Wenn schon nicht Prinzessin, dann eben Tierärztin oder Lehrerin – das sind laut einer Studie des ProKids-Instituts für Kindheits-, Jugend- und Bildungsforschung die Traumberufe der meisten kleinen Mädchen. Für Barbara Becker stand schon sehr früh fest: Nicht ihr Thema. Die heute 27-Jährige wusste schon als Kind, was sie werden wollte, nämlich Schneiderin. Und zwar keine, die Tag für Tag Futter ausbessert oder Stoffkanten säubert. Sondern eine, die ihre eigenen Mode-Ideen umsetzt, Frauen wie Männern Lieblingsstücke auf den Leib näht.
Ein Ziel, das sie seitdem nie aus den Augen verloren und sogar noch vor ihrem 30. Geburtstag erreicht hat: Ihr Label Barbeck hat sich in Berlin bereits etabliert. Wie aber kommt ein kleines Mädchen aus Gondershausen auf eine so fixe Idee?Vielleicht spielen die Gene eine Rolle. Handwerkliche Begabung, gepaart mit Unternehmergeist, liegt in der Familie. Barbara Beckers Vater lernte Zimmermann, bevor er erfolgreicher Inhaber der Firma Bego wurde. Und in jeder Generation der Familie gab und gibt es tatsächlich mindestens eine Schneiderin. Kreativität und Modetalent sind also ebenfalls Familiensache bei den Beckers.
Gute Qualität zu fairen Preisen
23 Jahre liegen zwischen grob zusammengehefteten Geschirrtüchern auf einer Kindernähmaschine und dem ersten eigenen Ladengeschäft, das Barbara Becker kürzlich in Berlin eröffnet hat. Barbeck ist in der Hauptstadt ein Begriff für tragbare Kreationen aus hochwertiger Qualität zu fairen Preisen. Die Designerin fertigt ihre Modelle selbst – der lichte, mit hellem Holz gestaltete Verkaufsraum im Stadtteil Prenzlauer Berg ist gleichzeitig Atelier. Kunden können zusehen, wie sie an ihrer professionellen „texi“-Nähmaschine Shirts und Jacken, Röcke und Blusen anfertigt.
Das tut Barbara Becker mit maximalem handwerklichen Geschick. Schon während sie an der Konrad-Adenauer-Realschule in Emmelshausen Deutsch und Mathe lernte, durfte sie in der Schneiderei von Werner Christ ein Schülerpraktikum machen. Marianne Christ erkannte ihre Talent sofort. Schnell war klar, dass Barbara nach dem Schulabschluss bei Christ in die Lehre kommen würde. „Ich verdanke der Firma, dass ich das Schneiderhandwerk von Grund auf beherrsche“, sagt sie. „Trotzdem machte ich noch während der dreijährigen Ausbildung nebenbei mein Abitur, denn ich wollte unbedingt studieren.“
So wie kleine Mädchen davon träumen, dass ein Prinz sie in sein Schloss entführt, möchten viele junge Frauen per Modestudium an einer Kunsthochschule zur nächsten Coco Chanel werden. Nicht so Barbara Becker. „Mir war klar, dass ich neben der Kreativ-Ausbildung auch Dinge wie Marketing, Buchhaltung und Kalkulation lernen muss, um später mit meiner Mode Geld zu verdienen zu können,“ berichtet sie. „Schließlich habe ich bei meinem Vater schon von klein auf erlebt, was alles dazu gehört, wenn man seinen eigenen Betrieb hat.“
Jobs bei Boss und Levi's
Ihre Familie ließ sie zwar ungern ziehen. Aber alle waren überzeugt, dass Barbara den richtigen Weg einschlug, als sie nach Berlin umsiedelte, um sich an der renommierten „Akademie Mode und Design“ einzuschreiben.
Der Abschluss, den sie dort gemacht hat, heißt nicht etwa „Kreativ Director“, sondern „Mode- und Designmanagerin“. Folgerichtig arbeitete sie anschließend unter anderem bei Hugo Boss in der Retail-Abteilung, die sich generell mit dem Verkauf beschäftigt, und bei Michael Michalsky im Produktmanagement.
Als sie zur Marke Levi's wechselte, kam sie in deren Jeans-Spezialstore am Kurfürstendamm zum ersten Mal hautnah mit einem Trend in Berührung, der sie seitdem fasziniert: Upcycling. Im Prinzip steht dieses Wort für das ein Umgestalten und Aufpeppen von „alten“ Kleidungsstücken. „Das kann die klassische Jeansjacke sein, mit der man viele Erinnerungen verbindet, die aber mit der Zeit abgenutzt und vielleicht auch schon ein bisschen schäbig aussieht“, erklärt Barbara Becker, „aber auch die geerbte Trachtenbluse, die ich zum trendigen Sommer-Oberteil umdesigne.“
In ihrem Store findet man solche vorgeliebten Unikate, die Barbara Becker zum Beispiel von Freunden und Verwandten bekommt, oder manchmal auch auf Flohmärkten aufstöbert. Noch reizvoller für die Kunden wie für die Macherin selbst ist es aber, wenn Frau oder Mann das eigene Kleidungsstück mitbringen, um es im Barbeck-Stil neu gestalten zu lassen.
