Wahrscheinlich wird sie Kette, Ohrstecker und Ringe nie wiedersehen. Schmuckstücke, die Sandra Bruns' Urgroßmutter auf ihrer Flucht aus Westpreußen bei sich trug, versteckt in einem Muff vor ihrem Bauch, in dem sie auch ihre Hände vor der Winterkälte verbarg. Irgendwann wollte Sandra Bruns den Schmuck an ihre eigene Tochter weitergeben. Doch dazu wird es wohl nicht mehr kommen.
Vor einigen Tagen waren Einbrecher im Vorderhunsrück und am Mittelrhein unterwegs. Ihr Ziel waren Wohnhäuser in Emmelshausen, Leiningen, Dellhofen und Damscheid. Auch bei der 46-jährigen Journalistin, die mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Emmelshausen lebt, wurde eingebrochen. Und nur zwei Tage später erneut in ihrer direkten Nachbarschaft. Nun geht in der Region die Angst vor weiteren Taten um, und die 46-Jährige möchte ihre Mitmenschen warnen.
„Ich habe immer gedacht, uns kann das nicht passieren. Unser Haus sieht von außen nicht danach aus, als wäre dort viel zu holen“, sagt Sandra Bruns. Als sie mit Mann und Tochter donnerstags gegen 15 Uhr das Anwesen verlässt, um in Bacharach Freunde zu besuchen, ist es sehr neblig. Am Abend gegen 19.30 Uhr kehrt die Familie zurück. Vor der eigenen Haustür ist es stockduster. „Ich habe meine eigene Hand vor Augen nicht mehr gesehen“, sagt Sandra Bruns. Sie kramt ihren Schlüssel hervor. Aber sie kann die Haustür nur einen Spalt weit öffnen. Von innen ist die Sicherheitskette vorgelegt.
Die Haustür ist von innen mit der Sicherheitskette verriegelt
„Jetzt bist Du urlaubsreif, habe ich gedacht“, sagt die 46-Jährige. Sie kann sich im ersten Moment nicht erklären, wer das getan haben könnte. Ihr erster Gedanke gilt ihrer Mutter, die einen Schlüssel zum Haus der Familie besitzt: „Ich habe sie angerufen und zusammengefaltet, warum sie denn von innen die Kette vorgelegt hat.“ Aber ihre Mutter beteuert, sie sei gar nicht im Haus gewesen. Jetzt wird Sandra Bruns misstrauisch. Sie geht um das Haus herum. Am Wohnzimmerfenster ist das Rollo ein Stück heruntergezogen. Durch das Fenster kann sie erkennen, dass die Terrassentür sperrangelweit offensteht. Sie bekommt Angst und ruft die Polizei. „Die Kollegen aus Boppard waren in einer halben Stunde bei uns“, sagt sie. Aber die Einbrecher waren zu dem Zeitpunkt längst über alle Berge.
Auf der Terrasse hatten sie eine leere Flasche Ouzo hinterlassen. Vor der Terrassentür bemerkt Sandra Bruns eine Lache mit Flüssigkeit. „Es stank nach Alkohol. Mein erster Gedanke war: Das waren Jugendliche, die sich hier einen gezwitschert haben.“ Am Ende stellt sich aber heraus, dass die Ouzo-Flasche wie auch die vorgelegte Sicherheitskette ein Kalkül der Einbrecher waren.
Nachdem die Polizei die Spuren gesichert hat, darf auch Familie Bruns ihr Haus wieder betreten. Dort offenbart sich ein Bild der Verwüstung. Schränke sind aufgerissen, der Inhalt liegt wild über den Fußboden verstreut. Der erste Gedanke der Journalistin gilt ihrem Laptop mit all den Daten. „Hoffentlich ist der Laptop noch da“, fährt es ihr durch den Kopf. Aber auf diesen hatten es die Täter nicht abgesehen. Wie die Kripo später erklärt, schrecken Einbrecher davor oft zurück, weil die Geräte zurückverfolgbar sind und sich auch nicht so gut verkaufen lassen. Dafür stahlen sie bei Familie Bruns vor allem Familienerbstücke, wie das Silberbesteck, Schmuck und Bargeld. Vor dem Sparschwein der Tochter, die ihr gesamtes Kommuniongeld darin aufbewahrte, machten die Täter ebenso wenig Halt, wie vor dem Ankleidezimmer der Mutter.
