Rhein-Hunsrücker vor Gericht
Sexueller Missbrauch von Kindern: Handy ausgewertet
Ein Männer aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis muss sich derzeit am Landgericht Bad Kreuznach wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verantworten.
Andreas Nitsch

Bei den Ermittlungen gegen einen Mann aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis, der sich vor dem Landgericht Bad Kreuznach wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verantworten muss, hat ein Experte 150.000 Bilddateien und 3000 Chatverläufe analysiert. 

Wie viele Mobiltelefone hat der Beschuldigte genutzt? Hat er damit Nacktbilder verschickt oder empfangen? War darunter sogar Kinderpornografie zu finden? Dies waren Kernfragen am vierten Prozesstag gegen einen 53-jährigen Mann aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis, der sich derzeit vor dem Landgericht Bad Kreuznach wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verantworten muss. Vor der 5. Strafkammer des Landgerichts sagten nun drei Polizeibeamte und die Bewährungshelferin des Mannes aus.

Darum geht es: Insgesamt zwölf Delikte werden dem Beschuldigten aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis zur Last gelegt. Er befindet sich derzeit in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Rohrbach. Der Mann ist zuvor bereits zweimal wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt worden, saß deswegen mehrere Jahre in Haft. Seit 2021 steht er unter Führungsaufsicht. Er soll im Jahr 2024 mehrfach in diversen Internetforen wie Snapchat, WhatsApp und TikTok Kontakt zu minderjährigen Mädchen aufgenommen haben, obwohl ihm dies von Rechts wegen strikt untersagt war. Zudem soll er einer Jugendlichen ein Bild seines entblößten Genitals geschickt und junge Mädchen aufgefordert haben, Nacktbilder von sich zu machen und ihm zu übermitteln. Laut Staatsanwalt Dominik Radzivilovskij wollte sich der einschlägig vorbestrafte Mann sogar mit den teils erst elf Jahre alten Mädchen treffen, um mit ihnen „Sex zu machen“.

Im Zeugenstand wurde nun eine Beamtin befragt, die aus der Haft entlassene Sträflinge betreut und überprüft, ob die ausgesprochenen Weisungen – in diesem Fall keinen physischen und auch keinen virtuellen Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen – eingehalten werden. Sie schilderte, wie sie und ein Kollege bei einem überraschenden Besuch bei dem Angeklagten zu Hause auf ein zweites Handy gestoßen sind. Der 53-Jährige sei nervös geworden und habe direkt eingeräumt: „Ja, das war ein Fehler, aber ich habe ja nur geschrieben.“ Offenbar hatte er gewusst, dass er etwas Verbotenes getan hatte. Auf eine entsprechende Nachfrage von Richterin Annegret Werner sagte die Zeugin: „Ja, er wusste ganz genau, welche Weisungen er befolgen musste.“

Nachdem die Beamtin auf dem zweiten Handy des Mannes „zahlreiche Chats mit augenscheinlich sehr jungen Mädels“ und schließlich auch ein Nachtbild entdeckt hatte, habe sie ein Verfahren wegen Jugendpornografie eingeleitet und die weiteren Ermittlungen abgegeben. Ob der Angeklagte angegeben hat, jemand anderes habe seinen Account gehackt, benutzt und in seinem Namen die Nachrichten und Bilder verschickt – dies hatte der Angeklagte an einem der vorherigen Prozesstage behauptet –, wollte die Richterin wissen. Doch dies verneinte die Beamtin. Der Beschuldigte habe stattdessen angegeben, dass er den Mädchen helfen wolle, weil es ihnen nicht gutgehe. Er habe es als „seine Pflicht angesehen, die Mädchen aus ihrem Loch zu holen“.

Wie dieses Aus-dem Loch-holen aussehen kann, zeigt ein anderes Ereignis, das die Beamtin schilderte. Der 53-Jährige hatte laut ihrer Schilderung Kontakt zu einem weiteren Mädchen und war auch bei ihm zu Hause. Er sei teilweise mit dem Zug gefahren und habe auch weite Strecken zu Fuß zurückgelegt. Dort angekommen, habe sich der Mann bei dem Mädchen ins Zimmer geschlichen, der Vater habe davon nichts bemerkt. Schließlich sei das Mädchen für mehrere Tage mit dem Mann mitgekommen. Dem Vater sei erzählt worden, das Mädchen sei bei einer Freundin. Der Angeklagte soll die junge Frau Bekannten als seine Freundin vorgestellt haben, bei einem gemeinsamen Essen sei so viel Alkohol getrunken worden, dass das Mädchen mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus gebracht werden musste – obwohl der 53-Jährige dagegen vehement protestiert habe. „Er hat sogar versucht, das Mädchen aus dem Krankenhaus zu holen“, berichtete die Zeugin. Dies habe die Polizei verhindert. Frage der Richterin: „Ist es zum Beischlaf gekommen?“ „Ich glaube, ja“, antwortete die Beamtin.

Ausgesagt hat auch ein Beamter der Kriminaldirektion Koblenz. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Thema Kinder- und Jugendpornografie und hatte ein sichergestelltes Mobiltelefon des Beschuldigten ausgewertet. Trotz Vorarbeiten sei die Analyse sehr umfangreich gewesen, erklärte er. Insgesamt habe er 150.000 Bilddateien und etwa 3000 Chatverläufe in den verschiedenen Plattformen gesichtet und bewertet. Er konnte allerdings keine Hinweise auf Kinder- oder Jugendpornografie feststellen. Zwar habe er Nacktbilder vom Angeklagten und seinen Genitalien entdeckt, doch die habe er nicht Kindern, sondern nur erwachsenen Frauen geschickt. Auch von diesem Zeugen wollte die Richterin wissen, ob es möglich sei – etwa mithilfe von Codes –, sich Zugang zum WhatsApp-Account des Beschuldigten zu verschaffen und unerkannt Nachrichten zu verbreiten. Auch der Experte verneinte dies.

Die Bewährungshelferin und ein weiterer Polizeibeamter berichteten übereinstimmend von zeitweisen Schwierigkeiten, den Beschuldigten zu erreichen. Ungeklärt blieb, was es mit zwei überdies bei dem Beschuldigten gefundenen neuen SIM-Karten auf sich hatte und warum eins der Handys des 53-Jährigen auf einen ehemaligen Bekannten registriert war. Der Beschuldigte selbst machte an diesem Tag keine Angaben.

Der Prozess wird am Dienstag, 6. Mai, mit der Befragung weiterer Zeuginnen fortgesetzt. Die Plädoyers sollen am Dienstag, 13. Mai, gehalten werden. Eventuell fällt an diesem Tag auch schon ein Urteil.

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