Frau und Mann, jung und alt, mollig und schlank, Barbeck-Mode zeichnet aus, dass es für jeden das Passende gibt. „Begriffe wie „Size Zero“, also die Null-Größe für extrem Magere oder „Plus Size“ – früher nannte man es Übergrößen – gibt's bei mir nicht“, betont Barbara Becker. „Jede Figur, jeder Mensch ist anders und lässt sich nicht in solche Schubladen stecken. Bei mir steht die Person im Vordergrund und nicht eine künstliche und oft bizarre Einteilung in angebliche Ideale, die uns zum Beispiel von der Werbung vorgegeben wird.“
Fair gehandelte Bio-Baumwolle
Ihr Credo: Sich in seiner Kleidung wohlzufühlen ist das wichtigste Modekriterium. Deshalb bestehen ihre Kollektionen unter anderem aus lässigen T-Shirts, bequemen Pullovern und anderen Oberteilen, die durch Farben, Drucke oder Applikationen ihr Hingucker-Extra bekommen, und nicht durch einzwängende oder unpraktische Schnitte. Das Wellnessplus liefert das Material. Barbeck-Kleidung ist überwiegend aus Bio-Baumwolle gefertigt, die sie von einem Fair-Trade-Händler bezieht – also von einem Zulieferer, der sicherstellt, dass Arbeiter und Angestellte gerecht bezahlt und nicht ausgebeutet werden.
Handgefertigt, schick, aktuell, trendig, ökologisch, fair und nachhaltig – und das in einem Geschäft, das mitten im angesagtesten Berliner Bezirk, dem Prenzlauer Berg, liegt – man könnte annehmen, dass Barbeck-Fashion einen immensen Preis hätte. Falsch. Zwar liegen beispielsweise T-Shirts mit 25 bis 35 Euro und Sweat-Shirts mit rund 70 Euro über den Kampfpreisen etwa von H & M. Sie sind aber deutlich günstiger als ähnlich geschnittene Modelle vieler prominenter Marken, die in Südostasien gerade mal zwei Euro für die Herstellung eines Shirts ausgeben und denen die katastrophalen Arbeits- und Produktionsbedingungen dort egal sind. Wie kalkuliert Barbara Becker? Als Mode- und Designmanagerin weiß sie, wie sie ihr Angebot nicht durch überflüssige Kosten verteuert. Da ist zum Beispiel ihr Prinzip „Slow-Fashion“, also eine vergleichsweise langsame Produktion: Von Barbeck gibt es nur zwei Hauptkollektionen pro Jahr. Dazwischen setzt Barbara Becker Anreize durch kreative Kampagnen mit besonderen Einzelteilen wie etwa die Sommerstücke von „Ein Tag am Wasser“ (seit 25. Juli) .
Üblich sind in der Branche übrigens pro Jahr 30 Kollektionswechsel und mehr – kostenintensiv, weil logischerweise immer ein Berg von „Altware“ übrig bleibt. Ihre Website hat die Modedesignerin selbst gestaltet. Auch um Facebook und Instagram kümmert sie sich persönlich.
Dafür hat sie sogar extra eine Ausbildung absolviert. Barbara Becker verzichtet zudem darauf, ihre Modelle auf Modeevents wie der Berliner Fashion Week auf den Laufsteg zu bringen, weil sie weiß, dass sich diese Ausgaben oft nicht einmal für große Labels rechnen. Für ihre Modefotos bucht sie keine professionellen Models. Stattdessen sucht sie „echte“ Frauen und Männer über Facebook und Instagram. Dies übrigens nicht nur, um Geld zu sparen, sondern auch aus Überzeugung: „Ich möchte meine Mode nicht an spirreldünnen unnatürlich geschminkten Mädchen und Jungs präsentieren“, sagt sie. „Zumal ich immer wieder erschrocken bin, wie das schamlose Zurschaustellen von Frauenkörpern auch in der Modeszene scheinbar immer mehr zur Normalität wird.“ Ein Blick auf ihre Website zeigt: Das „Barbeck-Lookbook“ ohne Profimodels ist dennoch professionell.
Dunkele Seiten der Modebranche
Während ihrer beruflichen Karriere hat Barbara Becker zwangsläufig die dunklen Seiten der vordergründig schillernden und glitzernden Modebranche kennen gelernt: Menschen- und vor allem frauenverachtende Bedingungen – nicht auf dem langen Weg der Produktion von Kleidung, sondern auch bei Werbung und Verkauf. „Es gibt keinen großen Unterschied zwischen der Filmbranche, wo sexuelle Übergriffe vor einigen Monaten weltweit publik wurden, und dem Mode-Business“, berichtet sie. „Deshalb engagiere ich mich auch für „#TimesUp“, einer Initiative, die von US-amerikanischen Schauspielerinnen ins Leben gerufen wurde. Kurz gesagt geht es darum, Zeichen zu setzen, dass die Zeit für Sexismus, Frauenfeindlichkeit und sexuelle Übergriffe vorbei ist.“ In Berlin begegnet man zur Zeit in allen Stadtteilen Frauen mit Barbara Beckers „#TimesUp“- Shirts.
Bei einem Berlin-Besuch lohnt es sich auf jeden Fall, die junge Designerin in ihrem Shop-Atelier zu besuchen. Barbeck-Mode für Frauen und Männer kann man aber auch von überall bequem über das Internet bestellen
Weitere Informationen über die junge Designerin gibt es bei Barbeck, Barbara Becker, Winsstraße 30, Berlin, Tel. 030/49 96 43 35, E-Mail an info@barbeck-bb.com, oder auf der Homepage www.barbeck-bb.com