ergebnis jahrzehntelanger Sammelleidenschaft. Paulen hat sich dem Zucker in all seinen Varianten verschrieben. Das Herzstück des Museums sind sicherlich die Zuckerstücke. Mehr als 130.000 verschiedene Ausführungen aus 147 Ländern hat der Manubacher mittlerweile zusammengetragen. Fein säuberlich einsortiert in die Schubladen eines von einem Architekturbüro aussortierten Aktenschrankes.

Blumen, Feuerwehrautos, Katzen, Wilhelm-Busch-Motive, farbenfroh in verschiedenen Größen und Faltungen. Oft sieht nur das geschulte Auge, wo die Unterschiede zwischen den einzelnen Serien liegen. Mal ist der Rahmen um das Motiv in einer anderen Farbe, mal ist die Aufschrift auf der Unterseite des Zuckerstücks eine andere, mal ist das Papier aber auch nur anders gefaltet. Um den Überblick nicht zu verlieren, führt Paulen Listen, notiert sich, welche Motive beziehungsweise welche Ausführungen ihm noch fehlen.

Möglichkeiten durch „Such & Find“ und die „Sperrmüllzeitung“

„Manchmal ändern sich die Serien aber auch minimal, und es gibt einzelne Motive nicht“, berichtet der Experte. Kataloge, die die beiden Vereine „Europäische Gemeinschaft der Zuckersammler“ EGZ und „Der Zuckersammler-Klub Deutschlands & Freunde“ (DZDF) herausgeben, helfen ihm wiederum dabei, sich im Dschungel der unterschiedlichen Serien zurechtzufinden. „Die Hersteller selbst wissen das meist selbst nicht. Also macht sich jemand im Verein die Arbeit, diese Listen zusammenzutragen“, berichtet Paulen. Wer mit ihm redet, merkt schnell: Da ist jemand voll in seinem Element. Da geht es jemandem mittlerweile um viel mehr als nur darum, bunte Verpackungen von Zuckerwürfeln zu sammeln.

Dabei hatte alles damit einmal angefangen: 1984. Als er sein erstes Zuckerstück aus dem ehemaligen Jugoslawien mit nach Manubach brachte. Dieses ziert auch heute noch die Vitrine des Museums. Die Vitrine, in der Paulen ganz besondere Exemplare aufbewahrt und in der im Laufe der Jahrzehnte noch das eine oder andere Prachtstück dazugekommen ist. Doch zurück zum Anfang und zum Jahr 1984. Da wusste der Manubacher nämlich noch nicht, dass dieses kleine Stück süßen Zuckers einmal zu einer Leidenschaft werden würde. Zunächst einmal fristete es ein einsames Dasein. Doch es blieb. Paulen bewahrte es auf.

Weil das Auto für die Garage zu groß war, konnte ich meine Werkstatt auslagern und musste sie nicht mehr mit meiner Zuckersammlung teilen.

Walter Paulen über die Entstehung seines Museums

Einige Zeit später nahm er eine Tätigkeit in einem Unternehmen auf, das Gastronomiezubehör vertrieb. „Auf diese Weise bin ich natürlich viel herum- und häufig mit Zuckerwürfeln jeder Art in Berührung gekommen“, erinnert er sich. Und er begann zu sammeln, sich mehr und mehr hineinziehen zu lassen in die Begeisterung für die bunten kleinen Würfel. Über Zeitschriften wie „Such & Find“ und die „Sperrmüllzeitung“ hatte er auch die Möglichkeit, sein Interesse für Zucker weit zu streuen und so an ausgefallenere Exemplare heranzukommen.

Weil er in der Sperrmüllzeitung einmal monatlich international inserieren durfte, kam er auf diese Weise auch an Exemplare aus Australien oder Argentinien. Allerdings wurde ihm das schnell zu teuer. „Weil es ums Tauschen ging, musste ich jedes Mal eine Gegenleistung erbringen und auch etwas schicken. Per Luftpost kam man für ein Paket schnell mal auf 20 Mark“, berichtet Paulen mit einem Lachen.

eBay als Plattform, um günstig an Raritäten zu kommen

Dabei schätzte und schätzt er es doch eigentlich, dass er sich ein derart kostengünstiges Hobby ausgesucht hat. Das wird auch deutlich, wenn er erzählt, wie er an die einzelnen Stücke gekommen ist. Viele hat er selbst gesammelt, immer wieder haben ihm Nachbarn, Freunde und Kollegen etwas aus ihren Urlauben mitgebracht. „Manchmal habe ich auch ein Päckchen im Briefkasten, von dem ich gar nicht weiß, wer es mir eingeworfen hat“, erzählt er. Hinzu kommt, dass die beiden Vereine regelmäßig Tauschbörsen ausrichten. Dabei kann jeder seine doppelten Exemplare anbieten und sich an den Tischen der anderen Sammler bedienen. Hierzu macht sich Paulen Fotos seiner Serien – und versucht nur die mitzubringen, die ihm auch wirklich noch fehlen.

Wer den Blick schweifen lässt, der stößt auf viele Kuriositäten und Raritäten. Und praktisch monatlich kommen neue hinzu.
Sina Ternis

Einige Raritäten hat er unterdessen bei eBay ersteigert. Die Plattform sei gerade in der Anfangszeit eine wahre Goldgrube gewesen. Hier wurden weniger Zuckerwürfel, sondern vielmehr Utensilien rund um das Thema Zucker angeboten. Ein Wecker beispielsweise, den die Zeitz Zuckerfabrik 1975 herausgebracht hatte – anlässlich 30 Jahre Ende des Faschismus. Der Manubacher weiß, dass es nur noch wenige Exemplare dieses Weckers gibt und dass das Unternehmen diesen sehr gern von ihm erwerben würde. Auch andere Raritäten sind in den Regalen zu finden.

