Kuriosum im Dorf Mühlpfad
Sieben Helfer warten auf gerade mal 26 Wahlberechtigte
Routine im Wahlbüro in Mühlpfad (von links): Alexander Vogt, Johannes Vogt, Daniel Düffels, Florian Kneip und Wähler Yanni Wetzlar
Philipp Lauer

Für manch einen zog sich der Wahlsonntag ewig lang hin, für andere wiederum verging er wie im Flug. Allen gemein war sicherlich, dass sie die Schließung der Wahllokale – und damit auch die ersten Hochrechnungen – herbeigesehnt haben. 

Recht kurz war die Nacht für Florian Kneip. Der Ortsbürgermeister von Mühlpfad in der Verbandsgemeinde Hunsrück-Mittelrhein, der kleinsten Ortsgemeinde im Rhein-Hunsrück-Kreis, war am Abend zuvor noch in einem Nachbarort auf einer Kappensitzung, nun musste er das Gemeindehaus aufschließen und die Wahlhelfer vereidigen. Eigentlich handelt es sich ja nicht um eine Vereidigung, sondern lediglich um eine Verpflichtung. Vor Beginn der Wahlhandlung muss der Wahlvorsteher – in Mühlpfad Ortsbürgermeister Kneip – den Wahlvorstand zur Verschwiegenheit und zur unparteiischen Wahrnehmung des Amtes verpflichten. Ruckzuck war dies erledigt, und so konnte das Wahllokal pünktlich um 8 Uhr öffnen.

Knapp 80.000 Wahlberechtigte waren im Rhein-Hunsrück-Kreis dazu aufgerufen, den 21. Deutschen Bundestag zu wählen – exakt waren es 79.974 Einwohner. Nachdem die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP im November zerbrochen war und Kanzler Olaf Scholz wie gewünscht eine Vertrauensfrage im Parlament verloren hatte, wurde die eigentlich für Herbst geplante Wahl vorgezogen.

Gerade einmal 47 Wahlberechtigte gibt es in Mühlpfad. Knapp die Hälfte, 21 Wähler oder 44 Prozent, hatten ihr Votum bereits per Briefwahl abgegeben. „Wir warten heute also auf 26 Wähler“, sagte das Mühlpfader Dorfoberhaupt. Die spannende Frage sei: „Erreichen wir 100 Prozent Wahlbeteiligung?“

Zum ersten Mal fand die Wahl in Riesweiler im zentral gelegenen Feuerwehrgerätehaus statt. Die Resonanz auf den Umzug vom Gemeindehaus zur Feuerwehr war positiv. Um die Mittagszeit hatten schon zwei Drittel der Wahlberechtigten, also 66 Prozent, ihre Stimme abgegeben. Um 15.45 Uhr waren es schon mehr als 80 Prozent.
Werner Dupuis

100 Prozent Wahlbeteiligung? Davon ist die Ortsgemeinde Lautzenhausen in der Verbandsgemeinde Kirchberg bei den jüngsten Kommunalwahlen weit entfernt gewesen. Bei der Ortsbürgermeisterwahl im Juni 2024 hatten lediglich 47,6 Prozent der Lautzenhausener Wahlberechtigten von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht – das war mit die niedrigste Quote im Kreis. Ob sie Hoffnung habe, dass die Wahlbeteiligung diesmal höher ausfalle, wollten wir von Ortsbürgermeisterin Corina Velten wissen. „Ich möchte keinen Kommentar abgeben und das Gespräch hier beenden“, sagte sie und legte abrupt auf. 

Bleiben wir bei der Wahlbeteiligung. Bei der Bundestagswahl 2021 lag die Quote im Rhein-Hunsrück-Kreis bei 79,0 Prozent und damit über dem Landesdurchschnitt von 77,2 Prozent. Erfreulich damals war, dass dieser Wert gegenüber der Bundestagswahl 2017 eine Steigerung von 0,8 Prozentpunkten bedeutete. Nur der Kreis Kusel (0,9 Prozentpunkte) kam damals auf einen höheren Wert. Insgesamt nahm die Wahlbeteiligung in Rheinland-Pfalz um 0,5 Prozentpunkte ab. 

