Im 22. Simmerner Stadtgespräch waren die Gartenexperten Heike Boomgaarden und Werner Ollig zu Gast
Stadtgespräch in Simmern: Bäume als natürliche Klimaanlage
Die Buchhandlung Schatzinsel hatte ausreichend Exemplare der Gartenbücher von Heike Boomgaarden und ihrem Ehemann Werner Ollig geordert, sodass die beiden Protagonisten alle Signierwünsche erfüllen konnten.
Thomas Torkler

Simmern. Es ging ums Thema „Wasser“ beim Stadtgespräch im Pro-Winzkino Simmern, zu dem das Kino gemeinsam mit der Stadt und der Buchhandlung Schatzinsel kompetente Gäste eingeladen hatten, die ein deutliches Plädoyer für mehr Grün rund um die Bebauung in Städten und Dörfern hielten.

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Heike Boomgaarden ist Gartenbauingenieurin, Sachbuchautorin und vor allem bekannt durch ihre Auftritte als Expertin im SWR-Fernsehen. Ihr Ehemann Werner Ollig ist Agraringenieur. Als Leiter der Gartenakademie Rheinland-Pfalz in Neustadt erstellt er grüne Beratungs- und Weiterbildungskonzepte für den Garten und den kommunalen Bereich. Auch er tritt im TV auf, beispielsweise als Gartenexperte in der Sendung, „ARD-Buffet“.

Solch geballte Gartenkompetenz fand ihr Publikum, der Kinosaal war gut gefüllt. Werner Ollig konfrontierte das Publikum gleich mit der Realität: „Die Städte werden immer heißer, wir müssen aktiv werden, denn Trinkwasser ist unser wichtigstes Lebensmittel.“ Es gebe viel zu wenig Wasser: „Wir sprechen nicht über Trockenheit, sondern über Dürre“, sagte Ollig.

Ihren gut einstündigen Vortrag nutzte das Paar für ein eindringliches Plädoyer für mehr Pflanzen, mehr grün, weniger Stein und Beton. Anschaulich wurde das Ganze immer dann, wenn die Referenten auf der Kinoleinwand anhand von Fotos aufzeigten, wie man im eigenen Garten, aber auch im kommunalen Bereich Dinge gestalten und vor allem kleine Bausteine gegen ein extremes Aufheizen und Austrocknen von Siedlungsgebieten beisteuern kann.

Ganz verhindern kann man es wohl nicht, aber abmildern, „und Sie alle können in Ihrem Umfeld, in Ihrem Garten mitmachen und etwas tun“, versprach Heike Boomgaarden. Die Referenten sprachen von einem „letzten Weckruf“, den die Menschen als Gesellschaft erhalten hätten, angesichts immer weiter steigender Temperaturen.

Gabionensteine als Heizofen

Zum Beispiel: Ein Quader aus Gabionensteinen, mit einem halben Kubikmeter Volumen, in einem Gitterkorb im Vorgarten aufgestellt, flimmerte über die Kinoleinwand. „So etwas können wir überhaupt nicht brauchen. Das ist ein Heizofen“, ereiferte sich Ollig. Sämtliche Steinflächen rund um Wohnhäuser speicherten Hitze, und bei Temperaturen von 35 Grad im Schatten würden solche Elemente in Gärten zu zusätzlichen Hitzequellen. „Wir brauchen stattdessen kühlende Elemente – Bäume.“ Heike Boomgaarden ergänzte: Das sind natürliche Klimaanlagen.“

Die Gartenexpertin erläuterte, dass es darum gehe, das Wasser im Garten zu halten, es dorthin abzuleiten. „Wir sammeln alle das Regenwasser, indem wir es aus den Fallrohren in die Tonnen ableiten“, sagte Boomgaarden und erklärte, dass da noch mehr ist, was man tun kann.

Leite man beispielsweise das Wasser nicht nur in Regentonnen ab, sondern auf die gleiche Weise von den Fallrohren über einen Schlauch einfach in den Garten, so nehme der Boden die Feuchtigkeit auf. Auf diese Weise werde das Wasser nicht in die Kanalisation gleitet. „Wir können den Boden als Wasserspeicher nutzen.“

Dabei werde das Wasser im Herbst und Winter in den Garten abgeleitet, auf diese Weise in der Region gelassen und im Boden bevorratet. Dieses Prinzip wird „Raingarden“ genannt. Ihm gelte die Zukunft. Wasser in die Region abzulassen und Bäume zu pflanzen sei das A und O, bekräftigten die Referenten unisono.

„Bäume machen auch keinen Dreck“, betonte Werner Ollig, „sie retten uns vielleicht den Hintern.“ Man könne Bäume auf engstem Raum pflanzen. Bäume bieten Windschatten, was wiederum ein Austrocknen des Bodens verhindere, so Heike Boomgaarden. Im eigenen Garten Bäume zu pflanzen, sei das Gebot der Stunde.