Ordner mit Postkarten, mit Zuckerpäckchen-Sammelreihen aus Italien, bei denen aus vielen Zuckertüten ein Gesamtbild entsteht, Werbegeschenke aus mehreren Jahrzehnten und Jahrhunderten, Unterwäsche aus Zuckerperlen, Zuckerhüte in verschiedenen Formen und Größen, unbearbeitetes Zuckerrohr aus unterschiedlichen Ländern, Bücher, Hefte mit Lebensmittelmarken, in denen es für Zucker ein separates Fach gab. Das liegt daran, dass Zucker lange Zeit ein kostbares Gut war. Erst als der Anbau und vor allem die Weiterverarbeitung von Zuckerrüben in Deutschland industrialisiert worden seien, sei Zucker mehr und mehr zu einem Massenprodukt geworden. Paulen hat noch Bücher, in denen Zeichnungen der ersten Maschinen zum Raffinieren abgebildet sind.

Auch die Geschichte gehört dazu

Das ist ein Nebeneffekt seines Hobbys: die intensive Auseinandersetzung mit allen Facetten. Dazu gehört auch der geschichtliche Aspekt. Hier weiß der Manubacher beispielsweise auch zu berichten, dass Zucker lange Zeit in der Werbung als gesund deklariert wurde, als etwas, das den Körper fit und schlank halte beziehungsweise mache, das für Kinder im Wachstum notwendig sei. „Das war noch bis in die 1950er- und 1960er-Jahre so. Erst anschließend fand ein Umdenken statt.“

Spannend ist auch, dass sich genau das in der Entwicklung der Zuckerwürfel zeigt. Die sind – zumindest in Deutschland – im Laufe der Jahrzehnte immer kleiner geworden. Doch auch hier gilt die Devise: Andere Länder, andere Sitten. So sind beispielsweise die russischen Würfel mehr als doppelt so groß wie die deutschen. „Dort trinkt man den Tee mit viel Zucker“, weiß Paulen. Und so kann er nahezu zu jedem Land, zu jedem Utensil eine kleine Geschichte erzählen.

Einrichtung eines Museums war Autokauf geschuldet

Jahr für Jahr wächst seine Sammlung. Durch die Mitbringsel, durch die Tauschbörsen. Mittlerweile habe sich herumgesprochen, dass in seinem Museum alles, was irgendwie mit dem Thema Zucker zu tun hat, Verwendung findet. Obwohl dem Rentner gerade einmal 16 Quadratmeter zur Verfügung stehen, findet sich immer noch ein Platz für besondere Stücke. Und die, die er dann doch nicht präsentieren kann, die macht er den Besuchern während eines Tags der offenen Tür zugänglich. Dann weitet er das Museum auf den Außenbereich aus, baut Stellwände auf, zeigt dort Plakate und Bilder, die er sonst aus Platzgründen nicht sichtbar platziert hat.

Erst 2017 hat er sich dazu entschlossen, das „Zuckerstübbche“ von einer privaten Sammlung in ein öffentlich zugängliches Museum umzuwandeln. Da nämlich kaufte er sich ein Auto, das nicht mehr in die Garage passte. „Und weil das so war, konnte ich meine Werkstatt dorthin auslagern und musste sie nicht mehr mit meiner Zuckersammlung teilen“, erzählt er lachend. Dennoch sei der Raum eigentlich zu klein – und auch nicht ideal geeignet für die Aufbewahrung von Zucker. Weil das Haus aus dem 19. Jahrhundert direkt an einen Fels gebaut wurde, ist die Luftfeuchtigkeit sehr hoch. Einige Würfel musste er deswegen schon aussortieren. Doch die besonderen Stücke, etwa die beiden ältesten Würfel in seiner Sammlung – einer aus dem Jahr 1925 – hat er so aufbewahrt, dass nichts passieren kann.

Sammlergemeinschaft ist überschaubar

Und obwohl solche Stücke oder die beiden Steiffbären, die Originalwürfel aus der Steiffkantine in Händen halten, für ihn echte Kostbarkeiten sind, weiß er, dass seine Sammlung eigentlich nur einen ideellen Wert hat, dass nur wenige Stücke dabei sind, für die er viel Geld bekommen würde. Auch die Sammlergemeinschaft ist in Deutschland sehr überschaubar, nur wenige haben sich diesem besonderen Hobby verschrieben, und die meisten davon sind in den beiden Vereinen organisiert. Anders sehe es in Italien oder Frankreich aus, wo es deutlich mehr Sammler gebe, wo auch die Zuckerproduzenten entsprechend agierten und den Markt bedienten.

Walter Paulen hat deutschlandweit zwar nicht die größte Sammlung, da gebe es welche, die mehr als 300.000 verschiedene Zuckerwürfel hätten. Allerdings, so sein Wissensstand, gebe es kein Museum dieser Art: das neben Würfeln auch eine Menge Kurioses, Einzigartiges und Spannendes zu bieten hat. Viele toll vorgetragene Geschichten inklusive.

Das Zuckermuseum in der Rheingoldstraße 139 in Manubach kann nach Terminvereinbarung unter Tel. 06743/2261 oder per E-Mail an walter@paulen.de besucht werden. Der Eintritt ist frei. Um Spenden zugunsten der Vortour der Hoffnung wird gebeten.

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