„Jede Frau darf sich im Kreißsaal wie eine Königin fühlen, der man jeden Wunsch von den Lippen abliest, ohne miteinander zu sprechen.“ So beschreibt Hebamme Anika Jacot das Credo des neuen hebammengeleiteten Kreißsaals, der am 1. Januar 2025 in der Hunsrück-Klinik in Simmern eröffnet. Er stellt ein zusätzliches Angebot der geburtshilflichen Abteilung dar. Das Besondere: Frauen werden während der Geburt und im Wochenbett nur von Hebammen begleitet. Dies ergänzt den interdisziplinären Kreißsaal, in dem Ärzte und Hebammen die Mütter betreuen.
Ein Ziel des von Hebammen geleiteten Kreißsaals ist die Eins-zu-eins-Betreuung. Das heißt: Mindestens eine Hebamme kümmert sich ausschließlich um eine Gebärende. Sowohl die Bundes- als auch die Landesregierung haben dieses Ziel in ihre Koalitionsverträge aufgenommen, wie Juliane Müller, Erste Vorsitzende des Hebammenlandesverbands, den rund 60 Interessierten während der offiziellen Projektvorstellung in der Krankenhauskapelle erläutert.
Weniger Medikamente, weniger Kaiserschnitte
Die Studienlage sei eindeutig: Mütter, die kontinuierlich betreut werden, erleben die Geburt positiver, benötigen im Durchschnitt weniger Medikamente wie Periduralanästhesie (PDA), zudem sind Kaiserschnitte demnach seltener nötig. Kurzum: Der Hebammenkreißsaal strebt eine noch bessere Geburtserfahrung an. Falls es zu Komplikationen kommen sollte, steht Ärztepersonal ebenfalls sofort bereit, die Überleitung in den interdisziplinären Kreißsaal ist jederzeit möglich.
„Wir brauchen Frauen, die sich darauf einlassen wollen.“
Hebamme Anika Jacot
Auch Kay Goerke, Chefarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe der Hunsrück-Klinik, steht hinter dem neuen Projekt. „Wir von der Ärzteschaft freuen uns auf diesen Schritt, weil wir glauben, dass es der Geburtshilfe Vorschub leistet“, sagt er und berichtet aus dem Klinikalltag: „Es ändert sich gar nicht so viel, die Hebammen arbeiten bereits eigenständig.“
Fast 20 Hebammen in der Hunsrück-Klinik
Der Blick auf die Zahlen verrät allerdings: In den vergangenen 15 Jahren haben rund die Hälfte aller Kreißsäle in Rheinland-Pfalz geschlossen, wie Müller erläutert. „28 Kreißsäle sind in Rheinland-Pfalz noch übrig.“ Die Belastung des Personals sei groß. In der Hunsrück-Klinik arbeiten derzeit fast 20 Hebammen, das Krankenhaus bildet in dem Bereich aus. Im Jahr 2023 kamen in der Hunsrück-Klinik mehr als 530 Kinder zur Welt.

„98,5 Prozent aller Geburten finden in Kliniken statt. Es ist wichtig, dass die Frauen dort eine Wahlfreiheit haben“, betont Müller. Vergleichsweise wenig Kinder kommen im Zuhause der Eltern oder in Geburtshäusern zur Welt. Die Eins-zu-eins-Betreuung im Hebammenkreißsaal soll die Geburt erleichtern, aufgrund personeller und organisatorischer Umstände kann die intensive Begleitung allerdings (noch) nicht jederzeit garantiert werden, wie Annika Greis, leitende Hebamme in der Hunsrück-Klinik, feststellt.
Ärzte im Hintergrund bieten Sicherheit
Kristina Theodoropoulos, ehemalige Pflegedirektorin der Hunsrück Klinik, definierte als ein Ziel des hebammengeleiteten Kreißsaals, „einen geschützten Raum zu schaffen, wo sich Frauen sicher und geborgen fühlen“. Die Ärzte im Hintergrund böten ein hohes Maß an Sicherheit. „Gerade im Notfall sind kurze Wege wichtig.“
„Wir von der Ärzteschaft freuen uns auf diesen Schritt, weil wir glauben, dass es der Geburtshilfe Vorschub leistet.“
Kay Goerke, Chefarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe der Hunsrück-Klinik
Seit einigen Jahren leiten bundesweit immer mehr Hebammen Kreißsäle; im Bad Kreuznacher Diakonie-Krankenhaus soll das Projekt im Dezember starten. „Wir brauchen Frauen, die sich darauf einlassen wollen“, betont Hebamme Anika Jacot. Auch eine intakte Partnerschaft sei in dem Zusammenhang oft hilfreich.
Weiter wünschen sich die Verantwortlichen noch mehr Akzeptanz in der Bevölkerung für das Konzept sowie eine angemessene Personalbemessung, damit dem Hebammenkreißsaal nichts mehr im Weg steht. Denn für Jacot ist dabei klar: Hier wird die Frau als Ganzes wahrgenommen.
Für Anmeldungen steht das Kreißsaalteam telefonisch unter 06761/811411 zur Verfügung. Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite der Kreuznacher Diakonie .
Voraussetzungen für die Entbindung im Hebammenkreißsaal
Um im Hebammenkreißsaal der Hunsrück-Klinik gebären zu können, sind zwei Vorgespräche beziehungsweise Voruntersuchungen nötig, die zwischen der 26. und 28. Schwangerschaftswoche sowie zwischen der 34. und 36. Schwangerschaftswoche stattfinden. Darin werfen die Hebammen unter anderem einen Blick in den Mutterpass und prüfen etwa die Lage des Babys. Außerdem gelten folgende Voraussetzungen für Entbindungen im Hebammenkreißsaal: Die Schwangerschaft ist normal verlaufen, Mutter und Baby sind gesund, und es sind keine gesundheitlichen Risiken in der Vorgeschichte bekannt. Jeden ersten Montag im Monat ist in der Hunsrück-Klinik um 19 Uhr ein Infoabend zum neuen Angebot vorgesehen.