Und von den Bäumen waren Boomgaarden und Ollig schnell bei Rasen und Wiese. „Na, wer hat dieses Jahr schon gemäht?“, fragte Ollig in die Runde. Einmal im Jahr zu mähen, sei wesentlich sinnvoller, als jede Woche den Rasen zu stutzen, denn „Rasen ist der Klimaverlierer“, so Ollig, „wir sind immer noch erstaunt, dass heute, im Jahr 2024, nach wie vor Geld für Rollrasen ausgegeben wird.“ Heike Boomgaarden ergänzte: „Wenige nutzen den Rasen, aber viele freuen sich, wenn die Wiese blüht.“

Statt Rasen sollte man die Fläche sich selbst überlassen. „Sie werden staunen, was da alles zum Vorschein kommt“, versprach die Gartenexpertin. Ergänzend sollten Stauden gepflanzt werden. Wege und Plätze müssten entsiegelt werden, „denn da, wo Pflanzen sind, ist es immer kühler“, ergänzte Boomgaarden und nannte einen weiteren Aspekt, den man im eigenen Garten beachten sollte: „Flache Flächen sind in Hitzemonaten überhaupt nicht sinnvoll.“ Lieber sollte man seine Gartenflächen terrassenartig anlegen. „Und Fassaden und Dächer begrünen“, so Ollig, zum Beispiel mit Efeu.

Weg vom privaten Garten gingen die Referenten dann auf die Gestaltung der Städte und Siedlungen ein. Die Versiegelung der Städte bewirke einen hohen Abfluss des Oberflächenwassers. Auch hier könnten Bepflanzungen dies abmildern. „Und gleichzeitig tun Sie etwas gegen Überschwemmungen“, schob Boomgaarden ein. Bepflanzte Flächen wirkten bei Starkregen als zusätzlicher Hochwasserschutz.

Wenn der Baum im Backofen steht

Allerdings bringe es gar nichts, wenn man Bäume und Sträucher beispielsweise auf Parkplätzen pflanzt, wo sie eingesäumt sind von den Parkflächen. Ein Baum am Straßenrand, um den kaum Erde offengelassen sei, könne gar nicht gedeihen, denn: „Wie soll ein Baum wachsen, wenn er im Backofen steht?“, fragte Ollig.

Stattdessen müssten in Siedlungsgebieten und Städten Flächen geschaffen werden, die in der Lage sind, große Mengen an Wasser aufzunehmen und zeitverzögert wieder abzugeben. Städte, die solche Flächen konzipieren und umsetzen, werden auch als „Schwammstädte“ bezeichnet, erklärten Boomgarden und Ollig und zeigten Beispiele auf der Kinoleinwand. Eine Großstadt, die dies zeitig erkannt habe, sei Paris, wo man frühzeitig damit begonnen habe, der Versiegelung entgegenzuwirken.

Und immer wieder Bäume. Die Referenten wurden nicht müde, zu betonen, wie wichtig es sei, Bäume zu pflanzen. „Bäume sind kostenlose Klimaanlagen“, sagte Boomgarden. Ollig ergänzte: „Die Bäume sind die Guten.“

„Und was sage ich dem Nachbarn, der argumentiert, dass Bäume Arbeit machen und den Asphalt beschädigen?“, fragte nach dem Vortrag eine Zuschauerin die Experten. Werner Ollig hatte kein Gegenargument für den Nachbarn, aber er stellte unmissverständlich klar: „Wir müssen einfach umdenken.“ Dazu gehöre das Pflanzen von Bäumen, auch wenn es Menschen tun, die vielleicht aufgrund ihres Alters sich gar nicht mehr in ausreichendem Maß an dem gedeihenden Baum erfreuen, geschweige denn dessen kühlende Wirkung noch erleben können.

„Diejenigen haben's verstanden, die jetzt für die Folgegenerationen Bäume pflanzen“, lautete Werner Olligs Credo. Und als ihr Mann noch zu einer Ergänzung anhob, unterbrach ihn Heike Boomgaarden lächelnd: „Das ist jetzt das richtige Schlusswort.

Ein Fläschchen vom Wingertsberg

Das letzte Wort war damit aber noch nicht gesprochen, denn Stadtbürgermeister Andreas Nikolay dankte den Referenten für den spannenden Vortrag und berichtete ihnen, dass vor einigen Jahren die Stadt Simmern zumindest an einer Stelle vorbildlich gehandelt habe, als man am Simmersee einen Weinberg anlegte. Ein Fläschchen vom Wingertsberg durften Werner Ollig und Heike Boomgaarden dann mit nach Hause nehmen.

Von Thomas Torkler

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