Bevor die Wahlparty später begann, hat Julian Joswig (Bündnis90/Die Grünen, rechts) den Nachmittag bei Kaffee und Kuchen im Freundeskreis verbracht.
Julian Joswig

Auf eine hohe Wahlbeteiligung haben die insgesamt neun Direktkandidaten, die sich beim Wähler um ein Amt im Bundestag beworben haben, auch gehofft. Für sie hieß es am Wahlsonntag aber zuerst einmal Abwarten. Marlon Bröhr (CDU) hatte sich nichts Besonderes vorgenommen. Er verbrachte den Wahlsonntag bei sich zu Hause in Kastellaun im Kreise seiner Familie. Für den Abend war „eine ganz kleine Wahlparty“ geplant. Ähnlich hielt es Julian Joswig (Bündnis90/Die Grünen). Er wollte in seinem Heimatort Bad Salzig sein, um im Kreise seiner Familie, Freunde und Unterstützer die Hochrechnungen zu verfolgen. Alexandra Erikson (Die Linke) ließ es gemächlich angehen. Am Sonntag stand eine Wanderung mit ihren Hunden auf dem Plan – „wie sonntags eigentlich immer“, verriet sie. Gewählt hatte sie bereits – per Briefwahl.

Wie Umut Kurt auch. Der Sozialdemokrat hatte sich ein genaues Programm gemacht. „Den Wahlsonntag verbringe ich mit Frühstück, gutem Kaffee und der Lektüre des aktuellen ,Spiegel‘ daheim“, berichtete er. Anschließend wollte er sich im Fitnessstudio beim Krafttraining auspowern. Für den frühen Abend hat er sein Wahlkampfteam zu sich eingeladen. „Ich werde als Dank für mein Team kochen, und wir werden gemeinsam zu Wein aus dem Bopparder Hamm die Zahlen verfolgen.“ Er freue sich darauf, sich in der Küche auszutoben, sagte Kurt. Dies sei ein schöner Ausgleich für ihn. Langjährige Freundinnen und Freunde wollten auch noch dazustoßen. Ebenfalls zu Hause wollte Detlef Barsuhn (Volt) den Tag verbringen – bei seiner Familie. Am Abend stand eine Wahlparty in Mainz an. Guido Hübinger (Freie Wähler) indes hatte keine Wahlparty geplant. Er setzte sich am späten Nachmittag mit seinem Wahlkampfteam und engeren Freundeskreis zusammen, um den Wahlkampf sowie am Abend die Wahlergebnisse zu analysieren.

„Wir müssen also auf jeden Fall nach Pfalzfeld fahren und unsere Wahlzettel dort auszählen lassen.“
Florian Kneip, Ortsbürgermeister in Mühlpfad

Ja, die Analyse der Wahlergebnisse – das wird diesmal gar nicht so einfach. Denn der Anteil der Briefwähler im Rhein-Hunsrück-Kreis wird wieder recht hoch sein. 2021 lag er bei 57 Prozent – in ganz Rheinland-Pfalz sogar bei 61,3 Prozent. Bis Donnerstag hatten diesmal schon 38,5 Prozent der Wahlberechtigten im Kreis Briefwahlunterlagen angefordert. Die Zahl dürfte noch um einiges angewachsen sein. Dies bedeutet aber auch, dass die Wahlergebnisse aus den einzelnen Ortsgemeinden nicht sehr aussagekräftig sind. Eine Neuerung im Bundeswahlgesetz hat’s in sich. Während etwa bei der Landtagswahl 2021 die Briefwahlstimmen gemeinsam mit den Stimmzetteln in den Urnen im jeweiligen Stimmbezirk ausgezählt wurden und man damit ein vollständiges Ergebnis der Stimmen in einem Ort erhielt, wurden die Briefwahlstimmen bei der Bundestagswahl am 23. Februar auf Verbandsgemeindeebene ausgezählt.

Die Ortsgemeinde Mühlpfad ist sogar doppelt bestraft. Liegen nämlich in einer Gemeinde weniger als 30 Stimmzettel in der Urne, darf diese nach dem neuen Bundeswahlgesetz nicht ausgezählt werden, sondern muss in eine Nachbargemeinde transportiert und dort zusammen mit den dort abgegebenen Stimmen ausgewertet werden. Damit soll das Wahlgeheimnis sichergestellt werden. „Wir müssen also auf jeden Fall nach Pfalzfeld fahren“, erklärte Ortsbürgermeister Florian Kneip. Bis 16.45 Uhr hatten von den 26 noch fehlenden Wahlberechtigten bereits 20 ihre ausgefüllten Stimmzettel in die Urne geworden – dies ist gleichbedeutend mit einer Wahlbeteiligung von 87 Prozent. „Ein paar Einwohner werden wohl noch kommen, aber nicht alle“, prophezeite Kneip.    

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