Zwei Tage später folgt der nächste Einbruch in direkter Nähe
„Meine ganze Unterwäsche lag auf dem Boden verstreut. Das hat mich am meisten geschockt, weil das so privat ist“, sagt die Journalistin. Bis heute hat es die Familie nicht komplett geschafft, das Chaos zu bewältigen, das die Einbrecher hinterlassen haben. „Wir arbeiten uns Zimmer für Zimmer vor“, sagt Bruns. Mit Desinfektionsmittel hat sie alle Schränke und Türen abgewaschen. Die Vorstellung, dass fremde Menschen ihr privates Zuhause eingedrungen sind, ekelt die 46-Jährige an. „Ich kann schlecht schlafen“, sagt sie. Vor allem seitdem sie gehört hat, dass zwei Tage später in der direkten Nachbarschaft erneut eingebrochen wurde. Nach ersten Schätzungen der Familie beläuft sich der Schaden inklusive der aufgehebelten Terrassentür auf 16.000 bis 17.000 Euro. Der ideelle Verlust wiegt aber weitaus schwerer.
Sandra Bruns holt drei mit Edelsteinen besetze Broschen hervor. Die einzigen Schmuckstücke, die ihr von ihrer Urgroßmutter geblieben sind. „Ich mag keine Broschen, deshalb lagen diese hier bei meiner Mutter“, sagt sie. Die passenden Ringe, Ohrringe und Anhänger und Ketten haben die Einbrecher mitgenommen. Ebenso wenig wie die Markenparfums aus dem Badezimmer, ihre Verlobungsringe, Uhren, Manschettenknöpfe und das Tafelsilber, ebenfalls ein Familienerbstück. Sechs Messer sind geblieben. Warum gerade sechs Messer? „Wir vermuten, dass die Täter beim Einpacken gestört wurden“, sagt Sandra Bruns. Denn genau für diesen Fall hatten sie die Sicherheitskette von innen vorgelegt: Um wertvolle Zeit zu gewinnen, sollten die Hausbesitzerzurückkommen.
Ein Kripobeamter klärt die Familie am nächsten Tag außerdem auf, was es mit der Flasche Ouzo auf sich hat. Der Alkohol zersetzt die DNA-Spuren. Die Täter hatten den Ouzo nicht etwa selbst getrunken, sondern gegen die Terrassentür gegossen, die sie zuvor mit einem Werkzeug gewaltsam aufgehebelt hatten. Das erklärt auch die Lache vor der Tür. Drei Einbrecher müssen es gewesen sein, so viel konnte die Polizei am nächsten Tag noch anhand der Schuhabdrücke feststellen.
Mit der Schadensaufstellung ist die Familie jetzt fertig. Sandra Bruns ist immer noch geschockt: „Wir dachten, wir haben nicht viel“, sagt die Journalistin. Die Familie hat sich mittlerweile von einem Polizeibeamten aus dem Koblenzer Polizeipräsidium beraten und Tipps geben lassen, wie sie ihr Haus vor Einbrüchen schützen kann. Entsprechende Vorkehrungen haben sie bereits getroffen. Das schlechte Gefühl, dass Fremde ins eigene Haus eingedrungen sind, wird die Familie trotz allem wohl noch einige Zeit beschäftigen.
Wer sich informieren möchte, wie das eigene Haus vor Einbrechern geschützt werden kann, kann sich an das Polizeipräsidium Koblenz wenden, Sachbereich „Zentrale Prävention“, und einen Termin vereinbaren: E-Mail an beratungszentrum. koblenz@polizei.rlp.de oder Telefon 0261/103 28 65